Ein Vierjähriger ist im Sommer 2020 auf dem Reitplatz Weierwise in Wil in einen offenen, überfluteten Wasserschacht gefallen und schwer verletzt worden. Am Mittwoch verurteilte das Kreisgericht Wil den Mann, der das Schachtgitter in fahrlässiger Weise entfernt hatte.
Der Einzelrichter sprach den Beschuldigten der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig. Er auferlegte ihm eine bedingte Geldstrafe von 35'000 Franken (140 Tagessätze zu 250 Franken), bei einer Bewährungsfrist von zwei Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der tragische Unfall geschah Ende August 2020, nachdem es in Wil anhaltend stark geregnet hatte. Der Reitplatz nördlich der Altstadt stand unter Wasser, auch die Reithalle drohte überschwemmt zu werden. Der Beschuldigte kontrollierte den Schacht und entfernte das mit Laub bedeckte 80 Zentimeter grosse runde Gitter, damit das Wasser besser ablaufen konnte.
Um die Gefahrenstelle zu markieren, stellte er eine Stange, wie sie für Hindernisse bei Pferdespringen verwendet wird, in den Schacht. Er habe eine Überflutung der Reithalle verhindern wollen, erklärte er dem Richter. Er habe sich nicht vorstellen können, dass ein Kleinkind in den Schacht fallen und in die Abflussröhre gesogen werden könnte.
Doch genau dies geschah, als zwei Mütter mit ihren Kindern auf dem Weg oberhalb des Reitplatzes spazierten. Der Vierjährige verschwand plötzlich. Er wurde vom Wasser in die quer verlaufende Röhre von 40 Zentimetern Durchmesser gesogen und blieb hängen. Bis er aus der Röhre gerettet werden konnte, vergingen etwa 20 Minuten.
Die Rega flog den Knaben ins Spital. Er überlebte, erlitt aber eine bleibende, schwere gesundheitliche Schädigung und muss seit dem Unfall rund um die Uhr umsorgt und überwacht werden. Der Anwalt der Familie forderte einen Schuldspruch für den Mann, der das Schachtgitter entfernt hatte.
«Der Vorfall hätte nicht passieren dürfen und nicht passieren müssen», sagte er. Der Unfall sei vorhersehbar gewesen. Dem Beschuldigten sei Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Möglicherweise habe allerdings auch die Stadt Wil als Eigentümerin des Areals ihre Verantwortung ungenügend wahrgenommen.
Das Gitter über dem seit fünf Jahrzehnten bestehenden Schacht wurde erst 2018 angebracht. Damals wurde ein Kiesweg angelegt, finanziert und ausgeführt von einem anderen Mitglied des Reitklubs. Dieser Mann wurde vom Richter als Zeuge befragt, ebenso ein Landschaftsgärtner, der an den Arbeiten beteiligt war.
Der Verteidiger forderte einen Freispruch. Der Beschuldigte sei sich der von ihm geschaffenen Gefahr zu keiner Zeit bewusst gewesen. Er habe nicht damit gerechnet, dass sich Kleinkinder auf dem Areal bewegen würden. Niemand habe einen derart tragischen Unfall für möglich gehalten.
Der Beschuldigte selber beteuerte, er könne sich noch immer nicht vorstellen, dass so etwas habe passieren können. Er würde alles dafür geben, dass der Knabe gesund geblieben wäre.
Der Richter bestätigte mit seinem Urteil im Wesentlichen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft, den der Beschuldigte angefochten hatte. Er attestierte ihm, dass er in guter Absicht gehandelt habe. Ihn treffe nur ein leichtes Verschulden. Der Richter verzichtete deshalb auf eine zusätzliche Busse.
Der Beschuldigte habe aber die Gefahrenstelle ungenügend gesichert. Statt einfach einen Pfosten in den offenen Schacht zu stellen, hätte er eine Abschrankung wie bei einer Baustelle anbringen müssen. Als Alternative wäre auch eine permanente Überwachung durch Mitglieder des Reitklubs möglich gewesen, sagte der Richter. (aeg/sda)