1907 erfand Leo Baekeland den Kunststoff Bakelit. Es war das erste Mal, dass ein Produkt keine in der Natur bekannten Moleküle mehr enthielt. Seit da eroberten und veränderten Kunststoffe die Welt und den Konsum.
Heute – knapp 100 Jahre später – ist Plastik eines «der dringlichsten Umwelt- und Gesundheitsprobleme» überhaupt. So steht es in einem Report der Schweizer NGO Ocean Care, der am Montag veröffentlicht wurde.
Plastik ist in all seinen Formen nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Und selbst von der Antarktis bis zur Arktis, vom Gipfel des Mount Everest bis in die Tiefsee ist Kunststoff überall. Dabei wird es immer mehr, denn Plastik baut sich biologisch nicht ab, sondern zerfällt einfach in immer kleinere Teile.
Der Report von Ocean Care führt das Plastikproblem in der Schweiz auf – und mit einem der höchsten Pro-Kopf-Verbräuche von Plastik weltweit haben wir ein grosses Problem mit dem allgegenwärtigen Kunststoff.
Die wichtigsten Punkte aus dem Report:
Aufgrund unseres Lebensstils haben wir in der Schweiz einen der höchsten Pro-Kopf-Verbräuche von Kunststoff weltweit, schreibt Ocean Care. Durchschnittlich sind es 127 Kilogramm Plastik pro Jahr, die bei jeder und jedem von uns anfallen. Daraus produzieren wir durchschnittlich 95 Kilogramm Kunststoffabfälle pro Kopf und Jahr.
Täglich fallen bei uns allen also durchschnittlich rund 0,39 Kilogramm Plastikmüll an.
Kunststoffe bestehen aus Erdöl und Erdgas sowie Chemikalien, die während der Produktion beigemischt werden. Kunststoffe werden grossflächig eingesetzt. Häufig kommen wir mit ihnen in Berührung, wenn sie in Gegenständen wie Verpackungen, Flaschen oder Spielzeug verarbeitet sind.
Ein Teil unseres Plastikverbrauchs fällt durch Lebensmittelverpackungen an. Diese enthielten bis zu 12'000 toxische Substanzen, wie es im Ocean-Care-Report heisst. Und manche davon gingen aus der Verpackung auf die Lebensmittel über, die sie eigentlich schützen sollten.
Beim Essen nehmen wir dann diesen «unsichtbaren Cocktail giftiger Substanzen» zu uns, was Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes oder Unfruchtbarkeit auslösen könne. Oder Weichmacher zum Beispiel wirkten auf unser Hormonsystem ein und könnten so gesundheitlichen Schaden anrichten.
Ein Teil dieser Plastikberge, die wir in der Schweiz produzieren, landet im Kübel, ein Teil in der Natur. Jedes Jahr gelangten rund 14'000 Tonnen Plastik in die Schweizer Umwelt, heisst es im Report.
Rund zwei Drittel davon stammten aus Reifenabrieb von Fahrzeugen, nämlich 8900 Tonnen. Und bereits das zweitgrösste Problem sei Abfall. So belasteten jährlich 2700 Tonnen Plastikmüll die Natur. Neben Verpackungen werden Zigarettenstummel am häufigsten weggeworfen.
Vom ganzen Kunststoff in der Umwelt landen rund 100 Tonnen Makroplastik in den Schweizer Gewässern und ganze 4400 Tonnen in den Böden.
Neben dem für uns sichtbaren Makroplastik belastet auch beinahe unsichtbarer Mikroplastik die Umwelt: Eine 2013 durchgeführte Untersuchung ergab, dass fast jede Probe von Schweizer Seen Mikroplastikpartikel enthalte, schreibt Ocean Care. Allein der Genfersee nehme jedes Jahr etwa 55 Tonnen Plastik auf – das meiste als Mikropartikel. Mittlerweile sollen sich geschätzte 580 Tonnen Plastik allein im Genfersee angesammelt haben. Weiter hätten sich auch im Schnee der Alpen und in abgelegenen Bergseen beträchtliche Mengen an Mikroplastik angesammelt.
Mikroplastik entsteht zum Beispiel durch Abrieb oder Zerfall von Produkten, die aus Kunststoffen bestehen oder Kunststoffe enthalten. Dazu gehören Pneus, Kleidung (etwa ein Drittel der in Europa verkauften Kleidung sei heute vollständig synthetisch, heisst es im Report) oder Mikrokügelchen in Kosmetika.
Sobald wir Auto fahren, die Kleidung waschen oder die Kosmetik vom Körper abspülen, gelangen Plastikteilchen in die Umwelt, die teilweise sogar zu klein sind, um zum Beispiel von Kläranlagen aus dem Wasser gefiltert zu werden.
Die Beseitigung dieses in der Umwelt entsorgten Kunststoffs kosteten das Land jährlich geschätzte 200 Millionen Schweizer Franken, so der Report.
Doch auch mit dem korrekt entsorgten Plastik gibt es Probleme: Dass Plastik in der Schweiz recycelt werde, sei schlicht ein Mythos, so Ocean Care.
Tatsächlich würden 85 bis 90 Prozent der Kunststoffe in der Schweiz bereits nach kurzem Gebrauch verbrannt und nicht recycelt, geschweige denn wiederverwendet, heisst es im Report. Ocean Care schlussfolgert:
Das wiederum schaffe ein neues Problem: Luftverschmutzung und hochtoxische Stoffe, die nach der Verbrennung zurückblieben.
Ein Problem sei zusätzlich, dass Recycling nur dann funktioniere, wenn recyclingfähige Plastikabfälle gesammelt würden. Doch Kunststoffe verlören bei jedem Recyclingprozess an Qualität, weshalb immer wieder neue Rohstoffe beigemischt werden müssten. Zudem machten die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Zusatzstoffe das Recycling in der Praxis oft unmöglich. Fabienne McLellan, Leiterin des OceanCare Plastikprogramms, lässt sich im Report zitieren:
Es ist also klar: Wir können uns nicht aus der Plastikkrise herausrecyceln. Doch wie weiter?
Auf UNO-Ebene setzt sich die Schweiz zwar für ein ambitioniertes globales Plastikabkommen ein – doch tatsächlich seien wir das europäische Schlusslicht, was Massnahmen gegen Plastikmüll betreffe.
Ocean Care sieht als Teil der Lösung gegen die Plastikberge und die Plastikentsorgung die Wirtschaft und den Bundesrat in der Pflicht. Um das Plastikproblem anzugehen, brauche es auch keine neuen Gesetze, es genügte, die bestehenden konsequent umzusetzen.
Der Report listet für die Schweiz folgende Handlungsmöglichkeiten auf:
McLellan von Ocean Care sagt:
(yam)
Macht heute mal einen kurzen Spaziergang entlang einer Kantonsstrasse in Wiesennähe oder schaut bei einer Autobahnausfahrt, da findet ihr dann PET und Alu plus Zigis
Es geht leider nur übers Geld.