Der grösste private Goldbunker der Schweiz ist so geheim, dass watson weder den Namen noch die Ortschaft nennen darf, wo die wertvollen Edelmetalle gelagert werden.
Doch Unternehmer Robert Vitye (44) öffnet einmalig die Türen, um einen Einblick zu gewähren in eine Welt, die der Mehrheit der Bevölkerung für immer fremd bleiben wird. Eine Welt des unvorstellbaren Reichtums.
Vitye ist nicht der Eigentümer der hochgesicherten Lagerhalle, aber er ist der grösste Mieter. Edelmetalle wie Gold, Silber, Platin und Palladium «im hohen, dreistelligen Millionenbereich» habe seine Firma dort gelagert, wie er im Gespräch mit watson erzählt. Jahresumsatz seiner Unternehmung: 800 Millionen Franken. Tendenz steigend.
Vom Eingang des Gebäudes bis zu Vityes angemieteten Edelmetalllager ist es ein langer Weg. Riesige weisse Korridore muss man durchqueren, danach folgen mehrere Lifte, die einen Dutzende Meter tief unter die Erde befördern. Als wäre dieses Labyrinth nicht genug, kommen auch noch Tresortüren, die mit Codes gesichert sind, deren Eingabe mehrere Minuten dauern.
Doch dann steht man plötzlich da, in einem Raum, der bis zur Decke mit den wertvollen Gesteinen gefüllt ist. Wer nun an Dagobert Duck und sein Schwimmbecken aus Goldmünzen denkt, der irrt: In Vityes sieben Lagerhallen stapeln sich die Gold- und Silberbarren auf grauen Plastikpaletten – die Räume wirken kalt und kontrolliert. Vitye ist die Begeisterung über die Edelmetalle jedoch sichtlich ins Gesicht geschrieben. Er meint:
«Ich könnte stundenlang hier beim Gold sitzen und einfach nachdenken.» Der Unternehmer sagt das, obwohl nur ein kleiner Teil des Gelagerten ihm privat gehört – der Grossteil der Edelmetalle lagert er für seine über 200’000 Kunden. Vityes Firma, die Solit-Gruppe, ist Marktführerin in Edelmetallsparplänen.
«In zehn Jahren werden wir über eine Million Kunden haben», sagt er, ohne mit den Wimpern zu zucken, während er zwischen 60-Millionen-Franken teuren Paletten mit Silber läuft.
Klingt nach einem wahnwitzigen Plan, ist es aber nicht. Vitye ist kein Blender, der Rolex und Gucci trägt, und seine Träume in die Realität plappert. Er ist der nüchterne, fast schon langweilige Planer und Macher, der die Wahrscheinlichkeit dafür genau ausgerechnet hat. Das kommt nicht von ungefähr.
Vitye verbrachte seine ersten zehn Lebensjahre in der damaligen sozialistischen Republik Rumänien, das von der Kommunistischen Partei geführt wurde. «Ich habe die Unfreiheit am eigenen Leib erfahren», sagt Vitye über diese Zeit bis zum Fall des Eisernen Vorhangs, die ihn stark geprägt hat. Nicht nur wegen der Einschusslöcher im Elternhaus, sondern vor allem wegen des Politsystems, das innert kürzester Zeit umkippen könne. «All diese Erfahrungen lösten in mir früh einen Drang nach Selbstbestimmung aus, weshalb ich Unternehmer werden wollte», sagt er. Der Kommunismus hat ihn in den Kapitalismus getrieben.
Vitye streicht mit der Hand über eine Palette mit Gold, die dutzende Millionen Franken wert ist. Er nennt das Gold «Schöpferisches Geld» und «Göttliches Geld». Seine Augen leuchten, wenn er erzählt, wie das Gestein entsteht: «Da müssen Neutronensterne aufeinanderprallen.»
Im Alter von 10 Jahren zog Vitye nach Deutschland. Er berfreundete sich mit zwei Schulkollegen, die heute seine Mitgesellschafter bei der Solit-Gruppe sind. Das Trio drückte nicht nur die Schulbank zusammen, sondern es gründete gleich nach dem Abitur gemeinsam seine erste Firma. Ein Internetunternehmen, das Investmentfonds vermittelte – ohne Beratung. Ein «Selbstbedienungsgeschäft für informierte Kunden», nennt es Vitye. Bezahlt wurden sie mit Bestandsprovisionen aus der Verwaltung der Fonds. Es lief so gut, dass die drei Jungunternehmer, die alle Anfang 20 waren, innert kürzester Zeit 25 Mitarbeitende einstellen konnten.
Durch diese Arbeit hätten sie erkannt, welche Anlagetrends wieder aufkommen würden. «Wir stellten fest, dass Edelmetalle eine Renaissance erleben und begannen, uns über den Goldhandel zu informieren», sagt Vitye. Die Entscheidung, im Edelmetallhandel zu starten, sei ihnen aber abgenommen worden. «Die Finanzkrise von 2008 hat uns stark getroffen, weshalb wir einige schlaflose Nächte hatten. Wir mussten uns entscheiden, entweder aufzugeben und alle zu entlassen oder etwas Neues zu machen – mit dem Edelmetallhandel.» So kam es im Dezember 2008 zur Gründung der Solit-Gruppe in Deutschland.
