Beim Gehen knirscht unter den Sohlen das zerbrochene Glas und die zerstörten Fliesen. Die Gebäude – viele im 70er-Jahre-Stil – haben ihre Fassadenverkleidung verloren. Darunter schaut das gelbe Isolationsmaterial hervor. Besonders hart hat der Sturm auch die älteren Gebäude, teilweise aus dem 19. Jahrhundert, getroffen. Hier fehlen Fensterscheiben und ganze Dächer.
Um 19:30 Uhr zeigt sich der Himmel über La Chaux-de-Fonds wieder in Azurblau. Derselbe Himmel, der am späten Vormittag von einem Sturm von nie dagewesener Heftigkeit verschlungen worden war. Er hinterliess schwere Narben in der Stadt. Man sieht sie in den Parks, deren alten Bäume regelrecht skalpiert wurden. Claudine, eine Anwohnerin, sagt:
Wie viele Bewohner von La Chaux-de-Fonds verliess Claudine am Montagabend ihr Haus, um sich die Schäden in der Stadt anzusehen. «Bei mir ist alles in Ordnung, ich habe nur zwei Fensterläden verloren. Sie wurden aus den Angeln gehoben und stürzten vor das Haus», sagt sie. Andere hatten weniger Glück. Es gab einen Todesfall, bei dem ein 50-Jähriger von einem herabstürzenden Kran getötet wurde, und mehrere Verletzte. Doch es hätte noch schlimmer kommen können.
«Ein Dachziegel von einem anderen Haus hat mein Fenster durchschlagen», berichtet Barthélemy, den wir auf der Hauptstrasse treffen, die von Anwohnern «Le Pod» genannt wird. Der 22-Jährige fährt fort:
Der junge Pariser, der ein Praktikum in einem Uhrenunternehmen in der Region absolviert, hat an diesem Montag viel erlebt – und ziemlich viel telefoniert. «Wir mussten umziehen», sagt er. Er fand schnell eine neue Bleibe und hatte nicht viel zu zügeln. Andere hatten jedoch weniger Glück.
An diesem Montagabend sind viele Menschen in den Strassen der Stadt unterwegs. Und das, obwohl gerade die traditionellen Uhrmacherferien sind. Die Fabriken stehen still, die Bistros schliessen ihre Türen und die Stadt verfällt eigentlich in einen Sommerschlaf. Auch die Bar «Tchop» am Bahnhof ist geschlossen. Guiseppe, der Miteigentümer, hat sein Telefon am Ohr und steht vor dem klaffenden Loch, das heute Morgen noch eine Glasscheibe war, die die Passanten von den Zapfanlagen trennte.
«Die Glaser und Tischler sind ausgebucht. Sie haben keine Platten mehr, um die Fenster zu verschliessen», erzählt der Unternehmer. «Zum Glück konnte ich einen Sicherheitsmann auftreiben, doch auch die haben mittlerweile keine freien Mitarbeiter mehr.»
Ob er traurig ist, dass sein Arbeitsort verwüstet wurde? «Das war ein Naturereignis, da kann man nichts machen. Es hat keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen», sagt der Mann. «Für die Schäden bezahlen wir ja eine Versicherung». Der Unternehmer ärgert sich aber darüber, dass es an Reparaturmaterial fehlt.
Bereits am Montagabend war eine enorme Arbeit geleistet worden. Fast alle Strassen sind wieder befahrbar. «Die Strassenarbeiter waren sehr effizient», sagt Guiseppe und fügt hinzu: «In La Chaux-de-Fonds ist man sich solche Situationen vom Schnee gewöhnt. Wenn dieser in grossen Mengen fällt, muss er weggeräumt werden.»
In der Nähe des Bahnhofs meint eine junge Frau: «Sie haben die Schneeräumgeräte benutzt, um die Strasse zu räumen, das ging sehr schnell.» So war die Hauptstrasse der Stadt am Abend fast sauber und die Einwohner von La Chaux-de-Fonds spazieren am Abend umher, um die Schäden zu betrachten, zu kommentieren und ihre Emotionen zu teilen: «Ich dachte, das sei mein Ende, ich hatte solche Angst», erzählt eine ältere Dame ihrer Nachbarin, die antwortet: «Ich habe nur den Wind gehört. Als ich aus dem Haus kam, fand ich einen Schornstein mitten auf der Strasse.»
Und genau das ist der Punkt: Die Behörden mahnen die Bewohner, nicht in den Parks und unter den beschädigten Dächern zu spazieren. La Chaux-de-Fonds kommt gezwungenermassen zum Stillstand.
Denn obwohl die Strassen für den Verkehr wieder geöffnet wurden, findet man hier noch immer zahlreiche Trümmer aller Art. An jeder Strassenecke begegnet man zerknitterten Blechen, die an den Strassenrand gedrückt und zusammen mit allerlei Schrott in die Gärten geweht wurden. Manche hängen sogar in den Bäumen und sind kaum zu identifizieren.
Die Kosten des fünfminütigen Ereignisses sind noch unbekannt. Klar ist jedoch: Es wird einige Zeit dauern, bis die Schäden behoben werden können und die Unesco-Stadt ihr Gesicht wiederfinden kann. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die von Bäumen gesäumten Parks wieder ihre Kronendächer erhalten.
Für den 50-Jährigen und seine Angehörigen hätte es kaum schlimmer kommen können. Das hätte man mit zwei drei Anpassungen problemlos umsichtiger formulieren können.
Ich will nicht überempfindlich tun, aber der Artikel nennt sich "So geht es den Bewohnern", sprich gibt vor die betroffenen Einzelschicksale zu beleuchten. Da wirkt diese Betrachtung des grossen Ganzen mit fast schon vernachlässigbaren Einzelschicksalen widersprüchlich.