Schweiz
Wirtschaft

Genfer Teppichgeschäft mit iranischem Namen gerät in einen Bankkonflikt

Warum ein Genfer Geschäft wegen seines Namens in einen Bankkonflikt geraten ist

Eine Schweizer Bank brachte die Besitzer eines Genfer Orientteppich-Geschäfts in grosse Schwierigkeiten. Grund: der iranisch klingende Namen des Geschäfts.
28.12.2022, 19:44
Antoine Menusier
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Es war Februar 2020 als plötzlich kein Geld mehr auf dem Konto einer Genfer Orientteppich-Firma eintraf. Das Unternehmen mit iranischem Namen, der hier allerdings nicht genannt werden soll, war zu dem Zeitpunkt Kundin der Genfer Kantonalbank (BCG).

«Ich rief die Firma an, welche die mit Bankkarten getätigten Zahlungen in unserem Namen verwaltet», erzählt die Mitinhaberin des Familiengeschäfts. Ihr Vater war in den 1970er Jahren aus dem Iran in die Schweiz gekommen und erhielt später die Schweizer Staatsbürgerschaft. «Wo ist das Geld aus dem Verkauf der Teppiche geblieben?», fragte die Tochter das Kreditkartenunternehmen. Eingefroren von einer Partner-Bank, stellte sich heraus. Warum, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

«Wir hatten Angst, dass wir das Geld bei unseren Kunden holen müssen.»
Miteigentümerin des Orientteppich-Geschäfts

Die Kaufmannsfamilie beauftragt einen Anwalt. Dieser erreicht im April, dass die eingefrorenen Beträge, «ungefähr 20' 000 Franken», von der Bank, die sie zurückgehalten hatte, an die Genfer Kantonalbank überwiesen werden.

In der Zwischenzeit bitten die Familie und der Anwalt den Schweizerischen Bankenombudsman um Vermittlung, schreiben an das für den Aussenhandel der Schweiz zuständige Wirtschaftssekretariat und verlangen von der verantwortlichen Bank Erklärungen. Die Bank antwortet in einem Schreiben vom 18. März.

«Die Bank beruft sich darin auf ihre internationale Dimension und verweist auf die Sanktionen, die von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der Schweiz und den USA gegen den Iran verhängt wurden.»
Der Anwalt der Eigentümerfamilie des Teppichgeschäfts.

Der iranische Name des Genfer Teppichgeschäfts ist der Bank offensichtlich so unangenehm, dass sie ihn komplett aus ihren Büchern streichen will.

Für die Besitzer des Teppichladens ist das ein Schlag ins Gesicht. Die Familie ist gezwungen, ein anderes Kreditkartenunternehmen zu beauftragen, die nicht mit der Bank verbunden ist, die für ihre Probleme verantwortlich ist.

Sie ändert den Namen des Kontoinhabers bei der BCG sowie den Namen des Geschäfts, das in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird. Die IBAN bleibt vorerst unverändert. Daraufhin blockiert die Bank allerdings erneut alle Transaktionen.

«Einige waren beleidigt»

Auch Versicherungen, Zahlungen von Konto zu Konto, die zweite Säule einiger Angestellter des Ladens – also alles, was mit dem Namen des Ladens versehen ist und irgendwie über diese wichtige Bank abgewickelt wird – muss angepasst werden. Kunden, die bei der Bank ein Konto haben, werden aufgefordert, ihre Einkäufe im Laden bar zu bezahlen. «Einige von ihnen waren beleidigt», berichten die Inhaber des Teppichgeschäfts.

Drei Jahre später ist der Vorfall noch immer präsent. Die Ladenbesitzer, die keinerlei Verbindung zum islamistischen Regime im Iran haben, fühlen sich allein aufgrund ihres Namens diskriminiert.

Die Schwester des Geschäftinhabers, die denselben Nachnamen trägt und ebenfalls einen Schweizer Pass besitzt, hatte bereits ähnliche Probleme mit einer anderen Bank.

«Wir zogen es schliesslich vor, unser Konto nach 50 Jahren zu schliessen und sind nun zu PostFinance gewechselt.»
Schwester des Teppichgeschäft-Inhabers

Vielleicht geht es hier auch gar nicht um den Handel mit iranischen Teppichen – eines der Herkunftsländer der Waren, die das Genfer Geschäft anbietet.

Das von watson kontaktierte Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) erklärt nämlich, dass der Teppichhandel mit dem Iran nicht unter die Sanktionen falle. Allerdings werden solche Einkäufe in der Regel nicht mit dem Iran abgerechnet, sondern mit Wiederverkäufern in Drittländern, z.B. in der Türkei. Ein grosses Schweizer Einrichtungshaus verkauft auf diese Weise im Iran hergestellte Teppiche.

«Die auf den internationalen Märkten tätigen Schweizer Bankinstitute sind in Bezug auf die Iran-Frage vorsichtig, da sie wissen, dass die USA in diese Angelegenheit involviert sind. Sie wollen sich nicht von den profitablen amerikanischen Absatzmärkten abnabeln.»
Ein Spezialist für den Schweizer Aussenhandel.

Ein von watson kontaktierter Mitarbeiter der Bank, der mit dem Genfer Teppichhandel in Konflikt geraten war, bestätigte diese Einschätzung, ohne auf die Einzelheiten des Falls einzugehen.

Eine mögliche Erklärung für die Bankschwierigkeiten der Händlerfamilie: «Der Name des Geschäfts könnte einen unerwünschten Namensvetter haben», so ein Insider. «In jedem Fall sind die Banken private Akteure, die frei handeln können, mit wem sie wollen», betont ein Ökonom.

Wie viele andere iranisch klingende Namen in der Schweiz wohl von den Bankentabellen gestrichen wurden?

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18 Kommentare
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insider
28.12.2022 20:09registriert Juni 2016
«In jedem Fall sind die Banken private Akteure, die frei handeln können, mit wem sie wollen», betont ein Ökonom.
Ja, klar, aber nach offenbar 50 Jahren Geschäftsbeziehung wäre zu erwarten, dass man sich mit der Kundin in Verbindung setzt und versucht die Angelegenheit zu besprechen.
Aber da war wohl nur noch eine anonyme Maschine, Backofficemitarbeitende, welche irgewelche Zahlen schieben oder gar ein Bot, welcher die Zahlungen blockierte.
Schade. Irgendwer freut sich über die neue Kundschaft.
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Bruchpilot
28.12.2022 22:06registriert Juli 2020
«In jedem Fall sind die Banken private Akteure, die frei handeln können, mit wem sie wollen»
Ja, das stimmt. Aber dann sollten sie die Konten schriftlich und begründet mit einer angemessenen Frist ordnungsgemäss künden. Und nicht stillschweigend irgendwelche Gelder, die dem Kontoinhaber gehören, irgendwo einfrieren. Das ist dass Eigentum der Ladenbesitzer, und das willkürliche einfrieren der Gelder ist Eigentumsentzug oder zumindest Besitzentzug.
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Fisherman
28.12.2022 20:15registriert Januar 2019
Sorry, aber so etwas geht gar nicht.
Ich bin für strenge Sanktionen gegenüber dem Diktatur- und Terrorstaat Iran.
Aber deswegen kann man doch nicht ein Geschäft in der Schweiz drangsalieren?
Geht es noch?
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