«Ein Drittel unseres Lagers sind Gold und Diamanten»: Nayla und Nick Hayek im Interview
Nick Hayek empfängt uns zum Frühstücksinterview am Hauptsitz der Swatch Group in Biel. Auf dem Tisch: Gipfeli, Kaffee und eine Zigarre. «Hatten Sie auch Stau?», fragt Hayek, der von Zug nach Biel pendelt: «Ich will nicht dort wohnen, wo ich arbeite. Sonst wäre ich nur noch im Büro.» Er möge die Autofahrt, unterwegs telefoniere er viel mit Mitarbeitern in Hongkong, China und Japan. «Dabei entstehen immer Ideen.»
Anlass des Interviews, das dann aber viel tiefer gehen wird, sind die Angriffe eines aktivistischen US-Investors. Steven Wood hat laut eigenen Angaben rund 0,28 Prozent der Swatch-Aktien – und will in den Verwaltungsrat. Er fordert unter anderem einen stärkeren Fokus auf Luxusmarken wie Blancpain oder Breguet statt auf das Einsteigersegment mit Swatch und Tissot.
Herr Hayek, die Swatch-Group-Aktie kommt an der Börse einfach nicht vom Fleck. Was es da nicht eine Frage der Zeit, bis ein aktivistischer Investor kommt und einen «Umsturz» verlangt?
Nick Hayek: Damit ist immer zu rechnen, wenn ein Unternehmen so unterbewertet ist wie die Swatch Group. Die Börsenrealität entspricht manchmal eben auch einem Haifischbecken. Wir haben sehr viele langfristige Aktionäre, Kleinanleger und institutionelle Anleger, unter anderem übrigens auch den norwegischen Staatsfonds. Die meisten sind schon seit Jahrzehnten bei uns beteiligt, nicht primär, weil sie so schnell wie möglich Geld verdienen wollen.
Sondern aus welchem Grund?
Weil sich diese Anleger mit unserer langfristigen Strategie identifizieren: schöne Produkte herzustellen, alles in der Schweiz herzustellen, alle Segmente zu bedienen – nicht nur den Luxus, und ohne Schulden zu machen. Wir haben ein soziales Gewissen und tragen Sorge zu unseren industriellen Arbeitsplätzen in der Schweiz, trotz des extrem starken Schweizer Frankens.
Und der aktivistische amerikanische Investor Steven Wood hat andere Motive?
Es gibt Leute, die nur Aktien kaufen, weil sie auf eine kurzfristige Vermehrung des Aktienwerts zielen, um nachher rasch Gewinne realisieren zu können. Das klassische Schema ist, wie das bei Nestlé durch den Einfluss eines aktivistischen Aktionärs übrigens passiert ist, Aktienrückkaufsprogramme zu forcieren und sich dafür sogar zu verschulden.
Konkurrenten wie Richemont haben eine bessere Börsenentwicklung als Sie.
Ja, das stimmt. Richemont ist aber nicht vergleichbar mit uns. Sie sind nur im Luxussegment tätig, und über 75 Prozent des Umsatzes kommt vom Schmuck, der nicht «Swiss Made» sein muss. Die industrielle Basis ist, weil sie sich nur auf Luxus konzentrieren, viel kleiner und weniger vertikalisiert als die der Swatch Group.
Die Schaffhauser Uhrenmarke IWC gehört zu Richemont.
Eine schöne Schweizer Uhrenmarke, die aber leider nicht alle ihre mechanischen Werke selbst herstellt, sondern dazukauft. Wir haben eine ganz andere Philosophie punkto Vertikalisierungsgrad.
Müssten Sie nicht mehr um Ihre Aktionäre buhlen?
Wir verkaufen keine Aktien, sondern Uhren. Das hat schon mein Vater gesagt. Für Roadshows bleibt keine Zeit. Wir suchen ja auch kein Geld am Kapitalmarkt. Dafür kann jeder Investor oder potenzieller Investor unsere Marken und die dazugehörigen Fabriken besuchen.
