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SRF Arena und Halloween: Atomstrom, AKW und Stauseen

Gute Laune in der Atom-«Arena»: Mike Egger (SVP) und Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP).
Gute Laune in der Atom-«Arena»: Mike Egger (SVP) und Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP).Bild: srf
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«Wirklich wüst»: So gruselig war die AKW-«Arena»

Am Halloween-Abend wurde in der «Arena» über Atomkraftwerke und Stauseen gestritten. Dabei ging es überraschend familiär zu und her.
01.11.2025, 01:3001.11.2025, 17:21

Stockdunkel ist es im Studio 8 am Leutschenbach. Auch auf den TV-Bildschirmen: Finsternis. Nur die Stimme von Sandro Brotz schallt durchs Studio und die menschenleeren Korridore: «Ein Leben ohne Strom und im Dunkeln hocken?»

Was ist da los? Will die «Arena» am Halloween-Abend den Zuschauenden das Gruseln lehren? Oder fordern die Sparmassnahmen, die beim SRF um sich greifen, ihren Tribut? Kann sich die «Arena» kein Bild mehr leisten?

Weder noch. Thema der Sendung war die Schweizer Energiepolitik – und wie man diese nachhaltig und gleichzeitig sicher gestaltet. Ob wir dafür neue Atomkraftwerke bauen müssen, wollte Brotz wissen. Und hatte dafür folgende Gäste geladen:

  • Susanne Vincenz-Stauffacher, Co-Präsidentin FDP
  • Aline Trede, Fraktionspräsidentin Grüne
  • Mike Egger, Nationalrat SVP/SG
  • Stefan Müller-Altermatt, Nationalrat Die Mitte/SO

«Ihr habt falsch gerechnet!»

Für Mike Egger strahlt das SVP-Sünneli zukünftig am liebsten mit mehr Atomstrom. Die links-grüne Energiepolitik sei gescheitert, sagte er in der «Arena»:

«Wenn wir die Kernkraft in der Schweiz ersetzen wollen, dann müsste Aline Trede 7000 Windrädchen in der ganzen Schweiz aufstellen.»

Die angesprochene grüne Nationalrätin lässt das nicht auf sich sitzen: «Es wird nicht wahrer, nur weil es ständig wiederholt wird. Ihr von der SVP habt einfach falsch gerechnet!» Für Trede ist die Diskussion um neue AKW ein Ablenkungsmanöver:

«Atomstrom ist keine zukunftsfähige Energie»

Video: srf/arena

Das letzte Atomkraftwerk wurde in der Schweiz 1985 in Betrieb genommen. 2019 wurde das AKW Mühleberg stillgelegt. Damit verbleiben noch vier Reaktoren in der Schweiz am Netz. Konkrete Pläne für ein neues AKW gibt es nicht. Warum also die Aufregung?

AKW durch die Hintertür?

Seit die Schweizer Stimmbevölkerung im Jahr 2017 der Energiestrategie 2050 zugestimmt hat, ist der Bau neuer Atomkraftwerke verboten.

Das passt nicht allen. Vergangenes Jahr wurde die sogenannte «Blackout-Initiative» eingereicht. Sie will, um den Strombedarf in der Schweiz abzusichern, «alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung» zulassen. Darunter verstehen die Initianten auch Atomstrom.

Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Energieminister Albert Rösti hat aber einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. Dieser sieht vor, aus der Energiestrategie 2050 die Passage zu streichen, die den Bau von AKW verbietet.

Rösti gilt allgemein als Kernkraft-Turbo. «Der Volksentscheid von 2017, aus der Atomenergie auszusteigen, kam unter ganz anderen Umständen zustande. Heute haben wir eine völlig andere Ausgangslage. Wir müssen in alle Richtungen offen sein», sagte er in einem Interview mit der NZZ. Man müsse wieder über Atomkraftwerke diskutieren.

Gegnerinnen und Gegner werfen Rösti vor, so die Atomkraft durch die Hintertür wieder einzuführen. Denn würden die Initianten die «Blackout-Initiative» zurückziehen, träte der Gegenvorschlag automatisch in Kraft. Die Atomgegner müssten das Referendum ergreifen, um die grundsätzliche Erlaubnis, neue AKW zu bauen, noch verhindern zu können.

Stefan Müller-Altermatt, seit Jahren ausgewiesener Energie-Experte im Nationalrat, versteht nicht, warum SVP und FDP wieder mehr auf Atomkraft setzen wollen. Es sei eine veraltete Technologie:

«Da wird ein totes Ross geritten»

Video: srf/arena

«Wirklich wüst»

Bald öffnet Moderator Brotz die Diskussion. Es geht jetzt nicht mehr nur um den Zankapfel Atomkraft. Sondern allgemein darum, wie die Schweiz den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben kann.

«Also, mir gefällt das», findet Susanne Vincenz-Stauffacher.

«Man muss das nicht schönreden, es ist wirklich wüst», findet hingegen Müller-Altermatt.

