Schweiz
Winter

Lawinengefahr in Engelberg: Riesenmenge Schnee droht am Titlis abzurutschen

Das Skigebiet Titlis oberhalb Engelberg, aufgenommen am Mittwoch, 12. Dezember 2018. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Viel Schnee im Titlis-Skigebiet (Archivbild)Bild: KEYSTONE

Prekäre Situation am Titlis: Riesenmengen Schnee drohen abzurutschen

Viel Schnee und aussergewöhnlich hohe Temperaturen schon im Februar sorgen in den Skigebieten für schwierige Situationen und teils gesperrte Pisten. Kritisch ist die Situation am Titlis.
21.02.2019, 10:4121.02.2019, 10:42
Markus von Rotz und Roger Rüegger / ch media
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Vielleicht fährt dieser Tage der eine oder andere Skisportler mit mulmigem Gefühl in sein Lieblingsgebiet. Könnte eine Lawine wie im Wallis auch an anderen Orten Skifahrer oder Snowboarder auf der Piste erfassen? Gleitschneelawinen sind derzeit laut Thomas Studer, Leiter Lawinenwarndienst beim Institut für Schnee- und La­winenforschung, an der Tagesordnung.

Wegen des vielen Schnees könnten diese grösser als üblich ausfallen. Für den Gemsstock wurden am Mittwoch 6, für den Titlis 5,7 und für Melchsee-Frutt 3,8 Meter Schnee gemeldet.

Die grösste Gefahr und die grössten Folgen der aktuellen Wetterlage registriert man derzeit am Titlis. Zwar sei ein solches Ereignis wie in Crans-Montana, das ein Todesopfer forderte, in Engelberg «topografisch in dieser Jahreszeit fast nicht möglich», sagt Christoph Bissig, Chef des Pisten- und Rettungsdienstes.

«Wir haben aber am Mittwoch und Dienstag die Engstlenpiste zeitweise geschlossen und werden das aus Sicherheitsgründen auch in den nächsten Tagen tun müssen, allenfalls sogar bis Ende Saison.» Zudem musste auf der Talabfahrt die Standardpiste, die am Morgen schon früh Sonne hat, geschlossen werden.

Schnee könnte sich jederzeit lösen

«Es warten zwei grosse Schneeblöcke mit je rund 2000 Kubikmetern, die sich bewegen und aufgrund ihres Gewichts jederzeit lösen könnten oder aufgrund von Spannungen, wenn am Morgen die Sonne in den Hang hineinscheint oder am Abend ihn wieder verlässt», sagt Bissig zur Situation. Das dürften an die 1600 Tonnen sein.

Gefährlich seien auch felsnahe, stark aufgeheizte Partien. Abhilfe ist schwierig: «Der Schnee ist zu sehr gefestigt, so dass eine Sprengung nicht weiterhilft.» Zudem sei es auch zu wenig steil. Als sie am Dienstag nach Betriebsschluss einzelne Passagen sprengten, gab es nur kleinere Niedergänge bis auf die geschlossenen Pisten. Weil der Engstlenhang am meisten sonnenexponiert und nicht steil sei, habe sich hier so viel Schnee angesammelt. Im aktuell nassen Schnee verpuffen Sprengladungen.

Im Gebiet Engstlenalp war Anfang März 2012 wenig oberhalb der Sessellift-Talstation eine hundert Meter breite Lawine auf die Piste gedonnert. Eine Person wurde leicht verletzt.

Das Ereignis bezeichneten Einheimische damals als Ausnahmefall. «Ein solcher Abgang war auch von meinen Vorgängern nie beobachtet worden», sagt Bissig. «Und Prävention beruht ja in aller Regel auf Erfahrung.»

Derzeit bewege sich dort nichts, aber links und rechts davon. «Wir haben die Piste auch leicht angepasst und lenken die Skifahrer um. Wir gehen davon aus, dass wir 99 Prozent Sicherheit bieten können, und tun auch alles dafür. Und sind froh, wenn die geschlossenen Pisten nicht befahren werden.»