Was lernt er dabei?
Dass die industrielle Produktion hochmodern und innovativ ist. Er versteht, warum wir so viel Geld in unsere Mitarbeiter und Hightech-Maschinen investieren, wie zum Beispiel die Solarzifferblatt-Produktion, die wir für Tissot in Neuenburg aufgebaut haben. Die Swatch Group ist die einzige Firma, die einem Interessierten die ultrainnovative Produktion von Swatch und zugleich die Produktion eines komplizierten und hochpräzisen Co-Axial-Werkes von Omega oder die hohe Uhrmacherkunst von Breguet zeigen kann. Dies braucht zwei Tage, weil man dafür ins Vallée de Joux reisen muss. Übrigens, wir haben auch begeisterten Gewerkschaftsmitgliedern die Solarzifferblatt-Produktion von Tissot gezeigt.
Die Börse ist weniger begeistert. Auch, weil Sie Immobilien und das Lager sehr vorsichtig bewerten.
Unser Geschäftsbericht ist sehr transparent und zeigt, wie stark unsere Substanz ist. Wir besitzen Geschäftsimmobilien weltweit im Wert von mehreren Milliarden, alle sind ohne Hypotheken gekauft und mit einer jährlichen Abschreibung. Wir haben keinen Goodwill in unserer Bilanz und ein Drittel unseres Lagers sind Gold und Diamanten.
Vorsicht scheint auch das Gebot zu sein, wenn es um die Zusammensetzung des Verwaltungsrats geht, der viele sehr langjährige Mitglieder hat. Wann gibt es dort endlich den Generationenwechsel?
Den haben wir teilweise bereits vollzogen. Marc Hayek (der Sohn von Nayla Hayek, die Red.) ist vor zwei Jahren in den Verwaltungsrat gewählt worden. Und vergessen Sie Daniela Aeschlimann nicht, auch sie gehört zur jüngeren Generation. Es stimmt, dass viele Mitglieder des Verwaltungsrates jetzt über 70 Jahre alt sind. US-Präsident Trump ist übrigens 79 Jahre alt … Aber zu diesem Thema müssten Sie eigentlich meine Schwester fragen, die Präsidentin des Verwaltungsrates ist.
Ist Ihre Schwester da?
Ja, im Büro nebenan. Vielleicht hat sie kurz Zeit.
Der Unternehmenssprecher verlässt den Raum. Dann kommt Nayla Hayek ins Büro, begrüsst alle freundlich und schaltet sich sofort in die Diskussion ein.
Nayla Hayek präsidiert den Verwaltungsrat. Vizepräsident ist Lindt-&-Sprüngli-Patron Ernst Tanner, die weiteren Mitglieder sind Marc Hayek, Daniela Aeschlimann, der Weltraumpionier Claude Nicollier und Ex-Nationalbank-Chef Jean-Pierre Roth.
Nayla und Nick Hayek merken dazu an: «Es gibt es natürlich eine klare Planung, wie sich der Verwaltungsrat in Zukunft weiterentwickeln wird.» Darüber werde zu gegebener Zeit kommuniziert.
Im Verwaltungsrat ist also ein Generationenwechsel absehbar, und in der Konzernleitung? Wird Marc Hayek der künftige CEO der Swatch Group sein?
Nick Hayek: Wir zwingen ihn zu nichts. Marc arbeitet hervorragend, er blüht auf in seinem Job. Wir haben aber auch sehr starke Leute im operativen Bereich, die mehr Verantwortung übernehmen können und wollen.
Nayla Hayek: Ich würde sagen, die Firma ist Teil unserer DNA. Wir überlegen nicht jeden Morgen, für wen wir das tun. Für uns, für die Firma, für die Leute, die hier arbeiten. Das geht alles einher.
Wen meinen Sie mit den starken Leuten im operativen Bereich?
