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Von der Ukraine in die Schweiz: Eine Flucht in 17 Bildern

FILE - A Ukrainian serviceman walks past as fire and smoke rises over a damaged logistic center after shelling in Kyiv, Ukraine, March 3, 2022. (AP Photo/Efrem Lukatsky, File)
Die ukrainische Hauptstadt Kiew steht unter schwerem Beschuss. Wer kann, flieht. Bild: keystone

Von der Ukraine in die Schweiz: Die Geschichte einer Flucht in 17 Bildern

In der Nacht auf Mittwoch wurden 140 Kinder, Jugendliche und Mütter aus der Ukraine in die Schweiz evakuiert. Die Flucht aus dem Krieg in 17 Bildern.
09.03.2022, 19:39
Helene Obrist
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Bis einen Tag vor dem Flug wusste Guido Fluri nicht, ob es tatsächlich klappen würde. Ob der 55-jährige Unternehmer und Gründer der Guido Fluri Stiftung zusammen mit seinem Team tatsächlich mehr als Hunderte Frauen, Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in die Schweiz bringen kann.

Dann, nach einer fast schlaflosen Nacht, kommt das Go. Am Dienstagmorgen steht fest: Ein Airbus 320 der Edelweiss wird am frühen Abend in Zürich bereitstehen. Sie wird eine kleine Entourage nach Krakau bringen, wo die Geflüchteten bereits am Flughafen warten.

Kurz vor Abflug hisst der ukrainische Botschafter Artem Rybchenko die ukrainische Flagge und hält sie gemeinsam mit Guido Fluri, seiner Frau und dem Rest des Teams in die Kamera.

Tania und Guido Fluri (erster von links) und der ukrainische Botschafter Artem Rybchenko (zweiter von rechts).
Tania und Guido Fluri (erster von links) und der ukrainische Botschafter Artem Rybchenko (zweiter von rechts).bild: watson/ohe

Im Flugzeug herrscht beinahe gespenstische Stille. Bis auf knapp zehn Plätze und der Edelweiss-Crew ist das Flugzeug leer. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen. Denn der Flugplan ist eng. In nur 45 Minuten müssen die Geflüchteten im Flugzeug sein. Dann fliegt die Maschine bereits wieder zurück nach Zürich.

Der Edelweiss-Pilot steigt kurz aus dem Cockpit. «Es ist mir eine Ehre, Sie auf dieser Mission zu begleiten und mit Ihnen nach Krakau zu fliegen.»

Eine leere Maschine der Edelweiss fliegt von Zürich nach Krakau, um dort Geflüchtete Menschen aus der Ukraine abzuholen.
Eine leere Maschine der Edelweiss fliegt von Zürich nach Krakau, um dort Geflüchtete Menschen aus der Ukraine abzuholen. bild: watson/ohe

Auch der ukrainische Botschafter Artem Rybchenko fliegt mit. Geschlafen habe er nicht viel in den letzten Tagen, sagt er. Doch es sei seine Aufgabe, zu helfen. «Es ist unsere Aufgabe, so viele Menschen wie möglich in Sicherheit zu bringen.»

Rybchenko nimmt kein Blatt vor den Mund. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind keine Aggressoren. Alles, was wir wollen, ist Frieden.»

Der ukrainische Botschafter Artem Rybchenko auf dem Hinflug nach Krakau.
Der ukrainische Botschafter Artem Rybchenko auf dem Hinflug nach Krakau. bild: watson/ohe

Nach 105 Minuten Flug landet die Maschine in Krakau. Kurz bevor die Räder den polnischen Boden berühren, sagt Guido Fluri: «Die Schweiz ist ein Land mit einer grossen humanitären Tradition. Wir können diesen Krieg nicht einfach aussitzen und zuschauen. Wir müssen helfen.»

Fluri war es, der den Linienflug organisierte und bezahlte. Zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn verlässt er das Flugzeug.

In der Ankunftshalle warten die Geflüchteten. Es sind Kinder mit Behinderungen, Säuglinge und Mütter.

Viele von ihnen kommen aus Kiew. Tagelang verharrten sie im Bunker, bis sie die beschwerliche Flucht über die Grenze nach Polen auf sich nahmen.

Guido Fluri (links) und seine Frau Tania heissen die Geflüchteten am Flughafen in Krakau willkommen.
Guido Fluri (links) und seine Frau Tania heissen die Geflüchteten am Flughafen in Krakau willkommen. bild: watson/ohe

Trotz der unvorstellbaren Erlebnisse ist hie und da ein Lächeln zu sehen. Erleichterung, dass es nun endlich weiter geht. Weiter an einen sicheren Ort in der Schweiz.

Ein Jugendlicher hält das ein Schild mit der Aufschrift «Slawa Ukrainjini». Der ehemalige polnische Botschafter Jarek Jaromir Skolowski (brauner Schal) übersetzt: «Ruhm der Ukraine».
Ein Jugendlicher hält das ein Schild mit der Aufschrift «Slawa Ukrainjini». Der ehemalige polnische Botschafter Jarek Jaromir Skolowski (brauner Schal) übersetzt: «Ruhm der Ukraine». bild: watson/ohe

Viele der Geflüchteten haben nur das Nötigste dabei. Einen Rucksack, den Tragekorb für den Hund, den Kinderwagen. Für mehr hat Zeit und Platz nicht gereicht.

