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Medfluencer: Wenn unseriöse Influencer medizinische Wunder versprechen

Medfluencer: Wenn Influencer medizinische Tipps geben.
Symbolbild: Auf Instagram tummeln sich tausende von Medfluencern. Viele davon haben keine medizinische Ausbildung.Bild: Shutterstock
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Im Netz tummeln sich unseriöse Medfluencer, die Heilung bei Krebs versprechen

In den sozialen Medien bieten Tausende Influencer Ratschläge für alle Lebenslagen und Probleme an. Vielen fehlt aber die fachliche Kompetenz.
26.07.2025, 08:00
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Eine Krebsdiagnose stellt das Leben von Betroffenen von einem Moment auf den anderen auf den Kopf. Nichts ist mehr, wie es vorher war.

In der Schweiz trifft dieser Schicksalsschlag jährlich über 40’000 Patientinnen und Patienten. Im Lauf des Lebens erhalten viele Personen diese einschneidende Diagnose. Zur psychischen Not kommt meist auch eine medizinische Therapie hinzu, die mit körperlicher Tortur verbunden ist.

Es ist deshalb verständlich, dass viele Patientinnen und Patienten auf eine Spontanheilung oder ein Wunder hoffen. Doch beide Phänomene ereignen sich kaum und bleiben Wunschdenken.

Vorsicht bei den sanften Methoden

Darum schauen sich viele nach sanften Methoden um, die von vielen Heilern und alternativmedizinischen Anbietern anpriesen werden. Die meisten versprechen zwar keine explizite Heilung, aber zumindest eine Verbesserung der Lebensqualität.

Es gibt unter ihnen aber auch etliche Scharlatane, die unseriöse und nutzlose Behandlungen anbieten, Heilsversprechen abgeben, die Schulmedizin verteufeln, und am Ende die Betroffenen abzocken.

Dieses Geschäftsmodell entdecken immer mehr Influencer, die sich zu Tausenden im Internet tummeln. Es gibt sie für alle Lebenssituationen und Probleme. Zunehmend verbreiten auch medizinische Influencer, auch Medfluencer genannt, Ratschläge im Internet. Unter ihnen viele Ärztinnen und Ärzte, aber auch Laien, die unbrauchbare bis gefährliche Heilmittel und Methoden propagieren.

Satire über die Medfluencer beim ZDF.Video: YouTube/ZDF MAGAZIN ROYALE

Diesem Phänomen widmet sich die sechsteilige Netflix-Serie «Apple Cider Vinegard». Darin werden wahre Fälle nachgespielt, die ein Schlaglicht auf die unseriösen Influencer werfen.

In einer Folge wird der Fall der Australierin Belle Gibson aufgerollt. Die junge IT-Spezialistin behauptete, einen Gehirntumor im Endstadion zu haben und propagierte alternative Heilmittel, Diäten und Fruchtsäfte. Sie entwarf eine App, schrieb ein Buch, hatte bald über eine Million Follower auf Instagram und wurde reich.

«Meine Methoden helfen, Tumore in wenigen Sitzungen zu reduzieren und zu heilen.»

Schliesslich behauptete sie, vollständig genesen zu sein. Später überführten Journalisten sie des Betrugs, denn sie hatte die Krebserkrankung erfunden.

Nicht erfunden hatte ihre Krebserkrankung Jessica Ainscough, eine andere junge Australierin. Sie litt an einem aggressiven Weichteilkrebs auf einem Arm. Die Ärzte rieten ihr zur Amputation. Sie weigerte sich und suchte im Internet nach alternativen Heilethoden von Medfluencern.

Sie entschied sich für Diäten, Nahrungsergänzungsmittel, tägliche Kaffee-Einläufe und eine ominöse schwarze Salbe, vor der Gesundheitsbehörden aber warnen.

Gefährliche Empfehlung

Ihrer Internet-Community zeigte sie sich als strahlende junge Frau, die den Krebs besiegt habe. Sie empfahl ihren Followern, auf ihre Intuition zu hören und nicht unkritisch den Ärzten zu glauben.

Doch bald musste sie zugeben, dass sich der Krebs weiter ausgebreitet hatte. Für eine medizinische Krebsbehandlung war es nun zu spät, sie starb im Alter von 29 Jahren.

Eine Untersuchung in Österreich wies nach, dass 30 Prozent der 15- bis 25-jährigen Gesundheitsinfluencern folgen. Das zeigt, dass sich selbst junge Leute mit Gesundheitsfragen beschäftigen und Gefahr laufen, unseriösen Anbietern zu folgen, was fatale Konsequenzen haben kann.

