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Bessere Wingsuits führen zu mehr Toten unter den Basejump-Profis

Der 43-jährige Dean Potter prallte bei einem Flug im Yosemite-Nationalpark in einen Felsen.
Der 43-jährige Dean Potter prallte bei einem Flug im Yosemite-Nationalpark in einen Felsen.Bild: EPA/ADIDAS AG

Bessere Wingsuits führen zu mehr Toten unter den Basejump-Profis

Seine Leidenschaft hat Dean Potter sein Leben gekostet – obwohl er einer der erfahrensten Base-Jumper der Szene war. Das ist kein reiner Zufall.
21.05.2015, 09:0021.05.2015, 18:41
Roman Rey
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Die berüchtigte «Fatality List» ist um einen Namen reicher: Dean Potter. 

Sein Markenzeichen waren Sprünge mit Hund Whisper auf dem Rücken. Sie haben ihn berühmt gemacht. Kultstatus erreichte Potter mit einem Dokumentar-Film über seine Sprünge vom Eiger. 

Potter und sein Begleiter sind am Wochenende bei einem Wingsuit-Sprung im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien tödlich verunglückt. Er nimmt auf der Liste, auf der die tödlichen Unfälle von Base-Jumpern gesammelt werden, Platz 256 ein.

Was auffällt: In den letzten Jahren traf es immer wieder routinierte Jumper – wie Potter, der weit mehr als 1000 Sprünge auf dem Konto hatte. Letztes Jahr starben drei Szenegrössen im Lötschental, 2013 verunglückte der bekannte britische Stuntman Mark Sutton in Martigny tödlich.

Michael Schwery, Präsident der Swiss Base Association, bestätigt: «Vor zehn Jahren verunglückten vor allem Anfänger. Heute trifft es vermehrt erfahrene Springer.»

Bessere Ausrüstung, riskantere Flüge?

Das hat hat – paradoxerweise –  auch damit zu tun, dass sich die Wingsuit-Technologie in letzter Zeit extrem verbessert hat. «Viele Sprünge wären noch vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen», sagt Schwery. Das ermögliche Sprünge an Orten, die zuvor ungeeignet waren. Früher musste eine Felswand mindestens 250 Meter lang vertikal sein, damit sie sich als Absprungort eignete. Heute reichen 150 Meter.

Die präzisen Navigierungsmöglichkeiten können zu einem grösseren Risiko verleiten. «Die Profis gehen auf sehr hohem Niveau an ihre Grenzen», sagt Schwery. Im Extremfall entscheiden dann nicht Sekunden, sondern Sekundenbruchteile über Leben und Tod.

Die neuen Möglichkeiten führen auch zu einem starken Anstieg der sogenannten Proximity Flights bei Base-Jumpern – Flügen mit einem Wingsuit. In den letzten Jahren gab es vor allem bei Proximity Flyern tödliche Unfälle. 

Wut auf Sponsoren

Der Schweizer Oliver Furrer, der seit 25 Jahren Fallschirm springt und 700 Wingsuit-Sprünge hinter sich hat, sieht einen weiteren Grund, warum es immer öfter Profis trifft: Der Druck, der auf den Sportlern lastet, immer waghalsigere Sprünge durchzuführen. Dafür seien auch die Sponsoren mitverantwortlich: «Natürlich hat Red Bull Ueli Gegenschatz nicht zu seinem Sprung gezwungen, aber es ist eben doch ein impliziter Druck da. Wenn er es nicht gemacht hätte, wäre ein anderer bereitgestanden.»

Gegenschatz, der prominenteste Schweizer Base-Jumper, ist 2009 nach einem Sprung von einem Hochhaus in Zürich von einem Windstoss erfasst worden und tödlich verunglückt. Der Sprung fand im Rahmen einer Promo-Aktion statt.

Der Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit in den sozialen Medien, wo solche Videos verbreitet werden, feuere das Ganze noch an, so Furrer. So weit, dass es auch Anfänger betrifft. «Einige wollen sich inszenieren und cool wirken. Dabei überschätzen sie sich», sagt Furrer.

Im Verhältnis immer weniger Unfälle

Zwar ist nur ein Viertel der Basejumper, die auf der seit 1981 geführten «Fatality List» verewigt sind, mit einem Wingsuit verunglückt. Der Trend nahm aber erst vor rund 10 Jahren Fahrt auf – seit da stellten sie Jahr für Jahr einen grösseren Anteil und schliesslich die Mehrheit.

Im Verhältnis nehmen die Unfälle jedoch ab: In Lauterbrunnen, dem beliebtesten Base-Jumping-Ort der Schweiz kommt es im Schnitt zu 4 bis 5 Todesfällen pro Jahr. Während die Zahl der Sprünge rasant ansteigt: Vor 10 Jahren waren es gemäss Schwery noch 5'000 bis 10'000 pro Jahr, jetzt sind es 20'000 – Tendenz steigend.

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Die Webseite wingsuitfly.com hat Todesursachen von Basejumpern anhand der Liste analysiert. Dies sind die Schlüsse:

  • 38 Prozent öffnen den Fallschirm nicht
  • 30 Prozent prallen in eine Felswand
  • Bei 9,5 Prozent wurde der Schirm von einem Objekt getroffen
  • 16 Prozent stürzten nach einer Fehlöffnung ab
  • 3 Prozent ertranken
  • 0,5 Prozent starben an einem Elektroschock

Müssen wir uns auf weitere Innovationen einstellen, die zu noch riskanteren Sprüngen führen? Michael Scheury gibt Entwarnung: «Bis vor drei Jahren gab es starke Fortschritte bei der Technologie», sagt er. Seither würden nur Details verändert. «Eine weitere Revolution bei der Ausrüstung wird es voraussichtlich nicht geben.»

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4 Kommentare
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SpikeCH
21.05.2015 10:28registriert Januar 2015
Tragisch ja, Mitleid nein.
natürlich ist es jedesmal tragisch wenn so etwas passiert, sowohl für die Angehörigen und Freunde, als auch für die Retter, die dann sauber machen müssen..
Trotzdem muss man sich daran erinnern, dass diese Extremsportler, die ich um ihre Kühnheit bewundere, sehr wohl wissen welches Risiko sie eingehen. Bei jedem Sprung müssen Sie damit rechnen, dass Sie an diesem Tag ihre Familie nicht mehr in die Arme schliessen können.
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