Die Schweizer Raffinerien wagen den Befreiungsschlag. Sie möchten sich nicht ständig an den Vorwürfen abarbeiten, sie würden im Geschäft mit Gold aus dubiosen Quellen mitmischen. Deshalb lud Christoph Wild, Präsident des Verbands der Vereinigung der Edelmetallfabrikanten und -händler, am Dienstag im Berner Hotel Schweizerhof zu einem eigentlichen Goldseminar.
Er erklärte, wie aus Minengold Schmuck oder Goldbarren werden und präsentierte eine Fülle an Zahlen und Grafiken. Dabei nutzte Wild die Gelegenheit, um eine bestimmte Ziffer zu korrigieren, die seit Jahren herumgeistert: dass die Schweiz rund zwei Drittel des jährlich weltweit geschürften Goldes verarbeitet. Das sei falsch, sagte Wild, die korrekte Zahl sei ein Drittel. Konkret sind dies rund 1600 Tonnen, die jährlich in die Schweiz zur Raffination gelangen.
Das sei immer noch bemerkenswert, betonte Wild. Die Bedeutung der Golddrehscheibe Schweiz wird mit Blick auf weitere Daten deutlich. Die vier grossen Raffinerien im Tessin und in der Westschweiz liefern insgesamt Steuern in der Höhe von 40 Millionen Franken ab, beschäftigen 2000 Angestellte und importierten letztes Jahr Gold im Wert von 91 Milliarden Franken.
Doch die Industrie ist unter Druck, besonders wegen nicht abreissender Negativschlagzeilen. Dem möchte der Verband nun entgegentreten, indem er für schärfere Sanktionen und mehr Transparenz lobbyiert. Konkret fordert der Verband, dass die Aufsichtsbehörde mehr Kompetenzen erhält. Sie soll beispielsweise jährlich die Ergebnisse ihrer Kontrolltätigkeit publik machen. Damit wäre erstmals bekannt, wie oft Raffinerien bei Fehlverhalten von oberster Stelle gebüsst werden. Auch höhere Strafen bei Vergehen und die Einhaltung der OECD-Standards will die Branche ins Gesetz schreiben.
Für die schärferen Regeln, wie sie die Raffinerien selbst wünschen, will sich der Tessiner Ständerat Fabio Regazzi (Mitte) einsetzen. Er hat in der zuständigen Wirtschaftskommission die entsprechenden Anträge eingereicht. In der grossen Kammer waren diese Vorstösse noch durchgefallen. Jetzt soll es die «chambre de réflexion» richten. Die vorberatende Kommission diskutiert im Sommer darüber, in den Rat kommt das Geschäft voraussichtlich in der Herbstsession. Christoph Wild zeigte sich zuversichtlich, dass seine Botschaft ankommt. Schliesslich handle sich um einen «gutschweizerischen Kompromiss».
Sicher sein kann sich der ehemalige Chef der Tessiner Raffinerie Argor-Heraeus allerdings nicht. Bereits im Gespräch mit Nationalräten hatte Wild wohlwollende Rückmeldungen erhalten. Dennoch stürzten seine Vorschläge im Plenum ab. Bürgerliche versenkten die Verschärfungen wohl, weil sie von SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo und damit aus der linken Ecke kamen.
Sollte es wieder nicht reichen, möchte der Verband die Transparenz eigenhändig verbessern. Er plant eine digitale Plattform, um mehr Licht ins traditionell verschwiegene Geschäft zu bringen. Das sei allerdings nur der Plan B. Im Vordergrund stehe die Gesetzesänderung. Es gehe darum, den Standort Schweiz attraktiv zu behalten, sagte Christoph Wild. Dabei sei im globalen Konkurrenzkampf eine glaubwürdige Regulierung entscheidend. «Wenn uns das nicht gelingt, droht die latente Gefahr, dass Raffinerien aus der Schweiz abwandern», so Wild.