Sein Chef hat Davos gerade in einem langen Autokorso Richtung Zürich verlassen. Obwohl noch eine stattliche US-Delegation am WEF verbleibt, nimmt sich US-Botschafter Edward McMullen Zeit für eine längeres Gespräch. Der grösste Stress sei nun vorbei.
Warum blieb Präsident Trump länger in Davos als geplant?
Edward McMullen: Das WEF war für ihn sehr produktiv. Er hatte mehr bilaterale Treffen als ursprünglich geplant. Dann gab er noch eine ungeplante Pressekonferenz. Der Präsident hat Davos sehr genossen!
Für die Schweiz war das Treffen mit Donald Trump eher enttäuschend: Ein Freihandelsabkommen mit den USA scheint in weiter Ferne zu liegen.
Wie kommen Sie darauf?
Die Schweizer Seite sieht keine wirklichen Fortschritte.
Ich kann nur für die USA sprechen, und da sehe ich eine sehr gute Entwicklung: In Davos hat sich unser Präsident mit seinen Regierungsmitgliedern – darunter Finanzminister Steven Mnuchin und Handelsminister Wilbur Ross – persönlich Zeit genommen, um mit der Schweizer Regierung über ein Abkommen zu reden. Es waren alle Schlüsselpersonen im Raum. Das gab es so noch nie. Wenn das kein Fortschritt ist!
Also gibt es nach wie vor Chancen auf ein Freihandelsabkommen?
Sicher, sie sind sogar gestiegen. Würde ich nicht an die Möglichkeit eines Abschlusses glauben – und daran, dass der Präsident es ernst meint –, dann würde ich keine Zeit für dieses Thema verschwenden. Klar ist aber: Wenn man 11 Minuten in einer solchen Runde über ein Freihandelsabkommen spricht, dann läuft man nicht mit einem Deal heraus. Wer das glaubt, ist verrückt. Das braucht Zeit. Das gilt bei Freihandelsabkommen immer. Siehe China, siehe Kanada, siehe Grossbritannien.
Warum waren es nur 11 Minuten?
Wir sprachen in dem Treffen mit Präsidentin Sommaruga und den Bundesräten Parmelin, Cassis und Maurer ja auch noch über andere Themen.
Zum Beispiel über den Klimawandel, auf Wunsch von Sommaruga.
Und über den Iran. Aber es stimmt, die Klimadiskussion beanspruchte einige Zeit. Mehr als nötig gewesen wäre, aber das war okay für uns.
Diese Zeit fehlte dann bei der Freihandelsdiskussion?
Die Gesamtzeit war natürlich limitiert. Präsidentin Sommaruga sprach das Klimaabkommen von Paris an, was nicht sehr ergiebig war, denn jedermann weiss, wo Präsident Trump hier steht. Das kostete Zeit. Es gab auf Seite der Schweiz Teilnehmer, die der Handelsdiskussion mehr Zeit einräumen wollten. Aber Frau Sommaruga war sehr ehrlich und leidenschaftlich – ebenso wie Präsident Trump.
Ist es ein Nachteil, dass die Schweiz jedes Jahr einen neuen Bundespräsidenten hat?
Nein. Das Schweizer System ist einzigartig und passt zu diesem Land. Präsident Trump verstand sich letztes Jahr sehr gut mit Ueli Maurer, als dieser Bundespräsident war, aber auch mit Simonetta Sommaruga war der Austausch sehr positiv.
Präsident Trump sagte am Mittwoch, ein Freihandelsabkommen mit der EU sei schwieriger zu erreichen als eines mit China. Und eins mit der Schweiz – noch schwieriger?
Nein, auf keinen Fall! China und die Schweiz sind souveräne Nationen, da kann man einfacher verhandeln als mit der EU, die aus mehr als zwei Dutzend Ländern besteht. Ein Deal mit der Schweiz ist absolut möglich. Wir sind mit ihr viel weiter als mit der EU.
Die Schweiz exportiert mehr Waren in die USA als umgekehrt. War das Handelsdefizit der USA ein Thema?
