Schweiz
Gesellschaft & Politik

Wie der Bundesrat die Amerikaner beim F-35 unter Druck setzen kann

Bundesrat Martin Pfister, rechts, spricht neben alt Bundesraetin Viola Amherd, links, an der Delegiertenversammlung der Mitte Partei, am Samstag, 28. Juni 2025 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Was hast du mir da hinterlassen? Verteidigungsminister Martin Pfister spricht an der Delegiertenversammlung der Mitte-Partei Ende Juni neben seiner Vorgängerin Viola Amherd.Bild: keystone

Zuerst nur leasen: So kann der Bundesrat die USA beim F-35 unter Druck setzen

Der Bundesrat geht mit einer vorsichtigen Taktik in die Verhandlungen mit den USA um die explodierten F-35-Kosten. Wie könnte er Trumps Regierung unter Druck setzen?
06.07.2025, 15:5506.07.2025, 16:19
Henry Habegger / ch media
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Es war an der Medienkonferenz letzte Woche, an der der neue Verteidigungsminister Martin Pfister (Die Mitte) die sich abzeichnenden Mehrkosten in Milliardenhöhe beim Kauf des US-Jets F-35 beichtete. Neben ihm sagte Urs Loher, Chef des Bundesamts für Rüstung Armasuisse: Es würden «alle möglichen Optionen» geprüft, «als allerletztes Mittel auch ein Rücktritt vom F-35-Vertrag».

Rücktritt vom Vertrag. Das klang entschlossen, aber einen Satz später verliess den Rüstungschef sogleich wieder der Mut. Er fügte an: «Aber ich betone, dass die Beschaffung des F-35 aus militärischer Sicht zwingend notwendig ist.»

Der Kauf des F-35 ist für die Schweiz also nicht nur zwingend und nicht nur notwendig, sondern sogar zwingend notwendig.

Loher begründete die doppelt genagelte Unverzichtbarkeit des F-35 mit «technologischen Überlegungen, mit Interoperabilitätsgründen, mit zeitlichen Gründen». Denn: «Eine Neubeschaffung würde schlicht und einfach zu lange dauern», so der Rüstungschef, der eigentlich einen guten Ruf geniesst.

Mit dem Ausstieg aus dem Vertrag drohen und den Jet im gleichen Atemzug für unverzichtbar erklären: Ist das die Verhandlungstaktik, mit der die Schweiz dem Amerika von «Dealmaker» Trump einen besseren Preis abringen will?

Eine seltsame Verhandlungstaktik. Die Solothurner Ständerätin und Sicherheitspolitikerin Franziska Roth sagt: «Grundsätzlich fordere ich eine Neukonzeption, welche Drohnen und Veränderungen auf dem Gefechtsfeld einbezieht», sagt sie. Aber: «Verteidigungsminister Pfister muss parallel zu den Diskussionen mit den Amerikanern auch mit Deutschland und Frankreich verhandeln.» Es gehe darum, «möglichst schnell auch den Kauf der europäischen Kampfjets Eurofighter oder Rafale zu prüfen, um Alternativen zum F-35 zu haben.»

Skrydstrup airbase officially receive four F-35 combat aircraft on Sunday 1 October 2023. The aircrafts are officially handed over from Lockheed Martin to the Ministry of Defence s Material and Procur ...
Zwingend notwendig: die US-Jets F-35.Bild: imago images

Das sei nur schon deshalb wichtig und sinnvoll, um die Verhandlungsposition der Schweiz gegenüber den Amerikanern zu verbessern, um ein Druckmittel zu bekommen und ihnen «nicht total ausgeliefert» zu sein. «Alles andere wäre ja fahrlässig und naiv», sagt die Solothurnerin.

Europäischen Jet zuerst leasen, dann kaufen

Vertreter von europäischen Kampfjetherstellern betonen im Gespräch, dass die Schweiz Alternativen zum US-Jet habe, wenn sie nur wolle. Zwar seien die Produktionsstrassen im Zuge der weltweiten Aufrüstung derzeit stark ausgelastet. Aber es gebe immer wieder Slots, es bestehe immer die Möglichkeit, einen anderen, weniger dringenden Auftrag etwas nach hinten zu schieben. Auch in der zivilen Luftfahrtindustrie sei das gang und gäbe, sagt ein Insider.

Zum Konzept gehört eine Zwischenlösung, wie sie vor über zehn Jahren auch beim Gripen vorgesehen war: Wenn die Schweiz sich verbindlich für einen der europäischen Jets entscheide, könnte sie bis zur Auslieferung gebrauchte Maschinen des gleichen Typs mieten. Diese Variante könnten mit Sicherheit sowohl Rafale wie Eurofighter anbieten, heisst es im Umfeld eines Herstellers. Vermieter wären die betreffenden Staaten, da die Hersteller selbst nicht Eigentümer von Kampfjets sind.

