Sie verkörpern die lautstärkste Opposition gegen den Coronakurs des Bundesrates: Die Freiheitstrychler, unterwegs mit verzierten weissen Leibchen, protestieren sie manchmal mit und manchmal ohne Bewilligung gegen die Massnahmen. Zuletzt arteten die Kundgebungen aus, wie am Donnerstag vor zwei Wochen in Bern, als das Schlagwort «Sturm auf das Bundeshaus» die Runde machte.
Am Sonntag vor dem Eklat in der Bundeshauptstadt posierte Ueli Maurer an einem SVP-Anlass mit einem Leibchen der Freiheitstrychler. Das Bild fand via Twitter den Weg an die Öffentlichkeit. Zudem rechnete der Finanzminister am Rednerpult mit der Coronapolitik ab, sprach unter anderem von der Macht, die nicht gewählte Experten an sich gezogen hätten und an der auch der Bundesrat Gefallen gefunden habe.
Sodann konstatiert er eine Führungskrise im Gesundheitswesen, eine Spitze gegen Gesundheitsminister Alain Berset (SP) also. Solidarisiert sich der Finanzminister mit den Massnahmengegner, rüttelt er abermals am Kollegialitätsprinzip?
Vor allem die SP kritisierte das Verhalten Maurers schwer – als Sabotage an der Coronapolitik. In der Fragestunde von Montagnachmittag konfrontierten die Sozialdemokraten Bundespräsident Guy Parmelin gleich mit neun Fragen zu Maurers umstrittener Rede, die in sozialen Medien zirkuliert. Im Kern wollte die SP wissen: Teilt der Gesamtbundesrat die Einschätzungen des Finanzministers? Sind sie mit dem Kollegialitätsprinzip vereinbar?
Die gesamtbundesrätliche Schelte blieb aus. Bundespräsident Guy Parmelin (SVP) versteckte sich bei seinen Antworten hinter Reglementariern. Die Sitzungen des Bundesrats seien vertraulich. Ganz in diesem Geiste kommentiere der Bundesrat auch keine Aussagen, die ein Ratsmitglied in der Öffentlichkeit mache. Und: «Alle Entscheidungen der Landesregierung werden kollegial getroffen.» Ein Nachhaken von SP-Fraktionschef Roger Nordmann nützte nichts. «Ich wiederhole mich. Ich kommentiere nicht, was ein Bundesrat in der Öffentlichkeit sagt», sagte Parmelin. Auch die Berner SP-Nationalrätin Nadine Masshardt biss mit Zusatzfragen auf Granit.
Was sagen die Genossen zu den Nichtantworten des Bundespräsidenten? Nordmann gibt zu verstehen, dass er keinen öffentlichen Rüffel an Maurers Adresse erwartet hatte. Aber. «Seine Antwort zeugt von fehlendem Rückgrat. Parmelin hätte erklären können, dass wir uns in einer schweren Pandemie befinden und dass es am besten ist, wenn man sich impfen lässt.»
Den Verweis auf die Vertraulichkeit der Bundesratssitzungen taxiert Nordmann als Ausrede. Maurer habe die umstrittenen Aussagen öffentlich und nicht an einer Bundesratssitzung gemacht. Offen bleibt, ob die SP die Affäre damit ruhen lässt oder nicht. «Ob und wie wir weiter vorgehen, werden wir nun diskutieren», sagt Masshardt. Parmelins Stellungnahme findet sie sehr enttäuschend, «da es um zentrale Fragen geht im Zusammenhang mit unserem politischen System».
Und Ueli Maurer? Gegenüber CH Media nahm er schon vor eineinhalb Wochen Stellung zum Bild mit dem Freiheitstrychler-Leibchen. Das Shirt habe er aus «reinem Zufall» angezogen und es etwa fünf Minuten lang getragen. Er wies den Vorwurf, gegen die Politik des Bundesrats protestiert zu haben, zurück. «Das war keine Provokation, nur schon deshalb nicht, weil ich gar nicht wusste, in welchen Zusammenhang dieses Leibchen offenbar gebracht wird.» War sich Maurer bewusst, welche Rolle die Freiheitstrychler an den Demonstrationen spielen? Er kenne diese nur von SVP-Anlässen. «Dort hat es immer wieder Leute mit solchen Leibchen.»
Ueli Maurer, wenn Sie "kä Luscht" haben, am Leben in der heutigen, zugegebenermassen schwierigen Zeit Anteil zu nehmen, ok, dann aber konsequent seim und aus dem Amt und der Öffentlichkeit verschwinden!
Das kommt aber überraschend.