Nick Hayek: Wir haben über 30'000 Mitarbeiter weltweit. Es gibt viele Top-Leute, einige davon finden Sie natürlich in der Konzernleitung und der erweiterten Konzernleitung.
Und sie haben alle die Swatch-Group-DNA?
Nayla Hayek: Viele von ihnen. Nicht zu 100 Prozent – das gibt es nirgends, auch nicht in der Familie. Wir sehen das breiter. Wir sagen immer: Unsere Familie, das ist die Swatch Group.
Wie lange bleiben Sie noch CEO, Herr Hayek?
Nick Hayek: Sie sehen mich nicht noch für 20 Jahre als CEO.
Nayla Hayek: Wer weiss? (Lacht.)
Nick Hayek: Mir macht es Spass. Aber wenn mir morgen etwas passiert, gibt es kein Problem. Wir haben einen Plan.
20 Jahre machen Sie also nicht mehr. Wie lange dann noch?
Nick Hayek: Wir diskutieren unsere Planung nicht mit Journalisten (lacht), aber ja, der Moment wird kommen, ich werde ja nicht jünger.
Bis dahin könnten Sie sich viel Ärger sparen, wenn die Swatch Group nicht mehr an der Börse wäre.
Nayla Hayek: Schon mein Vater enervierte sich und sagte manchmal: «Wir sollten eigentlich mit der Swatch Group nicht an der Börse sein.» Es ist ein Familienunternehmen und doch keines. So wie es auch schon immer die Devise unserer Eltern war: Wir verschulden uns nicht gern.
Nick Hayek: Unser Vater hat einmal etwas gesagt, und das bewahrheitet sich jetzt: «Solange die Resultate gut sind, lassen dich die Leute in Ruhe. Aber in dem Moment, in dem die Resultate weniger gut sind – aus welchen Gründen auch immer –, werdet ihr Attacken erleben.»
Die Firma von der Börse zu nehmen, wäre für Sie also zu teuer? Sie müssten sich verschulden.
Nayla Hayek: Ja, das ist so. Wir haben in der Familie viel darüber diskutiert. Auch über den Vorwurf, dass wir keine physische Generalversammlung mehr abhalten, haben wir im Verwaltungsrat und der Familie diskutiert. Wir vom Verwaltungsrat und von der Geschäftsleitung haben diese GV immer geliebt. Aber wir haben sehr viel Zuwachs von vielen kleinen Aktionären, wir haben keine Halle – auch nicht die Tissot-Arena –, in der eine GV durchführbar wäre wegen der grossen Menge von Leuten und wegen des riesigen Logistikaufwandes. Wir haben sogar einmal kurz erwogen, eine Art Landsgemeinde zu machen.
Im Appenzell?
Nayla Hayek: Wer weiss ...
Wenn Sie an der Börse bleiben, müssen Sie sich irgendwie mit der Finanzgemeinde arrangieren.
Nick Hayek: Wir sind sehr offen gegenüber der sogenannten Finanzgemeinde. Wie gesagt, wir geben klare und transparente Interviews, wie Ihnen zum Beispiel. Jeder, der eine Swatch-Group-Aktie kauft, weiss, was die Strategie des Unternehmens ist und wie die operative Führung tickt. Wir sind uns sehr wohl der Verantwortung bewusst, dass unser Unternehmen an der Börse ist. Darum haben wir Jahr für Jahr Dividenden ausbezahlt und zugleich darauf geachtet, dass man uns als Familie nicht vorwerfen kann, wir würden zu viel ausschütten, um überdimensional zu profitieren.
Nayla Hayek: Natürlich bekommen wir Kritik wegen des Aktienkurses, aber wir kriegen mehr Lob dafür, dass wir unseren Fokus auf unsere Produkte, Mitarbeiter und Kunden legen statt nur auf den Börsenkurs.