«Tumore reduzieren und heilen»

Auch bei uns sind Medfluencer in den sozialen Medien aktiv. Zu ihnen gehört beispielsweise Beatrice*, die ihre Praxis in der Schweiz betreibt und auch auf Instagram aktiv ist.

Sie erklärt: «Durch die Anwendung meiner speziellen autorisierten Techniken, die auf Psychologie, Psychosomatik und weiteren effektiven Methoden basieren, helfe ich, Tumore zu reduzieren und zu heilen. Vereinbaren Sie einen Termin: Ich werde Ihnen helfen, den besten Behandlungsansatz zu finden.»

Beatrice wendet bei ihren Behandlungen die Gestaltpsychologie, Biopsychosomatik, Kunsttherapie und das Neurolinguistische Programmieren an. Sie zählt sechs Vorteile ihrer Behandlungsmethoden für Krebspatienten auf. Darunter auch «schnelle Ergebnisse»: «Meine Methoden helfen, Tumore in wenigen Sitzungen zu reduzieren und zu heilen.» Es ist fahrlässig und unverantwortlich, mit solchen Heilsversprechen Kunden zu ködern.

Weiter bietet sie Behandlungsmethoden für krebskranke Kinder und «spezielle Rabatte auf meine Behandlungen und Therapien zur Tumorreduktion» an. Sie bezeichnet sich als «zertifizierte psychosomatische Beraterin und diplomierte Psychologin» und gibt an, an der Pädagogischen Universität Odessa studiert und einen in der Schweiz anerkannten Master in Psychologie erworben zu haben.

Auf der Hut sein

Wenn Influencer, die keine medizinische Ausbildung absolviert haben, Heilsversprechen abgeben, wird es problematisch.

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Es lohnt sich, bei Medfluencern auf der Hut zu sein. Manche sind unseriös und verhalten sich in ihrer Verblendung und mit ihren gefährlichen Heilungsversprechen wie Sektenführer.

Zur Erinnerung: Es gibt keine alternative Therapie, mit der Krebs nachweislich und dauerhaft geheilt werden kann. Wer dies behauptet, muss den wissenschaftlichen Nachweis erbringen. Es ist anmassend und verantwortungslos, Krebspatientinnen und -patienten falsche Hoffnungen zu machen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass sie den Zeitpunkt für eine wirkungsvolle medizinische Behandlung verpassen.

*Name von der Redaktion geändert

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Hugo Stamm, Sektenblog
Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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171 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mallory1507
26.07.2025 08:41registriert August 2024
Leider gibt es nur Chemotherapie und OP um gegen viele Krebsarten vorzugehen.
Lasst euch bitte nichts anderes einreden - Krebs tut anfangs nicht weh, das stimmt.
Chemo und Bestrahlung sind nicht das angenehmste - stimmt auch.
Und eine OP ist ein größerer Eingriff - auch richtig.

ABER all das ist nun einmal oft der einzige Weg um den Krebs zu besiegen.

Allen Betroffenen an dieser Stelle: Ich drücke euch die Daumen, haltet durch, ihr schafft das.
Allen Angehörigen die es begleiten: Auch euch viel Kraft.

Und allen die an unheilbarem Krebs leiden: Ein schmerzfreies restliches Leben.
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Habe viele Namen
26.07.2025 09:12registriert Mai 2022
Leider eine uralte Geschichte: nichts ist leichter, als mit der Not der Menschen ein Geschäft zu machen.

Sehr guter Beitrag, Herr Stamm, da gibt es nichts hinzuzufügen, Danke dafür.
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Händlmair
26.07.2025 08:30registriert Oktober 2017
Meine Mutter kaufte in den 70-er und 80-er Jahren wöchentlich die Glückspost. In der Mitte dieses Magazins war immer eine Beilage an Kleinanzeigen angeheftet, die damals ebenfalls ein Hotspot der Quacksalber, Heilsversprecher und ein Sammelsurium von Esoterikern, die alle das Ziel hatten viel Geld zu verdienen. Heute hat sich das Ganze in die (A)Sozialen Medien verschoben, aber das Ziel ist geblieben. Leichtgläubigen und Verzweifelten Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Heilversprechen sind in der Schweiz verboten, da aber die Beweislast beim Kläger ist, geht niemand dagegen vor.
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