Mein Name ist Laura. Ich bin Flugbegleiterin bei der Swiss. Ihr könnt mir Stewardess sagen, das ist mir egal ... Ich fliege oft auf der Langstrecke mit Boeing 777 oder A330/A340. Meinen Feierabend verbringe ich am liebsten in Hongkong. Dann ziehen wir nach der Landung direkt in die Clubs weiter. Party, schlafen, Party, fliegen. So läuft das. Manchmal.
Heute ist Montag und ich bin ein bisschen verkatert. Gestern war ich an der Langstrasse – und es ist ziemlich ausgeartet. Als Flugbegleiterin lebe ich oft zwischen den Welten und weiss nicht genau, was für ein Tag ist. Momentan gehe ich meist erst um 3 Uhr ins Bett. Auf Dauer ist das sicher nicht gut für meinen Körper. Aber ich bin ja noch jung.
Was mich momentan nervt, ist nicht der Zickenkrieg zwischen Flugbegleiterinnen. Es sind nicht die chinesischen Passagiere, die neben die Toilette sch*****. Es sind nicht die bekifften Alkoholleichen, die in Amsterdam vor dem Start in Ohnmacht fallen.
Es ist die Respektlosigkeit, die einige Passagiere gegenüber der Crew und den Mitreisenden an den Tag legen. Die Passagiere behandeln dich als Flugbegleiter oft wie Luft und denken «das ist eh nur eine dumme Stewardess». Kürzlich wollte mich ein Fluggast anzeigen, weil ich die Gepäckablage direkt über seinem Kopf geschlossen habe. Das Geräusch habe bei ihm einen Gehörschaden verursacht, klagte er. Was soll das denn? Ein anderer Passagier wollte mich verklagen, weil ich mit dem Food-Trolley in sein Bein gefahren bin, das er bis in den Gang gestreckt hatte. Von beiden habe ich nie mehr was gehört.
Fluggäste können total rücksichtslos und egoistisch sein: Ein Typ verlangte tatsächlich, dass wir ein schreiendes Baby in der Gepäckablage versorgen. Unglaublich. Alleine wegen zurückgestellten Sitzlehnen zanken sich Kunden manchmal wie Kinder. Da denkst du nur «was zur Hölle...» Nach der Landung benehmen sich die Flugreisenden manchmal wie Tiere. Noch bevor die Maschine am Gate andockt, stehen sie auf und rennen nach vorne. Das regt mich so auf. Denken die etwa, die Flugzeugtüre öffnet deshalb schneller?
Beim Boarding strahlen wir die Passagiere mit unserem Profi-Lächeln an. Wir sind auch darauf trainiert, nach möglichen Problem-Passagieren Ausschau zu halten. Da hören wir auf unser Bauchgefühl. In Amsterdam fiel mir eine Gruppe junger Burschen auf. Die kamen direkt vom Ausgang und stanken nach Gras und Alkohol. Ein Typ war kreidebleich und zitterte. Ich fragte ihn, ob er in diesem Zustand wirklich fliegen wolle. Als ich das nächste Mal vorbeiging, war er für kurze Zeit ohnmächtig. «So junger Herr, heute fliegst du nirgendwo hin», sagte ich zu ihm. Dann alarmierten wir die Ambulanz.
Das wohl grösste Problem für Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen ist der Alkohol. Genauer gesagt der Moment, wenn man betrunkenen Passagieren keine Drinks mehr ausschenkt. Da drehen einige total durch. Ich bin sehr tolerant: Mein Gott, drei Gin Tonics sind völlig okay, wenn sich der Gast normal benimmt. Bei mir ist fertig lustig, wenn die Fluggäste nur noch lallen, herumtorkeln oder «touchy» werden. Dich etwa beim Vorbeilaufen am Rock oder der Uniform ziehen, um noch mehr Hochprozentiges zu kriegen. Dabei bleibt es nicht: Ein Mann hat kürzlich eine Kollegin sogar weggeschubst, weil sie ihm keinen Whiskey mehr geben wollte.
Auf den Flügen nach Bangkok sind Passagiere – sagen wir es mal anständig – manchmal ziemlich abstossend. Einige Typen saufen sich schon beim Hinflug richtig zu und sind sehr flirty drauf. Dabei weisst du genau, warum die nach Thailand fliegen. Am mühsamsten sind aber die Routen nach Peking. Ich bin überhaupt keine Rassistin, aber die Klischees stimmen schon. Die Chinesen sind wirklich die unzivilisiertesten Passagiere. Oft fliegen sie als 50-köpfige Reisegruppe, von denen eine Person Englisch spricht. Stell dir vor, wie mühsam es ist, die richtigen Getränke auszuschenken. Es ist wirklich so: Etliche Chinesen wissen nach wie vor nicht, wie ein westliches WC funktioniert. Sie schei**** dann irgendwie in der Toilette herum. Auweia.