Ihr Vater hat die Firma geprägt, Sie führen seinen Kurs fort. Was heisst das für die Zukunft?
Nayla Hayek: Für uns ist diese Firma wie ein Kind. Ein Familienmitglied. Und alle unsere Leute sind Familienmitglieder. Wir können nicht einfach ins Verwaltungsratszimmer kommen und sagen: So, jetzt steigern wir die Rendite, jetzt entlassen wir mal 4000 Leute.
Aber Ihnen gehören nur 28 Prozent des Aktienkapitals, was rund 45 Prozent der Stimmen ausmacht, würde hier der aktivistische Aktionär einwenden – da kann nicht einfach die Familie entscheiden.
Nayla Hayek: Es tut mir leid, aber das Aktiengesetz ist, wie es ist. Wir sind in der Schweiz und es ist nicht nur die Familie, die allein entscheidet. Wir haben einen funktionierenden Verwaltungsrat und eine Generalversammlung.
Nick Hayek: Auf alle Fälle ist unser Anteil mehr als die 0,28 Prozent des Aktienkapitals, das der aktivistische amerikanische Investor erworben hat, wenn es stimmt, was er kommuniziert hat.
Haben Sie sich in einer schwachen Minute schon einmal überlegt, Ihre Aktien zu verkaufen und sich ein schönes Leben zu machen?
Nayla Hayek: Nein!
Nick Hayek: Weil wir ein Gefühl der Verantwortung haben.
Was war die wichtigste Veränderung, die Sie seit dem Tod Ihres Vaters im Unternehmen vorgenommen haben?
Nick Hayek: Wir haben die Vertikalisierung noch vertieft. Wir decken jetzt die ganze Wertschöpfungskette ab und sind dadurch unabhängiger. Die Entwicklung neuer Materialien wie Biokeramik hat uns ermöglicht, das Konzept der MoonSwatch zu kreieren. Ausserdem haben wir neue innovative Produktionsmethoden entwickelt wie die SmartFactory und das Digitalprinting. Wichtig war auch, dass wir bei der Wekodurchgesetzt haben, dass die ETA nicht mehr zwingend Dritte beliefern muss. Das war eine intensive Auseinandersetzung mit den Wettbewerbsbehörden. Es war immer unsere Meinung, dass wir die Konkurrenzmarken dazu bringen müssen, selber in der Schweiz zu investieren – in das Herz der Uhr. Egal ob Quarz oder Mechanik.
Nayla Hayek: Und vergessen wir nicht den Kauf von Harry Winston im Jahr 2013, was uns eine wichtige, sehr erfolgreiche Perspektive weltweit im Schmuck eröffnet hat und die dynamische Entwicklung unserer Filialen Nahen Osten und Indien.
Jedes Unternehmen kann in existenzielle Probleme geraten. Welches, denken Sie, ist das grösste Risiko für Swatch Group? Geopolitische Krisen, der teure Standort Schweiz, die künstliche Intelligenz?
Nick Hayek: Es gibt mehr Chancen als Risiken auf der Welt. KI ist eine fantastische Chance. Die Geopolitik? Seit es die Swatch Group gibt, erleben wir Krisen und Umbrüche. Sehen Sie: Wenn in der Ukraine endlich Frieden ist, können wir in Russland unsere Filialen wieder aktivieren. Das ist ein wichtiger Markt für uns.
Wie beurteilen Sie den Standort Schweiz?
Nick Hayek: Wir müssen aufpassen, dass das Verständnis nicht verloren geht, wie wichtig es ist, in diesem Land auch industrielle Produkte herzustellen, nicht nur im Luxus, sondern auch für Milliarden von Leuten der Mittelklasse weltweit. Sonst wird es ein Problem für die Identität der Schweiz geben. Das Swiss Made auf Produkten gehört zur Identität der Schweiz. Jemand fragte mich kürzlich, ob ich für die Uhrenindustrie nicht Lobbying in Bern machen würde.
