2017 nahm das Stimmvolk das revidierte Energiegesetz an, 2023 das Klimaschutzgesetz, 2024 das Stromgesetz. Doch den Jungen Grünen ist das nicht genug. Ihnen geht es noch immer zu langsam vorwärts mit dem Klimaschutz. Darum haben sie die Umweltverantwortungsinitiative lanciert. Diese verlangt, dass die Schweiz die Umwelt nur noch so stark belastet, wie sich die Natur davon erholen kann. Sozialverträglich soll die Schweiz dies bewerkstelligen. Und das bis in zehn Jahren.
Am 9. Februar stimmt das Volk darüber ab. Deshalb diskutierten in dieser SRF-«Arena» im Namen des Pro-Lagers:
Auf der Gegenseite befanden sich:
An diesem Abend treffen nicht nur zwei Lager aufeinander, sondern auch zwei Generationen. Die Junge Grüne Magdalena Erni findet: «Wir leben auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen. An diese Grenzen müssen wir uns halten.» Doch aktuell sorgten Bundesrat und Parlament für das Gegenteil.
Der Bund würde Subventionen in Milliardenhöhe in Bereiche leiten, bei denen man wisse, dass sie unsere Lebensgrundlage zerstörten. So zum Beispiel in die Fleischwirtschaft. «Kostenwahrheit» müsse hergestellt werden in der Schweizer Wirtschaft, findet Erni. Das heisst aus ihrer Sicht beispielsweise: Bio-Fleisch sollte günstiger sein als Nicht-Bio, da letzteres die Umwelt bei der Herstellung mehr belastet.
Erni wünscht sich ein komplett neues Wirtschaftssystem. Eines, in welchem die Umweltbelastung, die durch die Herstellung eines Produkts entsteht, in deren Preis eingerechnet ist. In ihren Worten klingt es gut. Danach, dass nur Reiche und Grosskonzerne, die hauptverantwortlich für die Zerstörung unserer Lebensgrundlage seien, zur Kasse gebeten werden müssten. In der Realität würden die Konzerne diese Mehrkosten jedoch an die Konsumentinnen und Konsumenten abschieben, ist die Gegenseite überzeugt.
Zur Gegenseite gehört Bundesrat Albert Rösti. In väterlichem Ton erwidert er: «Bei allem Respekt gegenüber Frau Erni, aber ich kann gar nicht alles korrigieren.» Fleisch werde in der Schweiz nicht mit Milliardensubventionen unterstützt. Es handle sich nur um wenige Millionen in Werbegeldern für Schweizer Fleisch. Also Fleisch, das «ökologisch und nachhaltig produziert ist».
Mit der Wahrheit nimmt es Rösti bei dieser Aussage auch nicht so genau. Tatsache ist: Die Schweizer Landwirtschaft ist noch weit davon entfernt, ökologisch und nachhaltig zu sein. Röstis Bundesamt für Umwelt (BAFU) höchstpersönlich weist die Schweizer Landwirtschaft als einen der Hauptverursacher von CO2-Emissionen und dem Verlust der Biodiversität aus.
Ausserdem musste der Kanton St.Gallen erst im vergangenen Jahr einigen Landwirtschaftsbetrieben verbieten, ihr Fleisch zu verkaufen, weil dieses mit sogenannten «ewigen Chemikalien» (PFAS) belastet war. Wie die Tiere die gesundheitsschädlichen Stoffe aufgenommen hatten? Durch das Gras auf der Wiese. Diese Wiesen hatten Bäuerinnen und Bauern bis 2006 mit PFAS-verschmutztem Klärschlamm gedüngt.
Trotzdem stellt sich Rösti auf den Standpunkt: Die Schweiz tut schon genug für das Klima. Es ist dasselbe Gegenargument, das er in der Vergangenheit auch schon bei anderen Umwelt-Vorlagen vorgetragen hat. Doch durch reine Wiederholung wird es nicht wahrer.