Die Flüge nach Tel Aviv sind ebenfalls mega anstrengend. Dies vor allem wegen den koscheren Mahlzeiten. Da hast du 150 Spezialmenüs. Und immer wieder behaupten Passagiere, sie hätten koscheres Essen bestellt, obschon es gar nicht stimmt. Da musst du jeden einzelnen Sitz auf der Liste kontrollieren. Denn wenn jemand koscher bestellt hat und kein Menu kriegt, ist wirklich Feuer im Dach.
Natürlich lästern wir Flugbegleiterinnen über besonders mühsame Passagiere, oder wenn sie dich blöd angemacht haben. Wir quatschen natürlich auch über die Piloten. Freundinnen von mir checken manchmal schon vor dem Flug ab, ob im Cockpit ein guter Fang wartet. Viele Kolleginnen sind auf der Suche nach einem Partner. Ich bin da weniger pilotenfixiert. Aber natürlich habe ich schon mehrmals mit Piloten Sex gehabt.
Gelegenheiten dazu gibt es genug. Denn die Layover (Pause zwischen den Flügen) dauern auf Langstrecken bis zwei Tage. Neben Hongkong sind meine Lieblingsdestinationen Miami, Johannesburg und Tokio. In diesen Städten geht meist die ganze Crew zusammen essen und feiern. Man ist weit weg von daheim, ist entspannter und offener. Und jeder hat ein eigenes Zimmer. Da läuft natürlich oft was zwischen den Mitarbeitenden. Einmal knutschte ich mit einem Copiloten im Klub herum. Wir nahmen das Taxi zurück ins Hotel. Jedoch liess er mich vor dem Zimmer stehen.
Sex auf der Flugzeug-Toilette käme für mich niemals in Frage. Ich habe aber schon einmal ein lesbisches Paar auf dem WC erwischt. Dummerweise berührten sie bei ihrem Treiben den Alarm-Knopf und schlossen die Türe nicht ab. Ich persönlich finde es aber nicht wirklich schlimm, wenn jemand Sex auf der Toilette hat. Für den Notfall sind dort übrigens sogar zwei Sauerstoffmasken installiert. Aber seien wir ehrlich: Die Toiletten sind eng und nach einem langen Flug oftmals total ekelhaft. Wenn es am Boden nass ist, ist das in Gottes Namen kein Wasser, sondern Urin. Da willst du doch keinen Sex haben.
Ein guter Ort für einen Aufriss sind hingegen die Swiss-Personalpartys: Zu später Stunde habe ich mich da beim letzten Mal herumgeschaut und gedacht «he, was geht den hier ab.» Nicht wenige knutschten mit anderen, obwohl sie vergeben waren. Und becherten, was das Zeug hält. Firmenfeiern arten halt auch bei der Swiss manchmal aus.
Angst hatte ich in meiner Zeit als Flugbegleiterin erst einmal richtig. Als wir in London-City landeten, windete es extrem. Wir starteten dreimal durch. Beim letzten Versuch hat es so geschüttelt. Da dachte ich, jetzt kracht der Flügel auf den Boden und das wars.
Entgegen den Befürchtungen bin ich noch nie an einem Körperteil begrabscht worden. Dann und wann berühren sich Passagiere an der Schulter. Ich denke, bei der Swiss haben die Passagiere immer noch einen gewissen Anstand. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie das etwa bei Ryanair zu und her geht.
Das hört sich jetzt alles ziemlich negativ an. Aber die meisten Passagiere sind eigentlich nett, der Beruf bereitet mir viel Spass. Ich liebe meinen Job bei der Swiss. Ich komme komme extrem viel in der Welt herum. Es ist unglaublich cool, jeden Tag so viele unterschiedliche Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Ich will noch viele Jahre Flugbegleiterin bleiben. Trotz des miesen Lohnes. Ich verdiene netto 3000 Franken im Monat. Es dürfte schon etwas mehr sein.
Und etwas darf nicht vergessen gehen: Ich schätze meine Kolleginnen und Kollegen sehr. Meistens ist es wirklich lustig mit den Crews.
Übrigens, liebe User: Ich nehme keine Bestechungsgelder an, damit ihr ein Upgrade für die Businessclass kriegt. Das mag bei anderen Airlines möglich sein, aber nicht bei der Swiss. Hier gibt es nur ein Upgrade, wenn die Economyclass überbucht ist. Und dann bekommt es der Fluggast, der Vielflieger ist oder am meisten für das Ticket bezahlt hat. Es gibt sogar Leute, die sich krank stellen, um ein Upgrade zu bekommen. So blöd sind wir aber nicht.
(Aufgezeichnet: amü)
Aber für 3000 Fr. den Stress, Jetlag, Unausgewogenheit, denn vielfliegen verändert den Körper eindeutig. Respekt.