Und, haben Sie zugesagt?
Nick Hayek: Nein. Das beste Lobbying machen die Kantone. Der Kanton Neuenburg zum Beispiel, der sich der Wichtigkeit einer industriellen Produktion bewusst ist. Es gibt auch andere Kantone, bei denen Industrie – nicht nur Uhrenindustrie – eine wichtige Rolle spielt. Diese Kantone sind unsere besten Vertreter in Bern. Es gibt natürlich auch Kantone, in denen wir vertreten sind, wo das Bewusstsein der Wichtigkeit der Industrie leider noch nicht so ausgeprägt ist wie in Neuenburg – ich kann da vielleicht Solothurn erwähnen.
Der Wirtschaftskanton Nummer 1 ist Zürich, dort sind Google & Co. wichtiger als die Industrie.
Nick Hayek: Ja, das stimmt. Finanzen, Versicherungen und Dienstleistungen – das ist alles gut und recht, das brauchen wir alles, aber was transportiert davon Swiss Made? Wie viele Lehrlinge werden dort ausgebildet, um ein einmaliges Produkt herzustellen? Wir brauchen unbedingt auch gut ausgebildete Fabrikarbeiter.
Nayla Hayek: Sag bitte nicht Fabrikarbeiter.
Nick Hayek: Ich meine es positiv!
Nayla Hayek: Ja, aber ich spreche lieber von Arbeitern, die ihre Hände und ihren Kopf brauchen, das sind sehr intelligente Leute. Und es ist ja auch so, dass die Anforderungen immer höher werden, mehr und mehr sind auch Software- und Robotikkenntnisse gefragt.
Nick Hayek: Absolut. Für mich ist eine Fabrik etwas Wunderbares, und erst recht die Menschen, die dort wirken. Darum ärgert es mich auch, wenn viele Leute sich daran stören, wenn sie eine Fabrik sehen. Ja, vielleicht lärmt sie etwas, vielleicht stösst sie CO₂ aus. Aber: Allein mit Büros, Forschung und Entwicklung würde die Schweiz ihre Vielfalt und Identität verlieren.
Sie setzen voll auf Swissness. Verliert diese in der neuen Weltordnung an Wert?
Nick Hayek: Glauben Sie wirklich, wir hätten eine neue Weltordnung?
Olaf Scholz’ Wort von der «Zeitenwende» nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine bleibt in Erinnerung. Und die USA und China schauen wieder ganz für sich selbst.
Nick Hayek: Haben sie das nicht immer schon getan? Ich habe das Gefühl, alle rennen atemlos den News hinterher, statt sich Zeit zu nehmen, etwas in Ruhe anzuschauen. China, Japan, ganz Asien – dort sind die Spannungen gar nicht so gross, trotz der Unwägbarkeit um Taiwan. Der Nahe Osten ist leider immer unruhig, aber es gibt Zeichen der Besserung. Und Amerika? Wir vergessen schnell. 9/11 und was dann folgte mit den Amerikanern, die in den Irak gingen, das ist noch gar nicht so lange her. Ich bin gegen diese Dauerpanik.
Einen US-Präsidenten wie Trump gab es noch nie.
Nick Hayek: Ich habe erlebt, wie die USA uns aufforderten, mit Omega die Olympischen Spiele in Peking zu boykottieren. Das war vor Trump.
Erteilten Sie den USA eine Absage?
Nick Hayek: Ich sagte der amerikanischen Botschaft in Bern: «Omega ist kein Sponsor, Omega ist der Time Keeper. Wenn Omega dort die Zeit nicht mehr misst, haben eure amerikanischen Athleten keine Möglichkeit mehr, eine Goldmedaille zu gewinnen.» Ich liess ihnen auch mitteilen, dass sie zuerst doch mit einer amerikanischen Firma wie Coca-Cola reden sollten, die ein Sponsor der Spiele ist.
