Ein Nutzer lässt seinem Frust freien Lauf. «Reinste Abzocke» sei das, kritisiert er, und bilanziert: «App unbrauchbar». Auslöser des Ärgers ist die sogenannte Quickzoll-App des Bundes, mit der Privatpersonen Waren verzollen können: Einkaufstouristen können mit der App die Mehrwertsteuer sowie allfällige Zollabgaben beispielsweise für Fleisch oder Wein berechnen lassen und gleich bezahlen.
Diese App dürfte in Zukunft noch wichtiger werden, denn der Bund will die Limite für zollfreie Einkäufe von 300 auf 150 Franken halbieren. Das heisst: Wer ennet der Grenze einkauft, soll künftig schon ab einem Warenwert von 150 Franken pro Person und Tag die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlen müssen. So schlägt es der Bundesrat vor; der endgültige Entscheid steht noch aus. Ziel ist es, den Einkaufstourismus einzudämmen.
Die Gegner der Senkung warnen jedoch, der administrative Aufwand steige durch die Senkung auf 150 Franken massiv, da deutlich mehr Einkäufe deklariert werden müssten. Die Handelskammer beider Basel beispielsweise warnt, es drohten aufwendige Kontrollen an der Grenze und mehr Stau.
Dieses Argument wischen die Befürworter der Senkung mit Verweis auf die Quickzoll-App vom Tisch – dank ihr soll sich der administrative Aufwand in Grenzen halten. Doch die App hat einen Haken: Auf alle Waren wird der Mehrwertsteuersatz von 8,1 Prozent fällig, auch für Nahrungsmittel, für welche der reduzierte Satz von 2,6 Prozent gilt.
Der Bund hat dies bei der Einführung der App 2018 bewusst so gehalten, um den «Berechnungs- und Bezahlungsvorgang für die Nutzerinnen und Nutzer möglichst schlank und schnell abzuwickeln», wie das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) auf Anfrage erklärt. Tatsächlich ist der Prozess einfach: Es reicht, in der App den Gesamtwarenwert einzugeben sowie allenfalls zollpflichtige Waren wie Alkohol und Fleisch zu erfassen – und schon wird der fällige Betrag berechnet und kann bezahlt werden.
Der Nachteil ist, dass man dadurch auf Lebensmittel zu viel Mehrwertsteuer bezahlt, was den eingangs erwähnten Nutzer zum Urteil «reinste Abzocke» verleitete. Als Beispiel: Wer Lebensmittel für 350 Franken einführt, zahlt darauf in der App gut 28 Franken Mehrwertsteuer – statt 9 Franken.
2021 sagte Bundesrat Ueli Maurer dazu im Parlament, es sei offen, wieweit dieser pauschale Ansatz rechtlich «verheben» würde. Darauf angesprochen, verweist das BAZG darauf, dass die Nutzung der App freiwillig ist. Zudem müssen Nutzer bei der erstmaligen Verwendung der App bestätigen, dass sie den einheitlichen Mehrwertsteuersatz akzeptieren.
Der Bund will die App nun aber ändern – allerdings ohne Eile. «Eine Erweiterung, damit die Verzollung in der App auch zu einem reduzierten Mehrwertsteuersatz möglich wird, ist geplant», erklärt ein BAZG-Sprecher. Dies sei aber voraussichtlich erst auf Anfang 2027 möglich. Ohne Verzichtsplanung «mit negativem Einfluss auf die bereits eingeplanten DaziT-Entwicklungsarbeiten» sei eine frühere Umsetzung nicht möglich.
Für die Nutzerinnen und Nutzer hiesse die Erweiterung: Die Eingabe der Einkäufe würde etwas komplizierter, dafür würden sie nicht mehr zu viel Mehrwertsteuer zahlen.
Bei der Stiftung für Konsumentenschutz stösst die gemächliche Planung des Bundes auf Kritik. «Dass der reduzierte Mehrwertsteuer-Satz erst neun Jahre – oder mehr – nach der Lancierung in Quickzoll integriert werden soll, ist unverständlich», findet Geschäftsleiterin Sara Stalder. Das erhöhe die Akzeptanz und damit die Verbreitung der App natürlich nicht. Grundsätzlich sei Quickzoll ein gutes Instrument, hält Stalder fest.
Trotzdem geht die Stiftung für Konsumentenschutz davon aus, dass die geplante Halbierung der Wertfreigrenze den Aufwand für die Bevölkerung und das Zollpersonal massiv erhöhen würde. Die Organisation lehnt die Senkung denn auch vehement ab. Insbesondere Personen mit tiefem Einkommen seien auf günstige Einkäufe angewiesen, argumentiert sie unter anderem.
Auf der anderen Seite fordern Detailhändler und Bauernverband gar eine Senkung der Freigrenze auf 50 Franken. Sie argumentieren, das heutige System subventioniere faktisch den ausländischen Detailhandel.
Ein Dorn im Auge ist ihnen, dass ab einem gewissen Betrag – in Deutschland sind es 50 Euro – die ausländische Mehrwertsteuer zurückgefordert werden kann. Wer heute also in Deutschland für 200 Franken einkauft, muss keinerlei Mehrwertsteuer zahlen. Damit werde der Einkaufstourismus angekurbelt, so die Kritik. Nun muss der Bundesrat entscheiden, welche Freigrenze künftig gelten soll.
(aargauerzeitung.ch)
Die wissen schon, dass wir Steuererklärungen in Selbstdeklaration abgeben. Da muss ich auch mehr als bloss eine Zahl angeben. Und die meisten schaffen das auch.
Auch wenn die Schweizer Detailhändler Karin Keller-Sutter bedrängen den Einkaufstourismus zu reduzieren oder gar zu unterbinden, wird dieser Strom nicht komplett versiegen. Da müssen sich die Schweizer Detailhändler schon etwas anderes einfallen lassen um die Kunden zurück zu gewinnen - zum Beispiel Marge reduzieren. Bekanntlich erzeugt Druck Gegendruck .