«Das Hauptproblem ist der warme Boden.»
Carlo Danioth, Pisten- und Rettungschef Andermatt

Abseits der Pisten dürfe man derzeit Sonnenhänge und Felspartien nur höchst vorsichtig und maximal bis 12 Uhr mittags befahren. Laut Thomas Stucki vom SLF sind Unfälle mit Opfern auf offenen Pisten «extrem selten». In den vergangenen zehn Jahren habe es genau einen mit einem Todesopfer gegeben.

Auch in den übrigen grösseren Skigebieten ist das aktuelle Wetter teils eine Herausforderung für Verantwortliche. In Andermatt war die ganze letzte Woche die Piste Hinter Felli zum Oberalp am Nachmittag präventiv geschlossen. «Aus Sicherheitsgründen, denn wenn der Schnee kriecht und Risse, sogenannte Fischmäuler, entstehen, kann dies zu Gleitlawinen führen», sagt Carlo Danioth, Pisten- und Rettungschef. Weitere Abschnitte mussten nicht gesperrt werden.

Am Gemsstock bestehe derzeit keine Gefahr, da dieser noch wenig von der Sonneneinstrahlung betroffen sei. Es sei ein Horrorszenario, dass eine Lawine auf eine offene Piste treffe. Aber ein Restrisiko bleibe immer. Laut Danioth nahm das Phänomen Gleitlawine in den vergangenen Jahren zu. «Das Hauptproblem ist der warme Boden, der von unten wirkt. Es entstehen Hohlräume, die schwere Schneedecke senkt sich.»

Zwischenfall auf der Klewenalp

Auf der Klewenalp wäre der Chälenhang am gefährdetsten, er ist aber ein Nordhang. «Und viel Schnee ist schon unten, weil wir nach den Neuschneefällen gesprengt haben», sagt Paul Odermatt, technischer Betriebsleiter.

Bei hohen Temperaturen sei es möglich, dass man die Sesselbahn Chälen nachmittags früher schliessen müsse. «Am Sonntag hatten wir beim Sessellift Aengi einen Schneerutsch. Windschnee in einer Mulde – der beim Sprengen nicht ausgelöst wurde – hat sich wegen der Wärme gelöst und rutschte bis zur Talstation.» Es gab aber keine Schäden und es war keine Piste betroffen.

Frutt profitiert von Nordhängen

Melchsee-Frutt hat fast nur Nordhänge. «Darum besteht auf unseren Pisten derzeit keine Gefahr», sagt Daniel Dommann, Geschäftsführer der Sportbahnen. «Gleitschneelawinen drohen in Pistennähe nicht, denn trotz grosser Schneemengen ist die Schneedecke gut gesetzt und verdichtet, mit guter Bodenbindung.»

Auch abseits der Pisten sei es meist ungefährlich, ausser in Südhängen. «Wir haben zudem zwar warme Temperaturen, aber trockene Luft, so dass sich die Schneemenge kaum verändert und kompakt bleibt.»

Beruhigender Pulverschnee in Sörenberg

«Dass eine Gleitschneelawine auf eine Piste rutscht, kann vorkommen», sagt Bruno Bichsel Pisten- und Rettungschef in Sörenberg. Man beobachte die Situation laufend. Sollten sich «Fischmäuler» bilden, «werden Pisten sofort gesperrt», sagt Bichsel.

Die Sinne der Schneesportler und Touristen seien jetzt natürlich geschärft. Er und seine Patrouilleure würden häufig angesprochen. «Wir erklären den Leuten dann, dass wir wenn nötig Massnahmen treffen.» Derzeit macht er sich keine Sorgen. «Der Schnee ist pulvrig und setzt sich so, wie er muss. Erst wenn die Sonne brennt oder es regnet, wird bei Schwachstellen eingegriffen.»

Suche nach Lawinen-Verschütteten in Crans-Montana läuft

Video: srf/SDA SRF
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tomtom64
21.02.2019 11:54registriert Januar 2014
Die Omega-Lage hat mit dem Klimawandel rein gar nichts zu tun. Bitte lest entsprechende Artikel auf Watson.

Klimawandel gibt's aber schon.
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