Viele Berggemeinden sitzen auf einem Schatz. Für den kostbaren Rohstoff Wasser kassierten sie schon bisher regelmässig Zinsen. Doch nun wartet der ganz grosse Jackpot, ein Milliardensegen - weil die Konzessionen vieler Wasserkraftwerke erneuert werden müssen. Bereits abkassiert hat im Jahr 2010 Finhaut: Die Walliser 355-Seelen-Gemeinde strich 112 Millionen Franken ein, damit die SBB das Wasserkraftwerk Barberine weiterbetreiben können.
Hydromilliarden und arme Berggemeinden: Die Konstellation birgt Risiken. Besonders in einer Zeit, in der sich China systemrelevante Infrastrukturen strategisch unter den Nagel reisst. Ein Drittel der chinesischen Direktinvestitionen in Europa fliesst in den Energiesektor.
Die Übernahmegelüste der asiatischen Grossmacht haben auch die Bundespolitik aufgeschreckt. Damit Schweizer Stromnetze und Wasserkraftwerke nicht in ausländische Hände fallen, hat das Parlament eine Investitionskontrolle auf den Weg gebracht. Heute Mittwoch debattiert der Nationalrat über eine Lex Koller für kritische Energie-Infrastrukturen. Eine ausländische Übernahme wäre damit nur in Ausnahmefällen möglich.
Aus Sicht des Bundesrates braucht es keine Reform. Die Strominfrastruktur sei ohnehin in öffentlicher Hand, argumentiert der Bundesrat. Das stimmt so nicht ganz. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die aus der Credit Suisse herausgelöste Anlagefirma «Energy Infrastructure Partners» (EIP) in die Energieinfrastruktur investiert. Über das Anlagevehikel «CSA Energie-Infrastruktur Schweiz» hält sie 49 Prozent der BKW Netzbeteiligung. Diese ist wiederum die grösste Aktionärin der Netzbetreiberin Swissgrid.
Auch für Wasserkraftwerke gibt es ein Schlupfloch. Heimfall nennt sich das im Fachjargon. Wenn eine Konzession für die Nutzung von Wasserkraft nach 80 Jahren ausläuft, geht der Grossteil einer Anlage zurück in den Besitz der Gemeinde oder des Kantons - und das fast zum Nulltarif.
Zwar kommt ein Heimfall nur selten vor. In der Regel verzichten die Gemeinden darauf die Anlagen selbst zu betreiben und verkaufen die neue Konzession für teures Geld an eine Stromfirma. Das kann der bisherige Betreiber sein, oder ein Konkurrent. Verbleibt sie beim bisherigen Konzessionär, wird eine Entschädigung fällig. Im Falle von Finhaut waren es 112 Millionen Franken.
Schweizer Stromproduzenten würden sich jedoch ausser Stande sehen, «bereits zu Beginn einer neuen Konzession substanzielle Einmalzahlungen vorzunehmen», schreibt deren Verband VSE in einer Stellungnahme.
Das ist die Krux: Während hiesige Stromkonzerne profitabel sein müssen, funktionieren die chinesischen Unternehmen nach einer anderen langfristigen Logik. Bestes Beispiel ist die «Neue Seidenstrasse». Mit der Aussicht auf günstige Kredite und flächendeckende Infrastrukturprojekte weitet Peking seinen Einfluss von Zentralasien bis nach Lateinamerika aus.
Zwar hat der Ukraine-Krieg in Europa zu einem Umdenken geführt, was die Stromversorgung anbelangt. Aber es gab eine Zeit davor, als es plötzlich billige Energie im Überfluss gab. Statt Stromlücke hiess es Stromschwemme. Das war vor zehn Jahren. Die Preise fielen ins Bodenlose und brachen Schweizer Anbietern wie der Axpo und Alpiq fast das Genick.
Das ging soweit, dass der damalige Verwaltungsratspräsident von Alpiq, Jens Alder, 2016 auf Roadshow ging und die Hälfte der Anteile an der Schweizer Wasserkraft abstossen wollte. Interesse bekundete auch der chinesische Staatsbetrieb State Grid. Zu der Zeit kursierte ein Bild eines lachenden Alders mit chinesischen Managern.
Noch haben es die Gemeinden und Kantone selbst in der Hand. Gefahr droht mit einem künftigen EU-Stromabkommen. Sollte die Schweiz keinen Vorbehalt anbringen, könnten die Wasserkonzessionen künftig international versteigert werden. Rund 30 Terawattstunden Jahresproduktion müssen in den nächsten 20 Jahren neukonzessioniert werden. «Wer möchte den Aufschrei in der Schweiz hören, wenn Wasser-Konzessionen an den katarischen Staatsfonds gehen?», fragte Jacqueline Badran bereits 2016. Die Zürcher SP-Nationalrätin hatte die Idee einer Lex Koller für kritische Infrastrukturen angestossen.
Immerhin ist das Bewusstsein für die strategische Bedeutung der Energieinfrastruktur gewachsen. Ein Vorreiter ist in dieser Hinsicht das Wallis. Der Kanton hat entschieden, dass mindestens 60 Prozent der Wasserkraft in Walliser Händen bleiben muss.
Das Wallis möchte damit auch den Einfluss der «Üsserschwyz» eindämmen. Der Kanton ist zwar das Wasserschloss der Schweiz. Doch nur 20 Prozent der Produktion ist in eigenen Händen. Wie Graubünden möchte das Wallis deshalb die Kraftwerke auf dem eigenen Kantonsgebiet wieder «nach Hause holen». Auslaufende Konzessionen sollen nicht verlängert werden.
Auch in Bundesbern stehen die Chancen gut, dass der Nationalrat heute kritische Infrastrukturen der Lex Koller unterstellt. In der vorberatenden Kommission fiel der Entscheid mit 15 zu 8 Stimmen deutlich aus. Dem Anliegen zum Durchbruch verhelfen dürfte eine sogenannte unheilige Allianz der Polparteien SP und SVP.
Und dass das so bleibt, muss das geregelt werden. Wäre gut, wenn eine Lex Koller kommt, bevor alles ins Ausland verscherbelt wurde. Diese Investoren hätten mit Sicherheit andere Interessen als Versorgungssicherheit oder diese zu einem von ihnen festgelegten Preis.
Wir dürfen uns nicht noch abhängiger machen vom Ausland, besonders nicht noch mehr von China.