Während Vitye über seine Anfänge im Business spricht, öffnet er einen Schrank, der bis oben mit Palladium gefüllt ist. Er will dem Reporter einen Barren in die Hand drücken, um zu zeigen, wie schwer das Gestein ist. Dann legt er es wieder zurück in den Schrank, dessen Inhalt einen Wert von 50 Millionen Franken hat.
Seit der Firmengründung sind 15 Jahre vergangen. Mittlerweile ist der Hauptsitz von Vityes Unternehmen im thurgauischen Tägerwilen, die Firma zählt 140 Mitarbeitende und hat fast eine Viertelmillion Kunden. Einige von ihnen würden jeden Monat Kleinbeträge ab einem Franken investieren, andere im «hohen siebenstelligen Bereich». «Aber unser Durchschnittskunde ist tendenziell männlich, zwischen 40 bis 60 Jahre alt und hat zwischen 10’000 und 30’000 Franken investiert», sagt Vitye. Das Klischee von dubiosen Anlegern wie Oligarchen würden ihre Kunden nicht erfüllen, dafür seien die Compliance-Richtlinien zu streng.
Neben Privatkunden habe die Firma viele institutionelle Kunden: Allein in Deutschland würden über 250 Banken die Solit-Produkte und Sparpläne anbieten. Dasselbe versuche man nun in der Schweiz zu etablieren, durch Kooperationen mit Kantonalbanken sowie unabhängigen Vermögensverwaltern.
Das Geschäft mit Edelmetallen boomt, speziell hierzulande. Die Schweiz ist laut einer Studie von Forex Suggest die drittgrösste Gold-Nation der Welt. Allein die Nationalbank (SNB) verfügt über Goldreserven von 1040 Tonnen. Wie viele Milliarden Franken in Edelmetallen aber tatsächlich in der Schweiz gelagert sind, ist unbekannt.
Im Schweizer Recht stehen diverse Ausnahmeregeln, weshalb die detaillierte Herkunft und Menge der Schweizer Goldimporte im Verborgenen bleibt. Für den Unternehmer Robert Vitye ist es ein Bedürfnis, zu sagen, dass sein gesamtes Gold von der weltmarktführenden Institution, der London Bullion Market, zertifiziert sei. Diese stand jedoch auch schon in der Kritik, weil sie etwa eine Goldmine aus Tansania als «verantwortungsvoll» zertifiziert hat, in der zwei junge Männer von Sicherheitskräften erschossen wurden.
Vitye betont jedoch: «Ein verantwortungsvoller Förderungsprozess ist das oberste Gut bei uns.» Mit Ausbeuter-Goldminen habe er überhaupt nichts am Hut. Sein Gold glänze tatsächlich.
In jedem Lagerraum sind unzählige Kameras installiert, damit die Kundschaft via Webcam schauen kann, was im Goldbunker vor sich geht. Auch Inspektionen finden regelmässig statt: Nur einmal habe dabei ein 5-Kilo-Silberbarren gefehlt, der dann aber unter einer Palette wieder aufgetaucht sei.
Vom Erfolg seiner Firma profitiert Vitye auch privat. Wie viel Geld er hat, möchte der Unternehmer jedoch nicht kommunizieren. «Ich möchte mich in keiner Auflistung in den Medien sehen, aber ich habe ein Einkommen, um meiner Familie einen gehobenen Lebensstandard zu ermöglichen und persönliche Lebensträume zu erfüllen.» Einer davon sei der Umzug in die Schweiz gewesen, wo er mit seiner Firma auf die nächste Stufe gelangen möchte: eine Million Kunden.
Weniger eine Rolle gespielt habe für den Umzug die tiefe Besteuerung hierzulande, versichert Vitye. Für eine höhere Besteuerung von Topverdienern, wie er selbst einer ist, spricht er sich aber nicht aus. «Vor dem Erfolg steht ein unternehmerisches Wagnis, viel Blut, Schweiss und Tränen. Es fallen mehr unterwegs um, als am Ende noch stehen», sagt er. Der Edelmetall-Unternehmer sieht die Herausforderung woanders: «Es ist klar, dass wir eine grosse Verteilungsproblematik haben – aber der Hauptgrund liegt bei unserem Geldsystem. Wir schöpfen Geld aus dem Nichts durch Kredite. Dadurch entsteht kein Wohlstand für alle, sondern es profitieren einzelne Marktteilnehmer – wie die Finanzwirtschaft. Gleichzeitig sind die Leidtragenden die Konsumenten, die dadurch mit der Inflation zu kämpfen haben.»
Damit endet der Tag im grössten privaten Goldbunker der Schweiz. Während sich die Tresortüre langsam schliesst, reflektiert im grellen Licht noch ein letztes Mal das Gold, was Robert Vitye zum Lächeln bringt. Für ihn ist es so viel mehr als nur Gestein. Es ist sein Stück erkämpfte Freiheit.
Zudem - er lebt sehr gut, wie er sagt. Und hat 140 Mitarbeiter, die bezahlzt sein wollen, ergibt beachtliches Lohnkosten. Auch die sonstigen Kosten sind wohl sehr hoch. Und das soll alles finanziert werden durch ein passives Investmentvehikel?????