Für die einen ist der Fall ein Beispiel dafür, dass die Zoll-Reorganisation zunehmend zu Rambo-Verhalten führt. Für die anderen ist alles nach Plan gelaufen. Es ist ein Vorfall, von dem es mehr als eine Version gibt.
Die erste Version lautet etwa folgendermassen: Am 20. November 2023 war eine mobile Patrouille des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) im Raum Schaffhausen unterwegs. Es handelte sich um junge Mitarbeiter, die nach der neuen und unter dem früheren Direktor Christian Bock eingeführten Doktrin des Bundesamts «auf Polizist getrimmt seien», wie Berichte besagen, die CH Media vorliegen. Ohne aber über die vertiefte, solide Ausbildung der bisherigen Grenzwächter oder gar der Polizei zu verfügen. So übe das Zollpersonal beim Schiessen heutzutage Anti-Amok-Einsätze und taktisches Eindringen in Gebäude; eine Neigung zum «Rambo-Verhalten» sei die Folge.
Jedenfalls hatte die Patrouille, immer gemäss Berichten, den Polizeifunk des Kantons aufgeschaltet, was üblich, wenn auch eigentlich nicht zulässig sei. Aber so habe sie live den Alarm mitbekommen, den die Schaffhauser Polizei an jenem Tag auslöste. Es handelte sich um einen Amok-Alarm, es ging um die Schule in Hallau.
Die Patrouille habe sofort reagiert und sei mit Blaulicht durch den Kanton Schaffhausen gerast. Vor Ort bei der Schule in Hallau sei sie als zweites Fahrzeug eingetroffen.
Weil die Bundes-Patrouille aber nicht aufgeboten worden war, weil sie der Schaffhauser Polizei mehr im Weg war als etwas anderes, seien die eifrigen Bundes-«Polizisten» von der Kantonspolizei weggewiesen worden. Zudem stellte sich der Alarm, glücklicherweise, als Fehl-Alarm heraus.
Erhebliche Missstimmung sei die Folge zwischen Kanton und Bund, heisst es, denn die Regelung sei glasklar: Das Bundes-Personal kommt nur subsidiär zum Einsatz, wenn der Kanton beim Bund Unterstützung anfordert. Und die Zoll-Patrouillen müssten zwingend einen Einsatzbefehl ihrer Einsatzzentrale haben.
Dann gibt es die zweite Version. Es ist die, welche auf eine Reihe von Fragen hin das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit mitteilt.
Sie lautet so:
«Das BAZG hat – obschon gleiche Funkgeräte – keinen Zugriff zum Polizeifunk der Schaffhauser Polizei.» Ein Abhören des Schaffhauser Polizeifunks sei für Mitarbeitende des BAZG «technisch nicht möglich», so Sprecher Simon Erny. «Vielmehr war zufälligerweise eine mobile Patrouille vor Ort und hat gemäss Verwaltungsvereinbarung mit dem Kanton Schaffhausen Unterstützung angeboten. Diese wurde in der Folge für eine Aufgabe genutzt, nicht aber am Ort des Geschehens.»
Gemäss dem Bundesamt geschah also nichts Problematisches an jenem Tag. «Eine Aussprache mit der Schaffhauser Polizei war nicht nötig und fand auch nicht statt», so der Sprecher weiter.
Und den Hinweis, dass das Personal in der Folge an die Einsatzvorschriften erinnert worden sei, kommentiert der Sprecher so: «Einsätze solcher Art werden üblicherweise intern nachbesprochen.»
So kommen wir zu einer weiteren Darstellung des Geschehenen. Es ist die Nachbesprechung des Einsatzes in Hallau. Sie scheint besser zur ersten Version zu passen als zur zweiten.
In dieser Notiz hält der Chef Einsatz des Zolls Nordost fest, dass die Schaffhauser Polizei bei ihrem Grosseinsatz in Hallau über genügend eigenes Personal verfügt habe. Daher sei keine Bundes-Unterstützung angefordert worden. Weiter hält der Einsatzchef fest: Daher habe das BAZG auch keine Kräfte aufgeboten, «beziehungsweise die vor Ort befindlichen Kräfte wurden durch die Einsatzzentrale zurückgezogen».
