Erst explodierte ein Sprengsatz in einem Abfallsack vor einer Wohnung, später ein Paket, das in einem Briefkasten deponiert war. Im August und im November schreckten zwei mysteriöse Detonationen Genf auf. Beide zielten auf Mitarbeiter der Luxusuhrenfirma Patek Philippe. Und beide hatten Verletzte zur Folge: Ein 43-jähriger Angestellter der Uhrenmanufaktur, der im Quartier Saint-Jean vor seiner Haustüre einen Abfallsack mit verstecktem Sprengstoff anfasste, zog sich Verletzungen am Bein zu. Die Explosion der Paketbombe im Briefkasten verletzte im November im Grange-Canal-Quartier ein 12-jähriges Mädchen schwer am Bauch. Ihr Vater steht im Dienst von Patek Philippe.
Nun, kurz vor Weihnachten, beginnen sich die Hintergründe der beiden Vorfälle zu lichten. Die Bundesanwaltschaft, welche die Ermittlungen leitet, liess letzte Woche zwei Männer festnehmen. Sie müssen für zwei Monate in Untersuchungshaft bleiben, wie das Genfer Zwangsmassnahmengericht am Wochenende entschieden hat. Die Genfer Tageszeitung «Tribune de Genève» hatte als erste über den Entscheid berichtet.
Bei den zwei Verdächtigen handelt es sich um Brüder im Alter von 28 und 32 Jahren. Der eine lebt mit seiner Familie im Wallis und arbeitet als Informatiker. Der andere ist als Chauffeur tätig. Ihnen wirft die Bundesanwaltschaft Erpressung, versuchten Mord, Gefährdung des Lebens und den Einsatz von Sprengstoff vor.
Laut der «Tribune de Genève» hat Patek Philippe im Juli zwei Lösegeldforderungen erhalten: 5 Millionen Franken sollten innert 5 Tagen überwiesen werden, weitere 10 Millionen bis im Herbst. Andernfalls werde ein Angestellter, ein Kunde oder ein Familienmitglied getötet. Ende November kam es offenbar zu einer dritten Lösegeldforderung – nur zwei Tage nach der Explosion der Paketbombe im Grange-Canal-Quartier. Diesmal habe die Summe 20 Millionen Euro betragen.
Damit nicht genug: Die «Tribune de Genève» berichtet, gestützt auf das U-Haft-Gesuch der Bundesanwaltschaft, dass die Ermittler den beiden Verdächtigen vorwerfen, auch andere Firmen zu erpressen versucht zu haben. Aufgeführt wird eine Lösegeldforderung von 300'000 Euro an den Schokoladehersteller Favarger in Belgien unter Androhung der Einführung von Gift in die Produkte des Unternehmens. Hinzu kommen Erpresserbriefe an die Migros Zürich im April 2020 in der Höhe von 1,5 Millionen Franken, an die Migros Genf im Juni 2020 in der Höhe von 3 Millionen Franken und an die Waadtländer Kantonspolizei.
Die beiden Verdächtigen bestreiten die Vorwürfe und beteuern ihre Unschuld. Dies bestätigt Vincent Spira für seinen Mandanten am Montag gegenüber CH Media. Der Anwalt vertritt einen der beiden Brüder. Seine Argumentationslinie will er der Bundesanwaltschaft vorbehalten. Spira gibt aber bekannt, dass er die Untersuchungshaft von zwei Monaten nicht anfechten wird, auch wenn er mit dem Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts «selbstverständlich» nicht einverstanden sei. (aargauerzeitung.ch)