Die Meldung war knapp und kaum beachtet. Doch sollte sie wahr sein, dann wäre sie eine der grössten Sensationen der letzten Jahre.
Am 13. Juni 2022 verbreitete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) im deutschsprachigen Raum, dass im ostafrikanischen Uganda riesige Goldvorkommen entdeckt worden seien. Es werde geschätzt, dass aus diesen Vorkommen mehr als 320'000 Tonnen reines Gold gefördert werden könne, sagte Solomon Muita vom ugandischen Ministerium für Rohstofferschliessung und Energie.
320'000 Tonnen reines Gold ist mehr, als die Menschheit bis heute insgesamt in ihrer gesamten Geschichte abgebaut hat. Es wäre der grösste Goldfund in der Geschichte der Menschheit.
Im Laufe der Menschheits-Geschichte wurden etwa 205'238 Tonnen Gold gefördert – davon allein zwei Drittel seit 1950, schätzt das World Gold Council, die Lobbyorganisation der Goldminenindustrie. Und: Da Gold praktisch unzerstörbar ist, ist wohl fast das gesamte Metall in der einen oder anderen Form noch vorhanden.
Uganda has discovered 31 million tonnes of gold deposits worth $12.8 trillion according to the Government. pic.twitter.com/SFEEEwBllU
— Africa Facts Zone (@AfricaFactsZone) June 11, 2022
Der ugandische Goldfund wäre auf mehr als 12 Billionen Dollar (etwa 12 Billionen Schweizerfranken) dotiert. Zum Vergleich: Die Schweizer Nationalbank bunkert Goldreserven im Wert von 56 Milliarden Schweizer Franken (Stand 2020).
Kann das alles sein? Ist Uganda mit einem Schlag reich? Und was passiert mit dem Goldpreis?
Eine Spurensuche, was es mit der Meldung dieses schier unglaublichen Superlativs auf sich hat:
Eines ist klar: Die dpa, welche sich auf Solomon Muita beruft, ist nicht die einzige Quelle des Superfundes. Die Meldung wurde ursprünglich vom höchsten politischen Amt verkündet – dem ugandischen Präsidenten, Yoweri Museveni. Dieser sprach schon am 7. Juni 2022 während einer Rede zur Lage der Nation von dem Gold. Dabei erwähnte er auch mehrmals den geschätzten Wert des Fundes, der mehr als 12 Billionen US-Dollar betragen soll. Der Präsident sagte dabei auch: «Dieses Gold wird uns nicht weggenommen.»
Dieses Versprechen wird er jedoch kaum halten können. Denn nicht das ganze Gold bzw. nicht der komplette Wert des Goldes wird dem ugandischen Staat zur Verfügung stehen – egal, um wie viel Gold es sich tatsächlich handelt.
Denn im Normalfall fördern nicht Staaten das Gold auf ihrem Gebiet, sondern spezialisierte Goldbergbauunternehmen, die bestenfalls Lizenzverträge mit den Eigentümern des Landes oder den Staaten eingehen. Diese wiederum haben ebenfalls Interesse an der Wirtschaftlichkeit des von ihnen geförderten Rohstoffes.
Wer im Falle des ugandischen Goldfundes zum Zug kommt, ist bereits klar: das chinesische Minenunternehmen Wagagai Mining (U) Limited, wie Muita gegenüber ugandischen Medien bestätigte.
Interessant: Bei der Wagagai Mining handelt es sich keineswegs um einen der grossen Goldschürfer. Unter den weltweit zehn grössten Minenbetreibern befindet sich keine einzige chinesische Firma. Trotzdem soll die Firma bald 5 Tonnen Gold fördern – täglich. So zumindest sehen es die Pläne vor, wie Muita sagte. Auf ein Jahr hochgerechnet ergebe sich eine Neuproduktion von 1825 Tonnen. Dies entspricht rund 51 Prozent der im Jahr 2021 verzeichneten weltweiten Minenproduktion.
Sollten die Pläne dereinst tatsächlich realisiert werden können, würde Uganda auf einen Schlag zum grössten Goldproduzenten der Welt.
Die Wahl von Wagagai Mining ist wohl kein Zufall. Die Firma ist bereits heute einer der grossen Player im ugandischen Goldinvestment-Sektor. Und das Unternehmen baut nicht nur Gold ab, sondern seit 2016 auch eine Goldraffinerie in Uganda auf. 2025 soll die 200-Millionen-Dollar-Investition fertig sein.
