«Es ist eine ethische Pflicht der Schweiz, das Netto-null-Ziel zu erreichen und damit zur Eindämmung des Klimawandels beizutragen.» Mit diesen Worten richtet sich Peter Kirchschläger am Montagmorgen an sein Publikum.
Der Theologieprofessor versucht in der folgenden Stunde gemeinsam mit drei weiteren Mitgliedern der Eidgenössischen Kommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) den Saal davon zu überzeugen, dass der Landwirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel «kein Sonderstatus» gebührt.
Kirchschläger zielt damit auf die Reduktionsvorgaben, die der Bundesrat in seiner Klimastrategie 2050 festgehalten hat. Demnach sollen die durch die Landwirtschaft verursachten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 40 Prozent reduziert werden - und damit deutlich weniger stark als in anderen Sektoren.
Das Rezept dafür liefert die Kommission bestehend aus Philosophinnen, Theologen, Pädagogen und Biomedizinerinnen gleich mit: Und zwar soll die Zahl der Nutztiere und damit verbunden der Fleischkonsum «erheblich reduziert» werden. Angesichts der «Dringlichkeit der Klimaziele» seien diese Anpassungen «alternativlos», schreibt die Kommission in ihrem Bericht. Daran führe kein Weg vorbei.
Keine Alternative sieht die Ethikkommission etwa im gentechnischen Verfahren. Seit Jahrzehnten wird geforscht, wie mittels Gentechnik beispielsweise der Methanausstoss von Rindern reduziert oder Pflanzen besonders robust gezüchtet werden können.
Zuletzt fand auch im Parlament ein Umdenken statt: Das seit 17 Jahren geltende Gentech-Moratorium wurde zwar erneut verlängert. Doch der Bundesrat soll dem Parlament bis Ende 2024 einen Vorschlag unterbreiten, wie die neuen Züchtungsverfahren vom Moratorium ausgenommen werden können. Dazu zählt beispielsweise die sogenannte Crispr/Cas-Methode, mit welcher das Erbgut einer Pflanze oder eines Tieres gezielt und ohne Zufügen von fremder DNA verändert werden kann.
Das hält die Ethikkommission unter Präsident Klaus Peter Rippe allerdings für unnötig. «Ungeachtet ihres Potenzials» erscheine es als unwahrscheinlich, dass gentechnisch angepasste Pflanzen «innert der geforderten kurzen Zeit einen ausschlaggebenden Beitrag zur Sicherung oder Steigerung der Ernteerträge leisten können», so die EKAH.
Oder anders gesagt: Es lohnt sich aus Sicht der Kommission kaum, in die Forschung neuer Gentech-Methoden zu investieren, weil deren Erfolg in Bezug auf den Klimaschutz entweder zu spät kommt oder zu unbedeutend ist. Welche Rolle dabei die bereits vor einigen Jahren bekundeten ethischen Bedenken der EKAH gegenüber den neuen Züchtungsverfahren im Allgemeinen spielen, ist nicht bekannt.
Nicht nur im Saal sorgt diese Einschätzung für Stirnrunzeln und erstaunte Blicke. Auch unter Verbänden, Landwirtinnen und Politikern regt sich Unmut: «Die Eidgenössische Ethikkommission verkennt das Potenzial der neuen Züchtungsmethoden und vertraut dem technischen Fortschritt nicht», sagt etwa FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen.
Die Kommission wolle hier voreilig eine vielversprechende Methode ausschliessen, ohne dafür eine plausible Begründung zu haben. «Das ist fatal», schliesslich brauche es für den Klimaschutz alle Technologien, so der Berner Politiker.
Auch Agrarwissenschaftler und Biopionier Urs Niggli kann die Ablehnung neuer Technologien nicht nachvollziehen. Seine Replik: In Anbetracht der politisch beschlossenen Reduktionsziele bei den Pflanzenschutzmitteln müsse man davon ausgehen, dass es künftig vermehrt zu Ertragsausfällen komme. «Neue Züchtungsmethoden können einen Beitrag dazu leisten, diese Ausfälle möglichst kleinzuhalten und die Ernten zu sichern», so Niggli, «das wiederum ist entscheidend im Kampf gegen den Klimawandel».
Ähnlich argumentiert Roland Peter, der beim landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Agroscope den Forschungsbereich Pflanzenzüchtung leitet: «Die neuen Methoden haben ein grosses Potenzial, die Herausforderungen der Land- und Ernährungswirtschaft zu meistern.» Deshalb müsse die Schweiz wissenschaftliche Erneuerungen und Innovationen bestmöglich unterstützen. (aargauerzeitung.ch)
Aus Getreide Fleisch zu machen ist ein Schuss ins eigene Bein und ökologisch nicht vertretbar.