Es waren also Kräfte des Zolls vor Ort, und diese wurden «zurückgezogen».
Der Einsatzchef erinnert in der Notiz im weiteren an die geltenden einschlägigen Regeln: «Grundsätzlich» erfolge das Aufgebot von BAZG-Kräften «ausnahmslos durch die zuständige Einsatzzentrale» des Zolls. Falls Mitarbeitenden des Zolls «Informationen zu einer Sonderlage oder ähnlichen Vorfällen vorliegen», sei bei der Einsatzzentrale nachzufragen, ob die Unterstützung gewünscht sei.
Es folgt der Hinweis: «Aus Sicht des Eigenschutzes ist es nicht sinnvoll, ohne Kenntnisse der Gefährdungslage an einen Einsatzort auszurücken. Ein proaktives Verschieben an den Einsatzort hat daher erst nach Freigabe durch die Einsatzzentrale zu erfolgen.» Es wird im Weiteren daran erinnert, dass die Einsätze bei Sonderlagen ins Gesamtkonzept des BAZG eingebunden seien, klare Aufträge und Informationen über die Gefährdungslage bestünden. Der Einsatzleiter vor Ort müsse über die zusätzlichen Mittel informiert sein. Der Eigenschutz habe höchste Priorität in solchen Situationen. Und so weiter.
Das alles klingt nicht so, als wäre in Hallau alles nach Schulbuch abgelaufen. Beobachter beharren darauf, dass in der Region Nordost der Polizeifunk der Grenzkantone ZH, TG und SH aufgeschaltet sei, sonst wären gemeinsame Aktionen ja gar nicht möglich.
Als Grundübel sehen Beobachter noch immer die laufende Reorganisation des Zolls mit der «Betonung auf Polizeiaufgaben, die wir nicht haben». Genau das Verhalten der Patrouille werde insbesondere in der Region Nordost von den Chefs Thomas Zehnder und Gabriela Biber «ausgebildet und gefördert».
Insider sagen, gewisse Leute, die noch vom abgesetzten Zollchef Christian Bock und unter dem früheren Finanzminister Ueli Maurer (SVP) eingesetzt worden waren, machten weiter wie vorher: bei der Umschulung, bei der Bewaffnung. Dies, obschon Maurers Nachfolgerin Katrin Keller-Sutter (FDP) einen Marschhalt verordnet habe.
Auch in Sachen Reorganisation nimmt Keller-Sutter massive Korrekturen vor. So wird aufgrund einer externen Expertise zwar an der überstürzt erfolgten Zusammenlegung des Berufsbildes Zöllner und Grenzwächter festgehalten. Aber es werden zahlreiche Korrekturen und Nachbesserungen vorgenommen. So soll die Grundausbildung verstärkt, die Berufsprofile geschärft werden. Die Rekrutierung wird neu auf die «Vielfältigkeit des Berufsprofils» ausgerichtet, bewaffnet und uniformiert werden «nur Mitarbeitende, deren Auftrag dies verlangt».
Umsetzen soll dies alles mit Pascal Lüthi ein neuer Zolldirektor. Der Neuenburger Polizeikommandant tritt sein Amt Anfang Januar an. Auf ihm lasten grosse Hoffnungen beim Personal.
Was den Vorfall in Hallau betrifft: Die Kantone reagieren in der Regel empfindlich auf Eigenmächtigkeiten von Bundesbehörden. Von der Medienstelle der Kantonspolizei Schaffhausen war dieser Tage zur Sache in Hallau auf Anfrage keine klärende Stellungnahme erhältlich. (aargauerzeitung.ch)
Wie genau muss man sich das vorstellen? Die Patrouille fährt in der Gegend des Schulhauses umher, sieht die anrückende Polizei und fährt ihr einfach so hinter her, ohne irgend eine Ahnung zu haben, wohin die fährt und worum es geht?
Keine grösseren Probleme? Hoffentlich haben die 100 Stutz pro Person den aufgeblähten Einsatz etwas querfinanziert.