Und solche Goldraffinerien sind für Uganda zukünftig relevant. Denn der Präsident Museveni verkündete in seiner Rede am 7. Juni ebenfalls, dass sein Land zukünftig kein Rohgold mehr exportieren werde, sondern dass das Gold direkt in Raffinerien im Land bearbeitet werden solle. Damit könne verhindert werden, dass Länder, die das Rohgold verarbeiten, finanziell mehr von ugandischen Rohstoffen profitierten als Uganda selbst. In Uganda macht der Verkauf von Rohgold bereits heute etwa 30 Prozent der Exporteinnahmen aus. Er belief sich im Jahr 2016 auf einen Wert von 514 Millionen Dollar.
Erst im März dieses Jahres hat die ugandische Regierung der Wagagai Mining die Genehmigung erteilt, mit der Verarbeitung von Gold zu beginnen. Das Unternehmen plane nun, jährlich 1000 Tonnen Gold für den Export zu verarbeiten, schrieb «The Independent» im März. Das chinesische Unternehmen Wagagai wird wohl das vermutete Gold nicht nur abbauen, sondern dieses auch gleich in Uganda raffinieren.
Chinas Investments gerade im Goldbergbau in Afrika sind nicht zufällig. Denn auf chinesischem Boden wird weltweit nicht nur am meisten Gold gefördert (380 Tonnen Gold waren es zum Beispiel im Jahr 2020 – das sind doppelt so viele Tonnen wie in den USA im gleichen Zeitraum), sondern in China herrscht auch die grösste Nachfrage nach Gold. Es ist also gut möglich, dass ein Grossteil des mutmasslichen Goldes, das in Uganda von einem chinesischen Bergbauunternehmen abgebaut und möglicherweise raffiniert wird, nach China exportiert wird.
In Uganda wird seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert nach Gold geschürft. Allerdings gab es lange keinen grossangelegten Gold-Bergbau, sondern die Goldgewinnung war Domäne von lokalen Bergleuten.
Ab den frühen 2000er-Jahren wurde der Bergbau in Uganda «investorenfreundlicher» gestaltet. In der Folge haben mehrere internationale Bergbauunternehmen Interesse an Uganda gezeigt und beträchtliches Kapital in den Bergbausektor investiert. So wurden in den letzten Jahren landesweit Erkundungsoperationen durchgeführt. «Zwei Jahre lang haben wir Luftbilder verwendet, um in ganz Uganda nach Goldadern zu suchen, und vielversprechende Gebiete durch physikalische und geochemische Analysen bewertet», sagte Muita gegenüber Reuters.
Und diese «Investorenfreundlichkeit» ist erst der Anfang, um die eigenen Goldminen für das Land wirtschaftlich ergiebig zu gestalten.
Uganda hat in den letzten Jahren Vorkehrungen getroffen, um von der Goldschürferei der neuen Investoren auch profitieren zu können: Lizenzgebühren und eine Beteiligung eines staatlichen Bergbauunternehmens sollen dem Land einen Anteil am Gold sichern. Und stellen bis auf Weiteres ein lukratives Geschäftsmodell für das Land dar.
Bereits 2021 billigte das Kabinett in Uganda den Entwurf eines Bergbaugesetzes, mit dem verhindert werden soll, dass Bergbauunternehmen sich auf Kosten von Einheimischen bereichern.
Sarah Opendi, Ministerin für Energie und Mineralien, erklärte Reuters damals, dass das ugandische Gesetz «staatliche Kapitalbeteiligung im grossen, mittleren und kleinen Bergbau» vorsehe. Dazu müsse das staatliche Bergbauunternehmen (NMC) jeweils mit 15 bis 35 Prozent an mittelgrossen bis grossen Mineralienprojekten beteiligt werden. Und Investoren sollten verpflichtet werden, mit der Regierung Vereinbarungen über die Produktionsaufteilung zu schliessen.
Zudem sollen Geldstrafen in Höhe von über 270'000 US-Dollar und Freiheitsstrafen von bis zu sieben Jahren Unternehmen davor abschrecken, illegalen Bergbau zu betreiben. Das Gesetz regelt zudem die Lizenzgebühren: Die Zentralregierung bekommt 65 Prozent, die lokale Bezirksregierung 20 Prozent, der Unterbezirk 10 Prozent und der eingetragene oder gewohnheitsmässige Eigentümer des Landes 5 Prozent der Lizenzgelder.