«Ich finde es etwas mega Schönes», macht Trede die Kakofonie komplett.

Man könnte meinen, die «Arena» habe sich in ein Ästhetik-Seminar verwandelt. Die Politikerinnen und Politiker streiten darüber, ob Solarparks und Windräder etwas Schönes sind. Ob sie Teil der Natur sind oder diese eher verschandeln.

Energieprojekte sind in der Schweiz oft eine Geduldsprobe. Weil verschiedenste Interessen aufeinanderprallen – von möglichst zügigem, unbürokratischem Bau von Solaranlagen, Windrädern und Stauseen auf der einen Seite. Und Landschafts- und Naturschutz auf der anderen Seite.

Genüsslich weist Egger darauf hin, dass es schon arg seltsam sei, wenn die Grünen den Bau neuer AKW bekämpften – gleichzeitig aber auch mit Beschwerden die Realisierung von Stauseen oder Solarparks verzögerten.

Mike Egger über die Probleme bei den erneuerbaren Energien:

Video: srf/arena

Eine schrecklich gruselige Familie

Trotz aller Meinungsverschiedenheiten: Die «Arena» zur Schweizer Energiepolitik lief über weite Teile harmonisch ab. Was erstens daran lag, dass sich die vier Gäste gut kennen. Sie alle politisieren in der Energiekommission des Nationalrats.

Zweitens bestanden tatsächlich verwandtschaftliche Beziehungen auf der Pro-AKW-Seite. Zwei der vier Teilnehmenden sind verschwägert:

Vincenz-Stauffacher ist die Schwiegermutter von Egger. Dieser heiratete im Mai 2025 Lisa Vincenz, die Tochter der FDP-Co-Präsidentin. Vincenz-Stauffacher scherzte:

«Je nach Thema geht es bei uns am Sonntagabend zu wie in der ‹Arena› – einfach ohne Sandro Brotz.»
Susanne Vincenz-Stauffacher und Mike Egger sind Schwiegermama und Schwiegersohn.
Susanne Vincenz-Stauffacher und Mike Egger sind Schwiegermama und Schwiegersohn.Bild: instagram mike egger

Zum Schluss der «Arena» überbieten sich die Gäste darin, dem SRF-Publikum zu beweisen, wie nachhaltig sie leben. Mike Egger prahlt, er habe sein «Häuschen» energetisch saniert, gut isolierende Fenster eingebaut und eine Luftwärmepumpe installiert.

Sie habe Solaranlage, Wärmepumpe, Erdsonde und Warmwasserkollektor, kontert Trede. Und Müller-Altermatt komplettiert das Bild: Er habe auch saniert und dabei einen Induktionsherd eingebaut, der nur noch 15 Prozent des Stroms des alten Herds verbrauche.

Ohne dass es explizit angesprochen worden wäre, weisen die Politikerinnen und Politiker damit auf ein zentrales Problem hin: Wer das Gehalt eines Parlamentsmitglieds bezieht, kann problemlos energieeffizient leben. Für viele Schweizerinnen und Schweizer ist das nicht so einfach.

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quelle: keystone / ennio leanza
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Die beliebtesten Kommentare
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Barth Simpson
01.11.2025 04:46registriert August 2020
Mich hat an dieser Arena sehr gestört, dass man nur Politiker und keine Experten aus der Strombranche eingeladen hat - sprich Stimmen, welche von der Situation wirklich etwas verstehen.
1992
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goschi
01.11.2025 01:39registriert Januar 2014
Egger lügt einfach, er erfindet Zusammenhänge, er erfindet angebliche Fakten, er dichtet rum.

Das ist einfach unerträglich, wie man das mehrheitlich unwidersprochen stehen lässt, was da für komplette Lügen erdichtet werden.

zB der Blackout in Spanien war nicht wegen der Solarkraft, sondern wegen nicht genügender Netzstabilität und danach einem ganz dummen Aufschaukeln, die meiste lokal eingespeiste Energie war nichtmal Solar.

Dass die immer um kosten empfindlichen Rechten AKW nicht rechnen können kommt dazu

die SVP ist schlicht eine Lügenpartei (mindestens bei dem Thema)
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Barth Simpson
01.11.2025 05:39registriert August 2020
Bis ein AKW samt Planung, Bewilligung & Widerstände ans Netz geht, würden mindestens 20-30 Jahre vergehen, der Preis würde sich vervielfachen. Die Schweiz hat alle Voraussetzungen, ohne AKWs auszukommen. Die Chanchen liegen vor Allem in Wasserkraft und Pumpspeicherkraftwerken, welche erneuerbare Energie speichern und bei Bedarf wieder abgeben können. Auch smarte Netzsteuerung ist ein Thema, welche den Netzausbau reduzieren und massiv Kosten einsparen können. VIele Politiker haben erschreckend wenig Wissen über die Materie - egal ob sie pro oder kontra AKWs sind. Diese Arena war für die Füchse!
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