Am Zürcher Hauptbahnhof stinkt es seit bald drei Wochen. Nicht irgendwo, sondern an einem ganz bestimmten Ort: Bei den Geleisen 31 bis 34, dort also, wo Schnellzüge aus Bern, Olten, St. Gallen und dem Thurgau sich kreuzen und einzelne S-Bahn-Linien ein- und ausfahren. Aufgefallen war das erstmals irgendwann Mitte Juli, wirklich gross zu stören schien es aber nicht viele.
Es gab keinen Sturm der Entrüstung (neudeutsch: Shitstorm), obwohl es in Gleisbettnähe üblicherweise wegen Fäkalien riecht. Auf Twitter und Co. gab es auch niemanden aus der Politik, der umgehende Massnahmen forderte.
Es war schliesslich Sommerferien-Zeit. Und heiss. Zwei Voraussetzungen also für unangenehme, heisse Luft.
Dies änderte sich am 21. Juli: Die Gratis-Zeitung «20 Minuten» lieferte die Schlagzeile «Im Bahnhof Löwenstrasse stinkt es seit Tagen fürchterlich» und zitierte mehrere Pendlerinnen und Pendler mit ihrem Unmut. Die SBB-Medienstelle sah sich zu einem Kommentar gezwungen. Ein Sprecher teilte damals gegenüber watson mit, dass die Ursache des Gestanks nicht bekannt sei. Ein verstopfter Siphon sei möglich, aber ganz genau wisse man das noch nicht. Das Unternehmen bat um Entschuldigung und gab die Massnahmen bekannt:
Die SBB bestätigten diese Stellungnahme auf Anfrage. Eine Story gab es bei watson hingegen nicht zu lesen: Es gab zu viele Unbekannte, ausserdem erschien das Problem «Gestank an gut frequentierten Publikumsorten» keinen Nachrichtenwert zu haben, solang es relevantere Probleme gibt.
Vier Tage später, am 25. Juli, fand der Blick einen vermeintlichen Übeltäter: «Schüttelzug ist neu Stinkzug». Die neuen Doppelstockzüge würden flüssige Teile des Abwassertanks freilassen. Bakterien würden Gerüche normalerweise neutralisieren – steigende Passagierzahlen hätten aber dazu geführt, dass diese nicht mehr nachkommen würden.
Weitere vier Tage später, am 29. Juli, lieferte der Tages-Anzeiger dieselbe Story: «Wieso es im Zürcher Hauptbahnhof nach faulen Eiern riecht».
Doch kein verstopfter Siphon also? watson wollte es genauer wissen. Ein SBB-Mediensprecher teilte mit, dass man den Grund immer noch nicht genau kenne. Der Siphon sei eine mögliche Vermutung gewesen, dasselbe gelte für die Bakterienkultur im Bioreaktor der Doppelstock-Züge. Zu hören war dieselbe Bitte um Entschuldigung («Das mit dem Duft wird vorbeigehen. Bis dann bittet die SBB um etwas Geduld») und was bisher gegen den Gestank getan wird:
Seither vergingen mehrere Tage.
Es kam zu heftigen Regenfällen, die zu weiteren natürlichen Gleisbettflutungen (Fachsprache: Gleisschwemme) führten.
Angefragte Pendlerinnen und Pendler (auch bekannt als: Redaktionsmitglieder, die an den Geleisen 31–34 pendeln) konnten sich zwar nicht an den Gestank erinnern (mit Ausnahme eines Pendlers ausserhalb der Redaktion – Zitat: «Es hat mich fast ‹hinderi geschletzt›»).
Das Problem schien aber geblieben zu sein – zumindest, wenn man die Schlagzeilen vom 8. August anschaut.
Das Portal Nau titelte heute, dass in der Affäre neue Bewegung aufkommt: «Jetzt handelt SBB wegen Gestank im Zürich HB». Auch bei 20 Minuten war zu lesen: «Ekelhafter Geruch im Zürcher Hauptbahnhof – jetzt handelt die SBB».
Endlich! – Könnte man meinen.
Die Berichte lieferten auch die Information, was denn genau unternommen wird:
Also das, was seit bald drei Wochen von den SBB zu hören ist. Nur steht es seit letzter Woche auf einem Schild.
watson fragte deshalb bei der SBB-Medienstelle nochmals nach. Dort bestätigt man, dass – mit Ausnahme des Schilds – eigentlich nichts Neues unternommen wurde. Nicht, weil man nichts tun wolle, sondern weil die genaue Ursache immer noch unbekannt sei.
Aktuell gehe man zwar von einer Kombination möglicher Gründe aus. Bis die genaue Ursache für den Gestank geklärt sei, bliebe den SBB nichts anderes übrig als die «Reinigung» zu intensivieren. Also eigentlich das, was seit dem 21. Juli die Devise ist. Immerhin klingt die Bitte um Entschuldigung heute anders: «Uns ist bewusst, dass dies für die Reisenden unangenehm ist. Wir haben darum entsprechende Hinweisschilder aufgestellt und bitten die Reisenden um Entschuldigung.»
Gruss aus dem HB Zürich 🚽👃🤢 pic.twitter.com/qKFwSQHKGi
— Thomas Benkö (bö) (@ThBenkoe) August 8, 2022
Eigentlich eine ganz simple logische Erklärung, die es sicher noch auf Telegram schafft. 😉
Würde einfach täglich alle Oberflächen am HB mehrmals täglich reinigen 🧽 und mehrmals pro Woche das Gleisbett fluten.🤓
Ist doch so einfach🤷🏻♂️