Am 17. Februar 2022 verabschiedete das Parlament das Gesetz. Für die neu entdeckten Goldadern kommen die neuen Bestimmungen bereits zum Zuge – und Uganda profitiert, bevor das erste Goldnugget auch nur gefördert wurde. Denn Beamte des ugandischen Ministerium für Energie und Mineralentwicklung haben das Kabinett darüber informiert, dass das Land in der Lage sei, knapp 700 Millionen US-Dollar allein an Lizenzgebühren einzunehmen, wie die ugandische Zeitung «Monitor» schreibt.
Was ist jetzt von der Meldung über diesen mutmasslichen Sensationsfund zu halten? Zumindest westliche Experten reagieren skeptisch – oder halten sich bedeckt.
Ein Grund für die Zweifel steckt im Verhältnis Erz zu Gold: Die 320'000 Tonnen Gold sind laut Minister Muita in 31'000'000 Tonnen Erz gebunden. Somit würde das Erz einen durchschnittlichen Goldgehalt von mehr als einem Prozent aufweisen.
Und bereits das wäre eine unglaubliche Sensation. Denn die Goldmine mit dem durchschnittlich höchsten Goldgehalt pro Tonnen Erz war 2015 die Fire-Creek-Mine in Nevada (USA): 44,1 Gramm Gold pro Tonne Erz (0,004 Prozent).
Ein Report aus dem Jahr 2013 der Natural Resource Holdings legte den durchschnittlichen Goldgehalt von 580 bekannten Goldminen auf lediglich noch 1–2 Gramm pro Tonne (0,0001–0,0002 Prozent) fest. Doch auch 2013 habe es weltweit noch 51 Projekte gegeben, in denen mehr als 5 Millionen Unzen Gold vermutet worden seien und die durchschnittlich mehr als 3 Gramm Gold pro Tonne Erz aufgewiesen hätten. (Um die Jahrtausendwende habe der durchschnittliche Goldgehalt pro Tonne Erz weltweit noch bei 4 Gramm gelegen, heisst es im Bericht weiter.)
Der Bericht von 2013 schliesst nicht aus, dass gerade in Afrika noch Erzvorkommen gefunden werden, die einen hohen Goldgehalt verbergen könnten. Denn der Report von Natural Resource Holdings gibt für 2013 in afrikanischen Gold-Deposits einen durchschnittlichen Goldgehalt von 2,87 Gramm pro Tonnen an (0,0003 Prozent) – der höchste Gold-pro-Tonne-Erz-Gehalt aller Kontinente. Auch dieser verhältnismässig hohe Erzgehalt ist weit entfernt von einem Prozent pro Tonne.
Cyril Chelle-Michou, Professor für mineralische Ressourcen an der ETH Zürich, äussert sich ebenfalls skeptisch gegenüber watson:
Der ETH-Experte vermutet darum einen Kommafehler bei der Umrechnung der Dezimalstellen in Tausender. Ein Kommafehler, der bei der Kommunikation über den Goldfund nicht ausgemerzt wurde.
Mehr als 90 Prozent des jährlich geförderten Goldes ist aktuell für Schmuck, Barren und Münzen bestimmt. Dies geht aus dem Gold-Report aus dem Jahr 2019 des auf Edelmetallmärkte spezialisierten Forschungs- und Beratungsunternehmen GFMS hervor.
Rund 9 Prozent des Goldes fliesst in weltweite Zentralbankreserven. Denn Gold kann von Staaten als Fremdwährungsreserve gelagert werden. Und nationale Goldreserven können in Krisenzeiten die Liquidität eines Landes sicherstellen, da sie trotz einer allfälligen Abwertung der Landeswährung einen Zahlungsausfall verhindern.
In der Schweiz wollen sich namhafte Edelmetall-Investoren nicht öffentlich zitieren lassen. Doch klar wird: Sie zweifeln an der Menge des Goldes, so wie es Uganda angibt – und somit auch an dem Geldwert.
Bezüglich des künftigen Goldkurses bleiben sie gelassen. Sie betonen gegenüber watson, dass der Goldpreis aktuell im Steigen begriffen sei und nicht etwa zusammenbreche aufgrund der Nachricht aus Uganda. Und sie sagen: Solange die Nachricht aus Uganda nicht verifiziert werden könne, werde dies wohl auch so bleiben.
Die Experten und der Edelmetall-Markt warten also auf «verifizierbare» Angaben aus Uganda.
Und die Meldung über den grössten Goldfund in der Geschichte der Menschheit wartet auf den ultimativen Beweis.
(Goldrausch in Alaska, DMAX)