Finanzdelegation: Auch andere Mehrkosten in Millionenhöhe

Eingeschaltet hat sich am Freitag auch die sechsköpfige Finanzdelegation des Bundesparlaments unter SVP-Nationalrat Lars Guggisberg. Sie ist für die Überwachung des Bundeshaushalts zuständig und schlägt nun ebenfalls Alarm.

Zwar habe der Bundesrat Massnahmen eingeleitet, um die «Herausforderungen» im Programm Air2030 zu meistern. Aber es reiche nicht, die Geschehnisse um das «Missverständnis» um den «Festpreis» des Kampfjets aufzuarbeiten. Zudem müssten «die absehbaren Mehrkosten in Millionenhöhe bei den anderen Teilprojekten des Programms» eingedämmt werden.

Die Delegation zählt Mehrkosten bei den Hangars, den Simulatoren und der IKT-Infrastruktur für den F-35 auf. «Erhebliche finanzielle Unsicherheit» bestehe zudem bei der Weiterentwicklung des Luftabwehrsystems Patriot, ebenfalls ein US-Produkt. Die Delegation verlangt vom Verteidigungsdepartement weitere Massnahmen zur Risikominimierung und fundierte Vorbereitung auf unterschiedliche Szenarien.

Kurz angebunden äusserte sich die Sicherheitskommission des Ständerats, die sich ebenfalls mit der F-35-Affäre befasste. Sie habe sich vom Verteidigungsdepartement über «die möglichen Handlungsoptionen für den weiteren Verlauf des Beschaffungsprogramms» informieren lassen und unterstütze «den Bundesrat in seinen diplomatischen Verhandlungen». Die Regierung will bekanntlich versuchen, bei der Trump-Regierung einen besseren Preis herauszuholen.

Maximal 6 Milliarden Franken, so hat es das Stimmvolk im September 2020 beschlossen, darf der neue Schweizer Kampfjet maximal kosten. Aber jetzt stehen Mehrkosten in Milliardenhöhe ins Haus. Weil es den von Armee und Bundesrat beschworenen, angeblich von den USA garantierten Festpreis offenbar so gar nie gab.

Anfragen «nicht zielführend»: Das Schweigen der Schlüsselpersonen

Was diesen Festpreis betrifft, fragte CH Media diese Woche direkt jene Leute an, die am besten wissen müssen, wie das war, was da genau schieflief, weil sie sehr eng ins Kampfjet-Projekt involviert waren: Peter Winter, Programmleiter Air2030, heute Leiter des Armasuisse-Büros in den USA; Peter Merz, Chef Luftwaffe, bald Chef Skyguide; Darko Savic, Projektleiter neues Kampfflugzeug, heute Pilatus-Flugzeugwerke; Chef-Testpilot Bernhard Berset, Savics Stellvertreter, noch immer bei Armasuisse.

Antworten gab es keine. Oft richtete die zuständige Medienstelle aus, der Herr Soundso stehe «nicht zur Verfügung». Die Art der Anfrage direkt an den Betroffenen sei «nicht zielführend», so Armasuisse. Im Fall von Darko Savic, der nicht mehr beim Bund arbeitet, erfolgte keine Reaktion.

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49 Kommentare
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El_Chorche
06.07.2025 16:48registriert März 2021
Der Bundesrat soll also die US Regierung unter Druck setzen.

Das ist mit Abstand (!) das Dümmste und Naivste, was ich dieses Jahr gelesen habe.

Unser Bundesrat... Druck ausüben... da kann ich nicht mal drüber lachen.

Das ist einfach nur noch beschämend.
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Oliver01
06.07.2025 17:03registriert Februar 2023
Auch leasen ist Geld.

Die Tatsache ist, dass wir, die Bevölkerung, 6 Mia. gesprochen haben. Schätzungen gehen nun schon von 8-10 Mia. aus.

Es muss einfach nochmals eine Abstimmung geben, weil das Ganze läuft aus dem Ruder.
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_kokolorix
06.07.2025 17:03registriert Januar 2015
Dass der BR und das VBS, nach dieser peinlichen Verkettung von Inkompetenz und Korruption, jetzt plötzlich Druck auf die USA ausüben können, ist an Dummheit und Naivität nicht zu überbieten.
Das Geschäft abblasen, weil zu teuer, austauschen der Veranrwortlichen, ein transparenter Evaluationsprozess auf Basis einer gründlichen Bedrohungsanalyse, wären jetzt das Gebot der Stunde.
Aber das ist mit der bürgerlichen Mauschlertruppe, welche wir halt gewählt haben, nicht zu kriegen.
Die F-35 werden genauso kommen, wie die gigantischen Mehrkosten. Bei allen anderen Ländern betragen die Mehrkosten ⅓!
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