Ja. Präsident Trump ist hier sehr gut informiert, er kennt alle Zahlen, mit Waren und Dienstleistungen. Sein Prinzip ist, dass der Handel zwischen zwei Ländern fair und reziprok sein muss. Wir haben auch die Pharmaindustrie angesprochen.
Ein Abkommen muss im Interesse beider Vertragspartner sein...
Auf jeden Fall! Wir könnten mit jedem Land der Welt zusammensitzen, um über ein Abkommen zu diskutieren. Wir gehen aber nur in Verhandlungen, wenn es Sinn macht und wir profitieren können.
Die Landwirtschaft ist sicherlich eine Hürde.
Wir werden niemals einen Deal ohne Landwirtschaft haben. Vor zehn Jahren haben wir die Verhandlungen deswegen ja abgebrochen. Und das haben wir beim Start der neuen Verhandlungen erneut gesagt: Wenn wir nicht über Landwirtschaft sprechen können, dann müssen wir gar nicht beginnen. Die Schweiz kennt unseren Standpunkt, und sie ist bereit, Konzessionen zu machen.
Ihr Präsident sagte, er vertraue der Schweiz zu 100 Prozent in Sachen Gute Dienste im Iran-Konflikt. Ist die Schweiz neutral genug?
Auf jeden Fall. Die Schweiz ist eine ehrliche, loyale Partnerin. Wir können uns auf die Schweiz verlassen. Der freigelassene US-Bürger Xiyue Wang ist ein perfektes Beispiel. Da hat die Schweiz einen ausgezeichneten Job gemacht.
Die Schweiz unterstützt aber beispielsweise nach wie vor den Atomdeal mit dem Iran, den die USA gekündigt haben.
Sehen Sie, die Schweiz ist einzigartig mit ihrer Neutralität. Es ist schlussendlich auch wichtig, dass die Iraner die Schweiz akzeptieren. Diese einzigartige Position respektieren wir.
Was denken Sie, wird Ihr Präsident die Wiederwahl schaffen?
Der Präsident hat sehr viel Support, und als Businessmann nimmt er den Wahlkampf sehr ernst. Er wird bis zum Ende kämpfen. Und die Zahlen sprechen für ihn: Die Wirtschaft boomt, den USA geht es gut. Präsident Trump hat viel vorzuweisen.
Und das Impeachment wird seine Wiederwahl nicht gefährden?
Der Präsident sagte es heute Morgen vor der Presse. Das ist eine politische Angelegenheit, die viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Fakt ist: Der Präsident ist voll bei der Arbeit. Er ist in Davos, trifft Wirtschaftsführer und Regierungsvertreter. Dabei spricht er über Investitionen in den USA und im Ausland und wie wir beitragen können, die Welt zu verbessern. Das ist doch, was zählt.
Dass er nach Davos gekommen ist, um vom Impeachment abzulenken, trifft nicht zu?
Wer das sagt, ist ein Lügner. Das ist nicht wahr. Wir haben schon vor drei Monaten mit der Detailplanung für die Reise begonnen.
Werden Sie vier weitere Jahre machen, wenn Donald Trump wiedergewählt wird?
Ich liebe diesen Job mehr als alles andere, was ich je gemacht habe. Im Herzen bin ich aber ein Geschäftsmann. Als der Präsident gefragt hatte, ob ich diesen Job machen wolle, musste ich lange und hart nachdenken. Ich hatte damals mein eigenes Unternehmen, das ich schliesslich verkauft habe. Das gibt mir aber die Freiheit, so lange hier in der Schweiz bleiben, wie mich der Präsident braucht. Es liegt alles im Willen des Präsidenten. Im Moment haben wir hier viele spannende Projekte, die laufen, und an denen werde ich weiterarbeiten.
Das heisst, Sie gehen nicht per Ende 2020?
Ich habe keine Pläne, die Schweiz zu verlassen. Und ich bin überzeugt: Auch nach meinem Rücktritt werde ich oft in der Schweiz sein. Ich liebe die Schweiz. Meine Frau und ich erwägen gar, uns ein Haus zu kaufen. Wir sind uns einfach noch nicht einig, wo. Graubünden, Romandie, Zürich – alles ist so schön.