Nestle steht seit Jahren in der Kritik, Grundwasser auf eine solch vehemente Art und Weise zu fördern, dass den Menschen in den jeweiligen Regionen kein Trinkwasser mehr zur Verfügung steht. Internen Dokumenten zufolge, die dem Tages-Anzeiger vorliegen, ist der Bund eine strategische Partnerschaft mit Nestle eingegangen – ausgerechnet im Bereich Trinkwasser und Entwicklung.
Immer wieder sorgen Berichte über den Nahrungsmittelkonzern Nestle für Schlagzeilen. Besonders scharfer Kritik ausgesetzt ist der Geschäftsbereich, der Trinkwasser in Plastikflaschen abfüllt und verkauft. Der Zugriff auf regionales Grundwasser führt in Gegenden wie Vittel zu ausgetrockneten Landschaften und Wasserknappheit.
Nestle suche sich gezielt ärmere Regionen und Länder für ihr Geschäft mit dem Trinkwasser aus, um von den laschen Wassergesetzen zu profitieren, wie Bloomberg berichtet.
Aller Kritik zum Trotz ist die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) eine Partnerschaft mit dem Westschweizer Nahrungsmittelkonzern eingegangen. Dies hat die Nichtregierungsorganisation (NGO) Public Eye aus internen Dokumenten erfahren, die sie dem Tages-Anzeiger zur Verfügung gestellt hat.
Daraus zu entnehmen ist, dass die Vereinbarung zwischen der Deza und Nestle bereits im August 2017 unterzeichnet wurde. Die beiden Parteien verständigten sich unter anderem darauf, mit «innovativen Projekten» den Zugang zu Trinkwasser zu verbessern.
Die Deza und Nestle haben bereits verschiedene Wasserprojekte in Lateinamerika, Asien und Osteuropa lanciert. Public Eye zeigt sich besorgt über die Finanzierung solcher Projekte: Die internen Dokumente würden zeigen, «dass künftig jährlich 400–600 Millionen Franken steuerfinanzierte Hilfsgelder in Unternehmenspartnerschaften fliessen könnten», schreibt die NGO.
«Von Profitinteressen getriebene Konzerne gefährden den politischen Auftrag der Deza», sagt NGO-Sprecher Oliver Classen gegenüber dem Tages-Anzeiger. Wenn sich Konzerne in die Entwicklungszusammenarbeit einmischten, dann sind Transparenz, strenge Kontrollen und mögliche Sanktionen wichtig. «All dies ist zurzeit nicht der Fall», sagt Classen.
Ignazio Cassis plant derweil weitere Kooperationen der Deza mit dem Privatsektor. Im Februar hat der Aussenminister seine Strategie für die internationale Zusammenarbeit 2021 bis 2024 vorgelegt. Darin heisst es: «Der Privatsektor ist der wirtschaftliche Motor, der oftmals einen Weg aus der Armut bietet.»
Die Schweiz wolle deshalb diese Kooperationen diversifizieren und verstärken. Über mögliche Kooperationspartner, die für die Zusammenarbeit in Frage kommen, hüllt sich der Bund indes in Schweigen.
Wie zielgerichtet Bundesrat Cassis die Privatsektorstrategie vorantreiben will, zeigt sich daran, dass der Kreis möglicher Partnerfirmen sehr inklusiv gehalten wird. Vom EDA ausgeschlossen sind lediglich Firmen, die «Rüstungsgüter produzieren, mit radioaktiven Substanzen handeln, Geldspiele anbieten oder schwere ökologische Schäden verursachen.»
Entwicklungskooperationen mit Unternehmen aus den Bereichen Tabak, Cannabis, Alkohol und aus dem Rohstoffsektor sind für den Bund hingegen denkbar.
Das Aussendepartement betont, es gehe Projektpartnerschaften mit dem Privatsektor nur ein, wenn dies im Einklang mit dem Deza-Mandat stehe. (adi)
Das kann man inzwischen so sagen, oder? Also: "Politiker X hat sich da einen bösen Cassis geleistet." Dabei steht ein Cassis (Substantiv, maskulin) für einen politischen Vorstoss, der charakterisiert ist durch:
a) unverfrorene Wirtschafts- und Konzernhörigkeit,
b) komplette Blindheit für jegliche ethische Bedenken
und der c) derart tollpatschig lanciert wird, dass man ob der allgemeinen Peinlichkeit geneigt ist, eher mit Fremdschämen als mit Entrüstung darauf zu reagieren.