2022 stellte das BAFU fest: «Insgesamt zeigt der bisherige Verlauf der Fussabdrücke und der Vergleich mit den planetaren Belastbarkeitsgrenzen, dass grosser Handlungsbedarf besteht.»
In einem anderen Bericht von 2023 schrieb das BAFU, dass «der Allgemeinzustand der Biodiversität in der Schweiz weiterhin unbefriedigend» sei und ein Grossteil der geplanten Massnahmen für mehr Biodiversität mit grosser Verspätung in Kraft treten würden. Ausserdem ist die Schweiz 2024 im Klima-Ranking, das die Klimaschutzorganisation Germanwatch jährlich veröffentlicht, um zwölf Plätze abgestürzt im Vergleich zum Vorjahr.
Konfrontiert mit solchen Fakten muss auch Rösti zugeben: Ja, die Schweiz muss ihren Ressourcenverbrauch effizienter gestalten. Aber:
Innerhalb von nur zehn Jahren den Konsum der Schweiz um zwei Drittel zu reduzieren, das gehe nicht. «Dann würden wir auf ein Niveau kommen von heutigen Ländern wie Haiti, Madagaskar, Afghanistan. Das will niemand», sagt Rösti. Das würde weder der Umwelt etwas bringen noch der Schweizer Bevölkerung. Denn diese würde verarmen.
Erni entgegnet Rösti:
Sie sei 21 Jahre alt und sorge sich um ihre Zukunft. Indes würde Rösti wissenschaftliche Fakten herunterspielen.
SP-Nationalrat Hasan Candan stimmt mit ein: Der Bund gebe jedes Jahr 40 Milliarden Franken für Subventionen aus, um Bereiche zu finanzieren, die unsere Umwelt aktiv schädigten. Das sei doch kein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem. Und gerecht sei es sowieso nicht. Candan:
In diesem System hätten Grosskonzerne sozusagen ein Recht auf Profit mit Zerstörung.
Bei aller Geduld mit den Idealisten wird es Rösti nun zu bunt: «Lieber Herr Candan, bitte malen Sie als so junger Mensch nicht so ein düsteres Zukunftsbild!» Keine Generation habe je so gut und gesund leben können wie seine. «Schauen Sie mal ein bisschen über die Grenze, wie es an anderen Orten der Welt aussieht!»
Röstis emotionale Worte haben eigentlich nichts mehr mit der Umweltinitiative zu tun. Aber das ist inzwischen auch egal. Rösti kann keine guten Gründe finden, die gegen ein nachhaltiges Wirtschaftssystem sprechen. Wie auch? Alle im Saal wünschen sich, dass das, was die Jungen Grünen fordern, Realität werden könnte: Eine Schweiz, die ihren Lebensstandard, ihren Wohlstand, ihre Wirtschaftsleistung beibehalten und gleichzeitig den Planeten retten kann.
Das Problem ist nur, dass die Jungen Grünen in der Umweltinitiative nirgends festgehalten haben, wie sie dieses utopische Ziel erreichen wollen. An keiner einzigen Stelle. Sie schieben die Verantwortung für die Umsetzung ihrer Initiative komplett auf Bundesrat und Parlament ab.
Mehrmals haken Moderator Sandro Brotz und Bundesrat Albert Rösti nach, mit welchen konkreten Massnahmen die Jungen ihre Initiative in die Realität umsetzen wollen. Günstigeres Bio-Fleisch, Elektronik, die man reparieren können muss, weniger Geld für Fleischwerbung und mehr Velowege werden nicht ausreichen.
Das muss schliesslich auch Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey zugeben. Das Ziel der Umweltinitiative sei äusserst ambitioniert, ja. Aber er unterstütze lieber grosse Ziele, die man knapp verpasse, als Ziele, die zu tief angesetzt seien, sagt Andrey. Seine Worte sind bezeichnend für eine Initiative, die sich junge, pessimistische Idealistinnen und Idealisten ausgedacht haben.