Gibt es eine Beziehung zwischen Nationalität und Kriminalität? Diese Frage beschäftigt die Zürcher Politik nun seit drei Jahren. Die Stadt Zürich findet seit 2017, dass der Pass einer Person nichts darüber sagt, warum eine Tat begangen wurde. Ihre Polizistinnen und Polizisten nennen in Medienmitteilungen seither nicht mehr die Nationalität von Täterinnen, Tatverdächtigen oder Opfern. Für Statistiken werden die Angaben nach wie vor erfasst.
Das ärgerte besonders die SVP: Sie spricht von «Zensurpolitik» und kritisiert, so werde die «Ausländerkriminalität» verheimlicht. Sie will mit einer kantonalen Volksinitiative der Stadtpolizei diktieren, wie sie über Straftaten zu berichten hat.
Ihr Vorschlag geht dabei deutlich weiter als die frühere Praxis. Die SVP will, dass die Polizeien in ihren Medienmitteilungen nicht nur Nationalität, Alter und Geschlecht nennt, sondern auch den «Migrationshintergrund» auf Anfrage verrät.
Das kantonale Parlament und die Regierung lehnen die SVP-Initiative ab. Argumentiert wird, dass der Begriff «Migrationshintergrund» unklar sei. Der Zürcher SP-Justizminister Mario Fehr ging in seiner Kritik noch weiter: «Wir müssten bei der Polizei eine Art Ahnenforschungs-Abteilung ins Leben rufen.» Zudem sei er strikt dagegen, zwei Kategorien von Schweizern zu schaffen.
Ab wann eine Schweizerin oder ein Schweizer keinen sogenannten «Migrationshintergrund» hat, schreibt die SVP nicht vor. Unklar bleibt damit, wie die Initiative umgesetzt werden soll. Einen Ansatz zur Ahnenforschung könnte die Praxis des Bundes liefern. Das Bundesamt für Statistik zählt zur «Bevölkerung mit Migrationshintergrund»:
Die Regierung will die Volksinitiative mit einem Gegenvorschlag bodigen. Nicht etwa, weil sie die Chancen für die SVP-Initiative für gross hält, sondern sie unglücklich mit der Praxis der Stadt Zürich ist. Die Polizei der Kantonshauptstadt nennt seit 2017 die Nationalität nur auf Anfrage. Journalistinnen und Journalisten müssten heute aktiv nachfragen, dadurch liege der Fokus noch mehr auf die Nationalität.
Der Gegenvorschlag will, dass die Stadtpolizei sich der Praxis der Kantonspolizei anpasst. Diese nennt die Nationalität in ihren Mitteilungen – nicht aber den «Migrationshintergrund». Der Kantonsrat hat am Montag diesem Gegenvorschlag zu gestimmt.
Die Nationalitäten-Nennung hätte zur beschlossenen Sache werden können. Die SVP erkannte in der Debatte selbst, dass ihre Volksinitiative wegen des «Migrationshintergrunds» einen Schwachpunkt habe. Käme es zum Rückzug der Initiative, wäre die Bahn frei für den Gegenvorschlag.
Nun droht aber so oder so eine Abstimmung. Ein Komitee, bislang bestehend aus den Jungen Grünen, Juso, der Alternativen Linken und dem Verein Secondas, will das Referendum gegen den Gegenvorschlag ergreifen.
Delio Zanovello, Co-Präsident der Zürcher Junge Grüne, stört sich am Kerngehalt von Volksinitiative und Gegenvorschlag. «Hier wird versucht, eine Straftat nur mit der Herkunft von Täterinnen oder Opfern zu erklären», sagt er zu watson.
Kriminell werde man nicht, weil man einen bestimmten Pass habe, sondern aus sehr vielen anderen Gründen. Auch sei der Begriff «Migrationshintergrund» unklar. Im Gespräch mit watson fragt er: «Gilt eine Ur-ur-ur-ur-Grossmutter aus Frankreich schon als Migrationshintergrund?»
Das Referendumskomitee hat 60 Tage, 3000 Unterschriften zu sammeln. Die SVP kündigte an, an ihrer Volksinitiative festzuhalten, falls das Referendum ergriffen wird. Tut sie dies, wird das Volk über beide Vorlagen abstimmen müssen.
Der #Kantonsrat sagt deutlich ja zum Gegenvorschlag, damit muss die #Polizei künftig wieder im ganzen Kanton #Nationalitäten von Tätern nennen. Damit wird der wichtigste Teil unserer Forderung erfüllt. Wenn kein Referendum ergriffen wird ziehen wir die Initiative zurück. pic.twitter.com/694uG2Iwr7
— SVP Kanton Zürich (@svpzh) March 9, 2020
Dass damit die Ressentiments gegenüber allen Mitbürgern mit Migrationshintergrund geschürt werden, ist ja ganz im Interesse der Einthemen-Partei, weil sie sich ja sonst mit den wirklichen Problemen unserer Zeit befassen müssten und ihnen ihre Legitimation abhanden käme.
Die Medien nennen diese aber dann auch immer in der Berichterstattung, da die Mehrheit der Bevölkerung dies scheinbar möchte, was ich viel trauriger und erschreckender finde. Die Nationalität hat mit der Tat statistisch wenig zu tun, lernte ich zumindest vom Studiengang forensische Wissenschaften an der UNIL.....