Die Pandemie zeigt gerade, wie wichtig die Post ist. Nun kommt es zum Wechsel an der Spitze: Urs Schwaller hat seinen Rücktritt als Verwaltungsratspräsident auf den 1. Dezember bekannt gegeben. «Der Zeitpunkt ist ideal», sagte er vor den Medien. Die Post starte mit einer neuen Strategie, und dabei sei Kontinuität wichtig, so Schwaller.
Der ehemalige Freiburger CVP-Ständerat stand der Post seit April 2016 vor – und durchlebte turbulente Zeiten. Während seiner Zeit flog der Postautoaffäre auf: Postauto hatte während Jahren mit buchhalterischen Tricks 107 Millionen Franken vor dem Bund und den Kantonen versteckt und 78 Millionen zu viel Subventionen kassiert hatte. Der Skandal kostete Post-Chefin Susanne Ruoff den Job. Auch Schwaller geriet kurzzeitig in den Fokus, kam aber unbeschadet aus dem Skandal heraus. Inzwischen wurde Postauto neu aufgestellt und bezahlte die Gelder zurück. Gegenüber dieser Zeitung sagte Schwaller am Donnerstag, sein Rücktritt habe nichts mit der Affäre zu tun. «Wir haben alles abgeschlossen und zurückbezahlt.» Offen sei einzig ein Strafverfahren gegen frühere Post-Manager.
In der Ära von Schwaller machte der Konzern auch vieles richtig. So baute er drei regionale Paketzentren, um sich auf den Päckli-Boom vorzubereiten. «Ohne sie hätten wir den Anstieg bei den Paketen im letzten Jahr nicht bewältigen können», sagte Schwaller. Der Einstieg ins Geschäft mit sicheren Datenlösungen für KMU und im Gesundheitsbereich gibt der Post eine Perspektive, wie sie die Rückgänge im Briefgeschäft kompensieren kann.
Auf anderen Baustellen sind die Bagger gerade erst aufgefahren: Die Erträge der Post-Tochter Postfinance gehen im Tiefzinsumfeld stetig zurück. Der Bundesrat strebt eine Privatisierung an, doch was das für die Post bedeutet, ist unklar. Eine zermürbende politische Debatte steht an. Bei Postauto ist der Umsatz krisenbedingt zusammengebrochen, das Filialnetz verschlingt weiterhin viel Geld.
Der Nachfolger – oder die Nachfolgerin – erbt also einige Baustellen. Wer den Posten übernehmen wird, entscheidet der Bundesrat. Post-Konzernchef Roberto Cirillo sagte dazu: «Ich werde jede Wahl des Bundesrates begrüssen. Ich bin überzeugt, dass diese aufgrund von Fähigkeiten und Kompetenzen gemacht wird.» Und weiter:
Das dürfte auch SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga so sehen, die als Verkehrsministerin dem Gesamtbundesrat einen Vorschlag machen wird. Sie dürfte aber das Finanzdepartement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer dabei nicht aussen vorlassen: Dieses hat wegen Postfinance ebenfalls enge Verflechtungen mit dem Postkonzern.
Die Spekulationen um die Nachfolge schossen nach der Ankündigung Schwallers ins Kraut. Als mögliche Kandidatin wird etwa Suzanne Thoma ins Spiel gebracht. Als langjährige BKW-Chefin bringt sie Führungserfahrung mit und ist politisch gut vernetzt. Sie hat die BKW zielstrebig umgebaut, gilt als ehrgeizig, menschlich aber eher als unnahbar. Sie müsste bei einem Wechsel indes finanziell kürzer treten: Der Postpräsident verdient mit rund 250'000 Franken deutlich weniger als die BKW-Chefin (1.8 Millionen Franken). Eine mögliche, ähnlich profilierte Kandidatin aus der Wirtschaft wäre auch ex-Alpiq-Chefin Jasmin Staiblin.
Gute Voraussetzungen brächte auch Ex-SBB-Chef Andreas Meyer mit. Allerdings hat er dem Vernehmen nach nicht das beste Verhältnis zu Verkehrsministerin Sommaruga – ein gewichtiger Nachteil. Er sagte am Donnerstag nur: «Zu dieser Spekulation äussere ich mich nicht.»
Diese Personen könnten auf Urs Schwaller als Verwaltungsratspräsident bei der Schweizerischen Post folgen:
Offen ist, ob der Bundesrat lieber auf eine interne Lösung setzen will. In Frage käme etwa Bernadette Koch; sie sitzt unter anderem auch im Verwaltungsrat des SMI-Unternehmens Geberit. Bei ihr stellt sich allerdings die Frage, ob sie genügend politikbeschlagen ist für den Posten.
Möglich wäre auch jemand, der aus der Politik kommt. Ein Name, der unter Beobachtern mehrmals fällt: Christoph Brutschin, bis vor kurzem Basler Volkswirtschaftsdirektor – und SP-Mitglied wie Sommaruga. Sein Nachteil: Er ist bereits 63. Allerdings war auch Schwaller bei seiner Wahl in diesem Alter.
Die Schwierigkeit bei der Suche: Gefragt ist jemand, der Führungserfahrung und unternehmerisches Denken mitbringt, aber auch politische Erfahrung – und die Post glaubwürdig nach aussen vertreten kann. CVP-Nationalrat Martin Candinas sagt:
Und SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher sagt: «Wichtig wäre, dass der Nachfolger oder die Nachfolgerin die politischen Abläufe kennt und die Politik nicht nur als Störfaktor wahrnimmt.» Die Person müsse sich bewusst sein, dass die Post als Service-Public-Unternehmen «in einem gewissen politischen Korsett» stecke.
Doch, muss es auf jeden Fall eine Politikerin oder ein Politiker sein? Beim Aufräumen des Postautoskandals waren Schwallers Erfahrungen als Jurist und Ständerat auf jeden Fall von Vorteil. Doch nun geht es darum, die Post definitiv ins digitale Zeitalter zu führen. «Der Verwaltungsratspräsident muss für den CEO eine gute Ansprechperson sein. Er muss mit ihm und seinem Team Strategien entwickeln können», sagt ein ehemaliges Kadermitglied der Post. Hier sei eine Unternehmerin oder ein Unternehmer gefragt, der aber natürlich gute Drähte in die Departemente und in die entscheidenden Kommissionen hat. Ein Postpräsident brauche beides: Unternehmertum, aber auch ein Sensorium für die Öffentlichkeit.
Zentral wird bei der Auswahl von Schwallers Nachfolger, dass dieser in den Kerngeschäften die Linie des Bundesrats stützt. Und klar ist auch: Es muss zackig gehen. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin soll bereits an der Generalversammlung am 27. April gewählt werden.