Jugendliche, Mütter und kleine Kinder konnten flüchten. Viele mussten ihre Männer im Krieg zurück lassen.
Jugendliche, Mütter und kleine Kinder konnten flüchten. Viele mussten ihre Männer im Krieg zurück lassen.bild: watson/ohe
Vor dem Einsteigen ins Flugzeug werden die Boardkarten überprüft.
Vor dem Einsteigen ins Flugzeug werden die Boardkarten überprüft.bild: watson/ohe
Eine Mutter führt ihre Tochter an der Hand ins Flugzeug.
Eine Mutter führt ihre Tochter an der Hand ins Flugzeug. bild: watson/ohe

Sobald alle einen Platz im Flugzeug gefunden haben, verteilen Guido Fluri und Pascal Krauthammer, Medienbeauftragter der Stiftung, Schokolade und einen kleinen Sack mit Überraschungen.

Ganz gefüllt ist die Maschine nicht.
Ganz gefüllt ist die Maschine nicht. bild: watson/ohe

Für viele Kinder ist es der erste Flug in ihrem Leben. Gummibärchen und Malstifte, die von Guido Fluri und Pascal Krauthammer (links im Bild) verteilt werden, sollen die Angst etwas nehmen.

Gegen die Sprachbarriere hilft ein Daumen nach oben.
Gegen die Sprachbarriere hilft ein Daumen nach oben.bild: watson/ohe

Der Flug vergeht in Windeseile. Trotz der vielen Kinder an Bord ist es ruhig. Man merkt: Viele sind erschöpft von der langen Reise.

Gegen 21.30 Uhr landet das Flugzeug in Zürich. Geduldig warten die Geflüchteten auf das wenige Gepäck, dass sie mitnehmen konnten.

Nur wenige Koffer rollen über das Rollband.
Nur wenige Koffer rollen über das Rollband. bild: watson/ohe

Drei grosse blaue Busse bringen die 140 Frauen, Kinder und Jugendliche an ihren Zielort. Ein Grossteil der Geflüchteten fährt nach Mümliswil im Kanton Solothurn.

Noch ein letztes Mal das Fahrzeug wechseln, bevor ein bisschen Ruhe einkehrt.
Noch ein letztes Mal das Fahrzeug wechseln, bevor ein bisschen Ruhe einkehrt. bild: watson/ohe

In Mümliswil haben viele Freiwillige das alte Kinderheim und jetzige Gedenkstätte für Verdingkinder für die Menschen aus der Ukraine vorbereitet.

Auf Tischen liegen Spielzeug, Plüschtiere, Windeln, Lebensmittel und Hygienemasken. In der Küche kochen Suppe und Wienerli.

Wer sein Plüschtier auf der Flucht verloren hat, findet in Mümliswil vielleicht ein Neues.
Wer sein Plüschtier auf der Flucht verloren hat, findet in Mümliswil vielleicht ein Neues. bild: watson/ohe

Kurz bevor der Car im Solothurnischen ankommt, wendet sich Guido Fluri ein letztes Mal an die Entourage an Freiwilligen. Es ist kurz vor Mitternacht. Viele sind aus benachbarten Dörfern. Den ganzen Tag haben sie gearbeitet. Babynahrung organisiert, Betten vorbereitet.

Es warten Kinderärztinnen, Sozialpädagogen und Übersetzerinnen. Draussen in der Kälte steht die freiwillige Feuerwehr. Hilft mit dem Gepäck und weist den Car-Chauffeur ein.

Guido Fluri (links im Bild) bedankt sich für den Einsatz vieler Freiwilligen.
Guido Fluri (links im Bild) bedankt sich für den Einsatz vieler Freiwilligen. bild: watson/ohe
Die freiwillige Feuerwehr in Mümmliswil hilft mit dem Gepäck.
Die freiwillige Feuerwehr in Mümmliswil hilft mit dem Gepäck. bild: watson/ohe

Viele der Kinder sind ihren Müttern auf dem Weg nach Mümliswil in den Armen eingeschlafen. Sie hieven sie hinein ins Haus. Dort werden sie auf Zimmer verteilt. Viele steigen direkt die Treppen hoch und verschwinden hinter hölzernen Zimmertüren.

Nur hie und da tapsen ein paar Kinderfüsse die Stufen wieder runter. Mit ihren Müttern schauen sie sich neugierig im Aufenthaltsraum um. Holen sich etwas zu trinken. Setzen sich noch kurz hin. Bevor sie sich erschöpft ins Bett legen.

Bild
bild: watson/ohe

An der Eingangstür haben die Helferinnen in Blau und gelb geschrieben «Laskavo prosymo». Kurz übersetzt: «Willkommen» oder auch: «Willkommen zu Hause».

Willkommen zu Hause.
Willkommen zu Hause. bild: watson/ohe
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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Haarspalter
09.03.2022 20:20registriert Oktober 2020
Chapeau!

Und genau solche Aktionen sind es, die uns über die Bosheit einiger weniger siegen lassen werden.
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Rivka
09.03.2022 20:02registriert April 2021
Ich finde das eine vorbildliche Aktion. Bin so glücklich, dass es Menschen wie Guido und seine Familie gibt. Auch ein grosses Dankeschön an die Helfer + plus die Bewohner von Mümliswil. Ihr macht das toll 💖.
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IDon'tHaveAName
09.03.2022 22:25registriert Februar 2016
Heute im Zug sassen in der Reihe neben mir eine Dame und ihr kleiner Sohn aus der Ukraine. Nicht älter als 5. Er hatte sichtlich Freude am Zugfahren und war aus dem Häuschen mit der Szenerie vor dem Fenster. Seine Mutter versuchte mit sichtlicher Anstrengung den Enthusiasmus ihres Sohnes zu teilen.
Diese Zugfahrt habe ich jetzt den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf und stimmte mich nachdenklich. Ich fragte mich, ob der Sohn seinen Vater jemals wiedersehen wird. Wird er eine fröhliche Kindheit haben?
Ich kann nur hoffen.

P.S Guido Fluri & Team haben meinen allergrössten Respekt! Chapeau!
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