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Auch du, Sergio! Wann werden die Banker es endlich lernen?

Sergio P. Ermotti, CEO der UBS.
Sergio P. Ermotti, CEO der UBS.Bild: EPA/KEYSTONE
Kommentar

Auch du, Sergio! Wann werden die Banker es endlich lernen?

UBS-Chef Sergio Ermotti will der Politik gute Ratschläge erteilen. Das wird nicht gut kommen. Er hätte sich besser John F. Kennedy zum Vorbild genommen.
18.02.2015, 17:0019.02.2015, 20:34
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UBS-CEO Sergio Ermotti hat in verschiedenen Tageszeitungen seine Lage der Schweizer Wirtschaft geschildert. Herausgekommen ist dabei ein Sammelsurium der üblichen Klischees des Neoliberalismus: Die Lage ist ernst, die Politiker müssen handeln, und das wiederum bedeutet: Steuern senken, deregulieren und dafür Sorgen, dass die Stimmbürger nicht auf dumme Gedanken kommen – beispielsweise der Initiative für eine nationale Erbschaftssteuer zustimmen. 

Ermotti reiht sich ein in eine lange Reihe von Bankern und Wirtschaftsführern, die sich berufen fühlen, mahnende Worte an Politiker und Volk zu richten – und dabei regelmässig scheitern. Das hat vier Gründe: 

Erstens:

Ermottis Analyse steht auf tönernen Füssen. «Die Lage ist ernst, und dies ist immer mehr Bürgerinnen und Bügern im Lande plötzlich bewusst», schreibt er. Diese Aussage steht im direkten Widerspruch zu den Prognosen der Ökonomen der eigenen Bank. In ihrem jüngsten Outlook, der Prognose für die Wirtschaftsentwicklung gehen die UBS-Volkswirte nämlich davon aus, dass sich zwar das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamen wird, aber dass vorläufig keine Rezession droht. 

Die Arbeitslosigkeit wird allenfalls 3,6 Prozent erreichen, ein im internationalen Vergleich beneidenswert tiefer Wert. «Wir jammern auf sehr hohem Niveau», sagt daher auch UBS-Chefökonom Daniel Kalt.

Zweitens:

Die von Ermotti empfohlenen Massnahmen sind nicht nur sattsam bekannt, sie haben sich in der Vergangenheit auch stets als untauglich erwiesen. Der Frankenschock könnte die Schweiz tatsächlich in einen Zustand versetzen, in dem die Nachfrage schlagartig einbricht. Ein solcher Schock kann jedoch nicht mit tieferen Steuern oder weniger Regulierung aufgefangen werden. Das dauert viel zu lange.

Wirksam wären hingegen, was Ermottis Vorgänger Oswald Grübel empfiehlt: Von der Zinssituation profitieren und mit dem Gratis-Geld sinnvolle Projekte verwirklichen. 

Drittens:

Ermotti reiht sich in eine unrühmliche Tradition ein. Auf die Krise der 90er-Jahre reagierten neoliberale Wirtschaftsprofessoren und Wirtschaftsführer mit dem legendären «Weissbuch», eine Aufzählung der Massnahmen, die nun auch der UBS-Chef wieder ausgräbt. Sie erreichten damit gar nichts, und das zu Recht. 

Die Stagnation der 90er-Jahre war nämlich das Resultat einer geplatzten Immobilienblase und eines unfähigen Direktors der Schweizerischen Nationalbank. Markus Lusser erhöhte damals die Leitzinsen wegen einer eingebildeten Inflationsgefahr. Auch die schrill vorgetragenen «Steuern-senken-mehr-Deregulieren!»-Vorschläge des Thinktanks Avenir Suisse zu Beginn der 00er-Jahre verpufften wirkungslos. 

Viertens:

Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Banker leben in dieser Hinsicht gefährlich: Der ehemalige CEO der CS, Lukas Mühlemann, fühlte sich einst ebenfalls berufen, die Schweiz mit ähnlichen Ratschlägen einzudecken. Wenig später musste er seinen Hut nehmen, weil bekannt wurde, dass er mit einer falschen Strategie und fragwürdigen Einkäufen die CS an den Rand des Abgrunds geführt hatte. Allein mit dem Kauf der Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette soll Mühlemann rund 20 Milliarden Franken verbrannt haben. Auch die UBS war vor nicht allzu langer Zeit froh, dass sie von der SNB gerettet und vom Staat einen Überbrückungskredit in der Höhe von sechs Milliarden Franken erhalten hatte. 

Fazit:

Es ist verdienstvoll, wenn sich der Chef einer Grossbank um das volkswirtschaftliche Gemeinwohl kümmert und sich auch dazu öffentlich äussert. Es ist jedoch total kontraproduktiv, wenn dabei einzig versteckte Drohungen und egoistische Vorschläge herauskommen. 

Warum lernen die Banker das nicht? Wie wäre es, wenn Ermotti statt der sattsam bekannten neoliberalen Sprüche gemeinsame Lösungen vorschlagen würde? Wie sagte doch John F. Kennedy in seiner legendären Antrittsrede als US-Präsident: «Frag nicht, was das Land für dich tun kann, sondern frag dich, was du für dein Land tun kannst.» 

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Im Sinne einer Diskursübersicht verlinken wir hier weitere Voten zu Ermottis «Fünf-Pfeiler-Strategie». Inputs sind sehr willkommen.

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eisenhorn
18.02.2015 17:12registriert September 2014
Bin ich der einzige der es Seltsam findet wie Neoliberalisten immer von der Freiheit des Marktes sprechen, aber bei nur kleinsten Problemen zum Staat rennen und dort Finanzhilfe, Steuersenkungen und anderes wollen. Heisst für mich so viel wie "Ich bin erwachsen lass mich in Ruhe Mama!" Um 10 Min später weinend mit dem blutenden Finger zu Mama zu rennen.
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Lowend
18.02.2015 17:18registriert Februar 2014
Es gibt nur eines, was im Moment wichtig ist und dass ist dafür zu schauen, dass nicht die Arbeiter und Angestellten die Kosten für dieses Schlamassel tragen müssen und da helfen diese uralten, phantasielosen Vorschläge aus dem neoliberalen Giftschrank von Sergio Ermotti und seiner teuer bezahlten Politfreunden rein gar nichts und ja, ich gebe sogar Oswald Grübel recht, der als einziger zu begreifen scheint, dass der Staat, dank den Negativzinsen, ganz neue Möglichkeiten hätte, durch clevere Infrastrukturprojekte die Wirtschaft zu stützen, aber viele Politiker verteilen halt lieber Geschenke!
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amore
18.02.2015 18:46registriert Februar 2014
Wenn solch gescheite Leute (Ermottis &Co.) nur die immer wieder langweilige, kontraproduktive Platte der ewig gestrigen Neoliberalen erzählen, ist das eben ein Zeichen des Untergangs des Kapitalismus. Und das finde ich sehr schade, denn eine echte soziale Marktwirtschaft mit sinnvollen und griffigen Rahmenbedingungen wäre immer noch das beste Gesellschaftssystem. Dafür bräuchte es aber in der Mehrheit andere Wirtschaftsführer und andere Politiker und vor allem Menschen mit Nächstenliebe, die sich in der Gesellschaft solidarisch verhielten.
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