Sollte sich die Schweiz verstärkt der EU zuwenden? Unterstützen Sie die neuen Abkommen?
Nick Hayek: Viele Firmen, etwa aus der Medtech, sagen: Die Zertifizierung mit Europa ist ohne neue Verträge schwierig. Aber sie haben doch längst schon Filialen in Deutschland, Österreich, Frankreich.
Sie haben vorhin ein Plädoyer für die Industrie gehalten. Verbände wie Swissmem machen sich für die neuen EU-Verträge stark.
Nick Hayek: Ich finde, sie wären eine Verschlechterung. Die Schweiz ist klein, aber auch äusserst erfolgreich und attraktiv – und das ohne barmherzige Hilfe von aussen. Wir haben das beste politische System, das Volk kontrolliert die Politik. Wir haben ein föderales System, das Minderheiten schützt. Wir haben eine starke Währung, wenig Schulden, eine funktionierende Infrastruktur, ein gutes Bildungs- und Ausbildungswesen, pragmatische Gewerkschaften, grossartige Hochschulen, keine Eliten, die sich abschotten. Viele kleine und grosse Unternehmen und Unternehmer und viel Erfindungsgeist. All dies zeugt von Mut und Unabhängigkeit.
Nayla Hayek: Der umgekehrte Weg wäre besser: Europa würde sich durch das Schweizer Modell inspirieren lassen. Aber das passiert natürlich nicht.
Dann sind Sie in der EU-Frage auf der Linie von Alfred Gantner, den Sie wegen des US-Zoll-Deals kritisiert haben?
Nick Hayek: Ich habe Herrn Gantner nicht persönlich kritisiert, ich habe nur gesagt, was Tatsache ist, dass wir kapituliert haben, ohne Kampf. Und ja, ich befürchte, dass wir auch ein Szenario bei der EU erleben könnten wie bei den USA.
Nochmals zu den Bilateralen: Ist es wirklich klug, den Zugang zum EU-Markt zu gefährden?
Nick Hayek: Sind wir doch keine Angsthasen, zumal jetzt Weihnachten ist. Wir haben bestehende bilaterale Verträge, die nicht wirklich gefährdet sind. Und vergessen Sie nicht: Europa profitiert auch stark von der Schweiz.
Haben Sie Bedenken wegen Demokratie und dynamischer Rechtsübernahme?
Nick Hayek: Unsere Demokratie ist einzigartig. Wir dürfen über alles abstimmen, auch über Europa. Und sogar über die 13. AHV-Rente, deren Zustimmung ich verstanden habe. Die Schweizerinnen und Schweizer haben immer bewiesen, einen common sense zu haben.
Nayla Hayek: Das hat sich auch bei der Erbschaftssteuer gezeigt. Aber die war auch wirklich extrem.
Unterstützen Sie Parteien oder Wahlkämpfe?
Nick Hayek: Nein. Noch nie. Wir wollen unabhängig bleiben und auch unsere Meinung, wie zum Beispiel in diesem Interview, frei von Ideologie äussern können.
Was beschäftigt Sie politisch, abgesehen von der Wirtschaftspolitik?
Nick Hayek: Die Sicherheitspolitik. Ich wundere mich zum Beispiel, warum kein Medium recherchiert, was das wirklich für Drohnen sind, die angeblich über Kopenhagen, München oder anderen europäischen Städten fliegen. Es ist doch absurd, uns weismachen zu wollen, dass man nichts weiss, aber wahrscheinlich einzig und allein das böse Russland dahintersteckt. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber all dies baut eine zusätzliche Drohkulisse auf, mit dem Resultat, noch mehr Geld, Milliarden, in die Rüstung zu stecken. Waffen, Waffen, Waffen.
Nayla Hayek: Die Drohnen dienen dazu, den Leuten Angst zu machen. Und die F-35-Kampfjets helfen nicht wirklich dagegen. (aargauerzeitung.ch)
