Die Schweiz hat damit geliebäugelt, zu denjenigen Ländern zu gehören, die einen Deal mit den USA erzielen. Stattdessen gehört die Schweiz nun zu den Ländern, für die die höchsten Zölle gelten. Warum wird die Schweiz abgestraft?
Stefan Legge: Ich glaube nicht, dass die USA die Schweiz abstrafen wollten. Wenn Trump die Schweiz wirklich hätte abstrafen wollen, dann ist er eher dafür bekannt, dass er zu runden Zahlen greift und einen Zoll von 40 oder 50 Prozent verhängt hätte. Die 39 Prozent deuten für mich eher darauf hin, dass da tatsächlich irgendetwas gerechnet wurde.
Aber warum denn die so viel höheren Zölle für die Schweiz? Für die EU oder Japan gelten ja zum Beispiel nur 15 Prozent.
Letztlich kann man darüber nur spekulieren. Zum einen ist es offenbar so, dass sich Trump tatsächlich am Handelsdefizit stört, das die USA gegenüber der Schweiz aufweisen. Zum anderen, und das scheint mir entscheidender, hat sich Trump persönlich nicht besonders für die Schweiz interessiert. Ansonsten hätte es einen Deal gegeben oder Trump hätte öffentlich kundgetan, was ihn denn stört an der Schweiz. Die Schweiz ist schlicht nicht wichtig genug.
Hätte man denn den Deal anders einfädeln müssen? Hat Karin Keller-Suter versagt?
Das würde ich so nicht sagen. Die Hoffnung bestand darin, mit relevanten Leuten aus dem Weissen Haus sprechen zu können und mit denen eine Übereinkunft zu erzielen. So wollte man, ohne dass man mit Trump sprechen muss, unter dem Radar fliegen. Vielleicht ist es das, was die Schweiz mitnehmen kann. Man hat viel mit anderen Leuten aus der Administration besprochen, aber am Ende war das alles offenbar von geringem Nutzen. Denn was Trump nicht absegnet, das gilt auch nicht.
Wie sollte sich denn jetzt die Schweiz gegenüber den USA verhalten?
Ich glaube, dass es wenig zielführend ist, Druck aufzubauen. Wie auch? Man muss darauf hinweisen, dass es auch im Interesse der USA ist, dass man zu einer Übereinkunft kommt. Mich stört an der ganzen Geschichte, dass sich Trumps Narrativ immer mehr festsetzt.
Welches Narrativ?
Trump behauptet, dass wenn er Importe aus der EU mit 15 Prozent Zöllen belegt und gleichzeitig ohne Zölle in die EU importieren kann, dann sei das automatisch ein Gewinn für die USA. Dabei ist es völlig absurd, das so pauschal als Tatsache darzustellen. Diese hohen Zölle machen die USA ja nicht attraktiv. Die USA verdienen auch Geld, indem sie Güter herstellen, die sie dann ins Ausland verkaufen. Nun besteuern sich die USA selbst und verteuern damit Konsum und Vorleistungen. Letztlich sind die Zölle nichts anderes als eine Steuererhöhung.
Die Schweiz hat jetzt eine Woche Zeit, um nachzuverhandeln. Was wäre denn ein gutes Resultat?
Na ja, dass die Schweiz auch eine Übereinkunft erzielt. Es kristallisiert sich heraus, dass es unter der Trump-Administration nicht ohne diese Basiszölle von 10 bis 15 Prozent gehen wird. Und das ist das, was man in diesen sieben Tagen idealerweise erreicht: dass die Schweiz mindestens gleichgestellt ist wie zum Beispiel die EU oder Norwegen.
Was würde denn geschehen, wenn es bei den 39 Prozent bliebe?
Das wäre ein derart hoher Zollsatz, dass er in der Regel nicht an die Kunden weitergegeben werden könnte. Meine Erwartung wäre deshalb, dass der Handel dann über Umwege läuft. So ähnlich, wie das China gerade mit den Smartphones versucht. Juristisch würde man sich in einer Grauzone bewegen. Da gäbe es viele Unsicherheiten.
Unsicherheit ist ein gutes Stichwort. Im Moment sind Pharma-Produkte noch aus den Zöllen ausgenommen. Auch da drohen aber Zölle, oder?
Das ist der wichtigste Punkt! Wenn man die Pharma-Produkte aus dem Schweizer Gesamtexport rausrechnet, dann stellt man fest, dass es in den letzten 17 Jahren kein Wachstum gegeben hat. Die Pharmaindustrie treibt den Schweizer Export massgeblich an. Und da sind die USA der zentrale Markt, zum einen wegen der Mengen, die man dort verkauft, und zum anderen den Margen, die man dort erzielt. Darum wären Preisregulierung und Zölle Gift für die Schweizer Pharmabranche. Und ich habe das Gefühl, beides dürfte in der ein oder anderen Form kommen. Das ist das, was mir eigentlich am meisten Sorgen bereitet.
Gibt es auch Grund zur Hoffnung?
Die Wirtschaft kann sich anpassen. Wenn man weiss, was für Zölle gelten, dann hat man Planungssicherheit. Und dann kann man die Prozesse, die Produktion, die Lieferketten anpassen und optimieren, ist wieder richtig aufgestellt und kann auch wieder investieren. Aber momentan, wo man halt nicht weiss, ob jetzt in sieben Tagen 39 Prozent Zoll oder doch nur 10 oder 15 Prozent gelten, gibt es diese grosse Unsicherheit und das macht die Sache so schwierig.