Die Generation der Babyboomer geht langsam in Rente: Bis im Jahr 2031 müssen die Kantone für die Primar- und Oberstufe rund 70'000 neue Lehrpersonen rekrutieren. Abgängerinnen und Abgänger von Pädagogischen Hochschulen (PH) werden die Lücke gemäss dem Bundesamt für Statistik nicht schliessen können. Schon jetzt setzen die Behörden auf Notmassnahmen. Sie legen Klassen zusammen oder engagieren Lehrer ohne Diplom.
Verantwortlich für die Volksschule sind die Kantone. Die Bildungskommission des Nationalrats (WBK) hat aber einen Hebel entdeckt, mit dem auch der Bundesrat dem Lehrermangel entgegenwirken könnte: Das Bundesgesetz zur Hochschulbildung, das auch den Zugang zu den PH regelt, besagt, dass man eine gymnasiale Matura oder eine Fachmatura mit pädagogischer Ausrichtung benötigt, um ohne Zusatzprüfung ein PH-Studium starten zu können.
Personen mit Berufsmatura sind nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen. In der Praxis bedeutet das: Berufsmaturanden müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen – was ohne Vorkurs schwierig sei, wie die Bildungskommission kritisiert. Diese Hürde sei zumindest auf Stufe Primarschule nicht mehr gerechtfertigt. «Man holt quasi Lehrpersonen von der Strasse», schreibt die Bildungskommission in einem Vorstoss. Und man wolle Studenten und Pensionäre einsetzen. Gerade in Zeiten von Lehrermangel sei es unverständlich, ausgebildeten Berufsleuten mit Berufsmatura den direkten Zugang für ein PH-Studium zu versperren.
Eine treibende Kraft hinter den Plänen der Bildungskommission, die im Parlament auf breite Unterstützung stossen, ist Simon Stadler. Die heutige Situation in den Schulen mit den vielen unausgebildeten Lehrkräften sei nicht mehr tragbar, sagt der Urner Mitte-Nationalrat.
Stadler hat nach abgeschlossener Maurerlehre und sieben Jahren Arbeit auf dem Bau die Berufsmatura absolviert und danach das Primarlehrerdiplom gemacht. Er übernimmt immer noch regelmässig Stellvertretungen und kennt die Realität im Klassenzimmer. Stadler musste einen Vorkurs besuchen, der die Primarlehrerausbildung von drei auf vier Jahre verlängerte. Diese Zeit raubende Zusatzschlaufe könne Personen mit Berufsmatura potenziell vom PH-Studium abhalten, sagt Stadler.
Und: «Bildungspolitikerinnen und -politiker feiern gerne die Medaillen unserer fantastischen Berufsleute an Weltmeisterschaften und loben das duale Bildungssystem. Wenn sie dann den Zugang zu weiterführenden Schulen wie der PH erschweren, zeugt das von einem gewissen elitären Standesdenken.»
Der Bundesrat will jetzt immerhin prüfen, ob Berufsmaturanden prüfungsfrei an einer PH studieren dürfen sollen oder nicht. Er hat letzte Woche das entsprechende Postulat der Bildungskommission zur Annahme empfohlen. Die Forderung, die Barriere mittels Gesetzesänderung schneller niederzureissen, lehnt er jedoch ab – mit Gründen, die Stadler nicht überzeugen.
Postulate seien oft ein Mittel, um Forderungen zu verschleppen. «Doch in der Schweiz besteht schon heute ein akuter und lange anhaltender Lehrkräftemangel», gibt Stadler zu bedenken.
Einverstanden mit dem Vorgehen des Bundesrats, die Frage der Zulassung zuerst in einem Bericht zu analysieren, ist hingegen Dagmar Rösler. «Der Berufsmatura fehlt die thematische Breite im Vergleich zur gymnasialen Matura oder zur Fachmatura mit pädagogischer Ausrichtung», sagt die Präsidentin des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer. Der Verband setze alles daran, um die Qualität der Lehrerausbildung hochzuhalten. «Das erreicht man nicht, indem man die Hürden für die Zulassung senkt», sagt Rösler. (aargauerzeitung.ch)
Überhaupt, wenn ich schlechte Lehrer hatte, waren sie nie in ihren Fächern schlecht, sondern konnten schlecht lehren und motivieren.
Insofern halte ich die Berufsmaturität für ausreichend als Basis für ein pädagogisches Studium.
Dann sollten die PHs aber zuerst mal ihre eigenen Ausbildungskonzepte und Lehrpläne überdenken. Denn es gibt in der Schweiz wohl keine praxisfernere Berufsausbildung als eine Lehrpersonenausbildung. Zudem konnten sie auch gleich noch damit anfangen, valide Promotiobsbedingungen einzuführen, so dass ungeeignete Kandidat*innen bereits im Studium ausselektioniert werden. Damit könnte man nämlich auch BM-Absolvent*innen direkt an die PH lassen, ohne dass die Qualität leidet.