Schwindel ist ein verbreitetes Gesundheitsproblem. Bei jedem 13. Hausarztbesuch ist er ein Thema. Doch oft gibt es keine einfache Lösung dafür, da die Ursache unerkannt bleibt.
Ganz einfach klingt es allerdings bei der Appenzeller Firma Herbamed, einer der führenden Herstellerinnen von Arzneimitteln der Homöopathie. Sie verkauft homöopathische Kreislauftropfen und preist diese mit einem Versprechen an: «Circuvin – damit das Schwindelgefühl schnell wieder weg ist».
Die Werbeschrift steht vor einem verschwommenen Bild eines Wanderwegs im Alpstein. Wer hier also die Orientierung verliert, soll mit den Tropfen wieder den Durchblick erhalten. Darunter prangt der Firmenslogan: «Appenzeller Heilmittel wirken mit besonderer Kraft. Weltweit.»
Diese ganzseitige Werbung ist in der «Schweizer Hausapotheke» erschienen. Das Heft liegt in Arztpraxen, Spitälern, Apotheken, Drogerien und Altersheimen auf. Das Zielpublikum sind ältere Frauen, die sich für Gesundheitsthemen interessieren.
Die Circuvin-Werbung verletzt das Heilmittelrecht. Die Arzneimittelbehörde Swissmedic stellt in einem rechtskräftigen Strafbescheid, der CH Media vorliegt, gleich mehrere Verstösse fest.
Swissmedic ist auch eine Strafverfolgungsbehörde und kann Verwaltungsstrafverfahren führen. Im Fall Herbamed bestraft sie den Firmenchef Christoph Züllig mit einer Busse von 2000 Franken. Da er auf eine Beschwerde verzichtet hat, wird dieser Strafbescheid zum Urteil. Swissmedic ist somit auch Richterin.
Züllig ist ein Wiederholungstäter. Schon vor sieben Jahren rügte Swissmedic einen Fernsehspot seiner Firma, den das Schweizer Fernsehen ausstrahlte. Damals beliess es Swissmedic aber noch bei einer Beanstandung, weil die Behörde von einem leichten Fall ausging.
Doch Herbamed machte einfach weiter. Im vergangenen Jahr musste der Firmenchef bereits eine Busse von 1000 Franken wegen einer ähnlichen Circuvin-Werbung bezahlen. Danach liess er diese überarbeiten, aber nur leicht, quasi in homöopathischer Dosis. Deshalb geht Swissmedic nicht mehr von leichten Vergehen aus und erhöht nun die Busse.
Auch davon zeigt sich der Herbamed-Chef nicht gross beeindruckt. Auf Instagram hat seine Firma die verbotene Werbung weiterhin online geschaltet.
Am Telefon ärgert sich Züllig über das Vorgehen von Swissmedic. Er spricht von einem Graubereich: «Wir müssen an Grenzen gehen, damit wir überhaupt noch etwas Interessantes sagen können.» Er passe auf, dass er gegen keine Regeln verstosse. «Aber ich kann nicht ausschliessen, dass wir wieder eingeklagt werden.»
Zudem sagt er: «Wenn wir eine hochprofessionelle Werbeabteilung wie ein Pharmakonzern hätten, hätten wir das Problem längst im Griff.» Doch als KMU-Betrieb würden seine Leute die Werbung nebenbei machen. Deshalb sei auch noch niemand dazu gekommen, die verbotene Werbung auf Instagram zu entfernen.
Der Herbamed-Chef bezeichnet Swissmedic als eine Behörde im Elfenbeinturm, die sich von Feinden umzingelt sehe. Die Beamten würden deshalb eine spezielle Mentalität entwickeln. «Wenn man wie wir auf ihrem Radar gelandet ist, verträgt es nichts mehr», kritisiert er.
Pharmakonzerne könnten sich mehr erlauben. Damit meint er zum Beispiel Werbung für das Schmerzgel Voltaren: In Videoclips springe eine Seniorin nach der Anwendung wie ein junges Reh herum. Aus seiner Sicht stelle dies eine Übertreibung dar, die in Arzneimittelwerbung verboten sei.
Ein Swissmedic-Sprecher betont auf Anfrage: «Vor dem Gesetz sind alle gleich.» Die Behörde mache keinen Unterschied, ob es sich bei beworbenen Arzneimitteln um Synthetika oder Komplementärmedizin handle. Auch ob diese von einer kleinen oder grossen Pharmafirma stamme, spiele keine Rolle. Jede Person könne Werbeverstösse melden. Swissmedic gehe diesen auch von sich aus nach.
Das Ziel sei immer dasselbe: irreführende Werbung, die zu übermässiger Einnahme verleite oder falsche Sicherheit suggeriere, zu erkennen und zu verbieten.
Im vergangenen Jahr hat Swissmedic 80 Fälle von vermuteten Werbeverstössen kontrolliert. 29 davon betrafen Komplementärmedizin und Naturheilkunde. In den meisten Fällen reagierte Swissmedic lediglich mit Hinweisen oder verfügte Massnahmen zur Verbesserung. Nur in fünf Fällen eröffnete die Behörde Strafverfahren wie bei Herbamed.
Ein weiterer Wiederholungstäter ist Matthias Birnstiel, Chef der Luzerner Gesundheitsfirma Chrisana. Er vertreibt das Ingwerpräparat Zintona. Die Kapseln enthalten Ingwerpulver, hoch dosiert statt hoch verdünnt wie bei der Homöopathie. Das Arzneimittel soll ebenfalls gegen Schwindel, aber auch gegen Unwohlsein und Erbrechen helfen. Chrisana bewirbt es für Schwangere sowie für Reisende, denen im Flugzeug oder auf dem Schiff übel wird.
In Inseraten bewirbt die Firma das Produkt als «das einzige rein pflanzliche Naturheilmittel» zur Vorbeugung gegen Reisekrankheit und zur Behandlung von Schwindel, Unwohlsein und Erbrechen. Es verhelfe zu einem stabilen Magen – «ohne Chemie und ohne Nebenwirkungen». Die Rezeptur wirke bereits nach 30 Minuten.
In einem rechtskräftigen Strafbescheid kritisiert Swissmedic unter anderem folgende Aussagen:
Chrisana verwendet die illegalen Werbeaussagen in mehreren Inseraten und bis vor Kurzem auf ihrer Website, obwohl Swissmedic die Vergehen schon früher beanstandet hat und den Firmenchef dafür auch schon bestraft hat. Dies zeige gemäss Swissmedic, dass er bewusst gegen das Heilmittelrecht verstosse. «Er handelt vorsätzlich», heisst es im Strafbescheid. Auch er muss eine Busse von 2000 Franken zahlen.
Birnstiel spricht auf Anfrage von einer Bagatelle. «Ein gewisses Fehlverhalten streite ich nicht ab», sagt er zwar. Doch er fühle sich wie ein Falschparkierer, der nun als Schwerverbrecher behandelt werde. (aargauerzeitung.ch)