Drei Kilo habe ich bisher verloren. Nur drei Kilo. Vor der Tour dachte ich noch, ich werde während den vier Monaten total aushungern. Es gibt zwar Leute, die sagen, ich hätte ja total abgenommen, hätte ein Gesicht so schmal wie Jan Ullrich nach der Tour de France. Aber nein, ich habe nur drei Kilo abgenommen (okay, vielleicht anscheinend einen Grossteil davon im Gesicht).
Klar, das Fett-Muskel-Verhältnis hat sich etwas verschoben. Aber auch dort ist es bei weitem nicht so, dass ich plötzlich bei irgendeiner Mister-Wahl mitmachen könnte. Ich finde, man sieht die Veränderungen kaum. Zur Sicherheit frage ich bei meiner Frau nach. Denn wer sollte ehrlicher antworten als sie? «Nein, ich hätte mit viel mehr gerechnet.» Gerechnet oder gehofft, frage ich zur Sicherheit nach: «Sicher nicht gehofft», erwidert sie.
Irgendwie ist das auch nicht verwunderlich, dass ich trotz enormer sportlicher Betätigung in den letzten Monaten kaum Gewicht verloren haben. Ausser Velofahren und Schlafen mache ich nämlich vor allem eines: Essen. Viel essen. Immer essen. Alles essen.
Ich habe überhaupt keinen «sportgerechten» Essplan. Alle Kalorien, die ich verliere, kann ich eh nicht reinfuttern. Drum schlage ich einfach zu, wenn ich kann. Und das muss nicht gesund sein. Ich esse nach einer Etappe auch mal Fast Food, verschlinge in Rekordzeit eine Packung M&M's oder schütte in einer kurzen Pause einen Liter zuckerhaltige Getränke in mich hinein. Obwohl ich «im normalen Leben» am liebsten Wasser trinke, habe ich mir während dieses Projekts ein kleines Spiel daraus gemacht in den Läden oder an der Tankstelle diejenigen Getränke zu kaufen, welche am zuckerhaltigsten Aussehen.
Dazu gibt es täglich Energy-Riegel oder -Gel. Unterwegs schwöre ich beispielsweise auf den «Liquid Energy Plus»-Gel oder den High-Energy-Riegel von Sponser. Die liefern schnell verfügbaren Zucker und tragen mich die letzten Kilometer zum Etappenort. Denn nach der Vitamintablette und dem Frühstück am Morgen, esse ich tagsüber kaum etwas «Richtiges». Meist begnüge ich mich mit Biberli oder Bananen.
Dazu gibt es kurz nach der Ankunft als erstes einen Proteinriegel und Salz-Tabletten, die mir Sponser verbilligt zur Verfügung stellte. Dazu ein Magnesiumpulver, um jene Verluste zu decken sowie vielleicht einen kleinen Snack, bevor es beim Znacht alles geben kann. Oft mit einer Kalorienbombe zum Dessert.
So wenig ich unterwegs esse, eines habe ich immer griffbereit an meinem Lenker: den Activator. Der besteht aus 200mg Koffein. Ich habe schon bei früheren Ausdauerleistungen gute Erfahrungen damit gemacht und bei der Tour dur d'Schwiiz bestätigt dieser seine Wunderwirkung bei mir. Popeye dürfte sich jeweils ähnlich fühlen, wenn er Spinat isst. Mir verleiht die Ampulle für die nächste halbe Stunde Flügel. Durch manch harten Moment auf der Tour hat mich der Activator gebracht. Langsam weiss ich: Geht nichts mehr, muss das Ding her.
Drei Kilo habe ich also nur verloren. Sicher ist nur eines: Esse ich die nächsten vier Monate nach der Tour so weiter, lege ich ein Vielfaches davon wieder zu. Meine Frau hat dann aber schon ein Auge drauf. Denn mehr als sie hoffte, dass ich nicht extrem abnehme, möchte sie, dass ich nachher aufgehe wie ein Gugelhopf.