Die Walliser Justiz muss sich erneut mit dem Fall von zwei Steinadlern befassen, die Ende Juni 2018 wegen einer Störung ihr Nest vorzeitig verliessen. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Vor Gericht steht ein Jagdaufseher.
Die etwa drei Monate alten Vögel waren von einem Fotografen und einem Hilfsjagdaufseher gestört worden. Dies geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor. Die beiden Männer hatten sich zum Nest abgeseilt, um Fotos zu machen. Eine Privatperson meldete dann Anfang Juli 2018 der Walliser Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere (DJFW) sowie dem Jagdaufseher des Sektors eine Sichtung der Jungvögel.
Der Jagdaufseher war nicht vor Ort. Er bat deshalb die Privatperson einen Adler einzufangen und in seinen Stall zu bringen. Der Vogel befand sich am Boden. Nach einigem Hin und Her waren am 22. Juli 2018 schliesslich beide Steinadler beim Jagdaufseher im Stall. Am Tag darauf entwichen sie jedoch und konnten nicht einer zugelassenen Voliere übergeben werden, wie es mit der DJFW angeordnet hatte.
Im Dezember 2020 wurde der Jagdaufseher wegen Verletzung des Jagd- und Tierschutzgesetzes zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 330 Franken verurteilt. Das erstinstanzliche Gericht war der Ansicht, dass der Angeklagte die Adlerjungen ohne triftigen Grund zu lange bei sich behalten hatte, statt sie in die Voliere zu bringen. Dieses Urteil wurde im Januar vom Walliser Kantonsgericht aufgehoben.
Das Bundesgericht hat nun die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch bezüglich des Jagdgesetzes gutgeheissen. Der Fall geht zur Neubeurteilung zurück an die Walliser Justiz.
Die Dienststelle für Jagd wollte laut Bundesgericht, dass der erste Adler so schnell wie möglich in die Voliere gebracht wird. Es sollte nicht gewartet werden, bis auch der zweite Jungvogel eingefangen war. Das Zuwarten des Jagdaufsehers sei nur mit Bequemlichkeit zu erklären. Dieser habe selbst gesagt, dass er nicht zwei Mal zur Voliere fahren wolle.
Das Gericht kann sich auch nicht erklären, warum der Transport noch nicht organisiert war, als die beiden Vögel am 22. Juli 2018 endlich zusammengeführt waren. Die angeführten Schwierigkeiten seien nicht haltbar. In sozialen Netzwerken seien Fotos verbreitet worden, auf denen unter anderem einer der Adler einfach auf dem Vordersitz des Jeeps des Jagdaufsehers sitzt.
Einen Verstoss gegen das Tierschutzgesetz hat das Bundesgericht hingegen verneint. Die zeitlich begrenzte Haltung der beiden Adler im Stall habe ihre «Würde» nicht verletzt. Ebenso wenig wie die in sozialen Netzwerken verbreiteten Fotos.
Ausserdem sei nicht erwiesen, dass das Verhalten des Aufsehers den Stress für die beiden Vögel erhöht habe. Der Kontakt mit Menschen sei für die Versorgung unvermeidlich gewesen. (Urteil 6B_264/2023 vom 25.10.2023)
(yam/sda)