Zürcher Modemarke Vetements mit schweren Vorwürfen konfrontiert – eine Übersicht
Breite und ausgelassene Bomberjacken, ausgewaschene Jeans, bedruckte T-Shirts und klobige Schuhe. Der Wiedererkennungswert der Zürcher Kleidungsmarke Vetements liegt in ihrem schlichten, doch auffallenden Style.
Laut dem Schweizer Handelsregister ist der Hauptsitz von Vetements in Wiedikon an der Binzstrasse. Bestellen kann man die Kleidung nur online.
Ein Label, das aus dem Nichts kam, hinter dem jedoch zwei streitende Brüder steckten, wie ein Bericht vom «Spiegel» zeigt. So sehen die Vorwürfe aus.
Die Brüder
2014 kam das Label in der Modewelt auf. Gegründet von zwei Brüdern: Demna und Guram Gvasalia. Eigentlich als Gegenentwicklung zur elitären Modebranche. Die Idee: Eine Marke gründen und Kleidung designen, die Menschen auch im Alltag tragen können.
Demna galt als Talent in der Modewelt, wie der «Spiegel» schreibt. Doch er verliess die gemeinsam gegründete Marke 2019 und ging zur Modemarke Balenciaga, wo er die kreative Leitung übernahm. Seit Anfang 2025 ist er Chef von Gucci. Den gemeinsamen Nachnamen der Brüder hat Demna mittlerweile abgelegt.
So sieht ein Kleid von Vetements aus:
Guram, der jüngere der beiden Brüder, führte das Label Vetements weiter und gründete 2021 zusätzlich das Unterlabel VTMNTS. Heute soll er von ehemaligen Mitarbeitern «Diktator» genannt werden. Die Vorwürfe wiegen schwer.
Der Alltag zwischen fressen oder gefressen werden
Der «Spiegel» hat mit ehemaligen Mitarbeitern von Vetements und VTMNTS gesprochen, diese schildern die Arbeitsverhältnisse unter dem «Diktator».
Wer bei der Modemarke neu angefangen habe, habe einen Platz im Büro erhalten und es habe geheissen, man solle einfach mal loslegen. Die ersten zwei Punkte, die man gelernt habe, waren laut ehemaligen Mitarbeitern und Praktikanten:
- Schau und sprich Guram Gvasalia nicht an. Er entscheidet, mit wem er spricht und wann er dies tut.
- Es gilt das Motto: Friss oder stirb – entweder man passt sich an oder man muss gehen.
Fehler seien unvermeidbar, da man einfach mal machen soll, berichten die Ehemaligen. Doch die gemachten Fehler würden einem übel genommen. So habe Guram die Praktikanten bei den kleinsten Fehlern beschimpft – mit Ausdrücken wie «du Idiot» oder «sei ruhig, du bist dumm». Er soll Möbel umgeworfen und ordentlich geordnete Drucke vom Tisch gewischt haben.
Zeitdruck soll Tagesordnung gewesen sein, man hätte frühestens um 22 Uhr Feierabend gehabt. Dies berichten ehemalige Mitarbeiter. Auf Anfrage des Spiegels habe Guram nicht auf die Vorwürfe geantwortet.
Die Überwachung
Der «Spiegel» hat mit mehreren ehemaligen Mitarbeitern von Guram gesprochen, diese schildern alle dieselben Umstände. Oft hätten sie bis in die Nacht gearbeitet, während der Vorbereitung für Fashion-Shows sogar bis in die frühen Morgenstunden.
Guram habe Überwachungskameras im Büro installieren lassen, auf die er von seinem Handy aus zugreifen konnte. So soll er kontrolliert haben, wer wirklich wie lange gearbeitet habe. Mehrere ehemalige Mitarbeiter berichten, dass sie wegen weniger Minuten Verspätung in Gurams Büro zitiert worden seien und er sie zurechtgewiesen habe.
Wie der Rechtswissenschaftler Roger Rudolph gegenüber dem «Spiegel» sagt, sind systematische Verhaltensüberwachung von Mitarbeitenden illegal. Auch sei es ein klarer Rechtsverstoss, Kameras in einem Grossraumbüro zu installieren.
Zoff zwischen den Brüdern
Als die Brüder noch zusammengearbeitet haben, pendelte Demna zwischen seinem Job bei Balenciaga in Paris und Zürich hin und her. Guram blieb zurück. In dieser Zeit soll er versucht haben, Einfluss auf die Kreativarbeit bei Vetements zu nehmen. Doch die Mitarbeitenden hätten ihn nicht ganz ernst genommen. Er habe Sachen entwerfen wollen, die sich einfacher verkaufen lassen, wird ihm vorgeworfen.
Wenn beide Brüder in Zürich waren, soll es immer wieder Streit gegeben haben. Von Demna seien Anweisungen gekommen, Guram habe dann jeweils etwas ganz anderes gewollt und die Mitarbeiter dementsprechend beauftragt. So sollen die Brüder regelmässig aneinander geraten sein.
Schwächeanfälle an der Pariser Fashion Week
Besonders prekär soll die Lage während der Pariser Fashion Week gewesen sein. Diese bedeutet für alle Labels hunderte Arbeitsstunden bis tief in die Nacht, um die Kollektionen zustande zu bringen. Bei Vetements soll diese Ausgangslage aber offenbar eine ganz andere Dimension erreicht haben.
Laut einem ehemaligen Mitarbeiter sollten zehn Angestellte die Arbeit erledigen, für die es normalerweise 100 Leute brauchen würde. Für Pausen sei keine Zeit geblieben. Die Folgen davon seien Schwächeanfälle und Kreislaufzusammenbrüche gewesen. Doch Guram soll gefordert haben, dass die Produktion weitergehen müsse.
Das Sprungbrett
In der Luxusmode gibt es zwei Saisons: Frühling und Winter. Auf beide Saisons folgen Modeshows und neue Kollektionen. Laut ehemaligen Mitarbeitern von Vetements hätten nach jeder Saison Leute gekündigt oder ihnen sei gekündigt worden.
Insgesamt soll das Team immer aus rund 30 Personen bestanden haben, hauptsächlich aus Praktikanten. Diese sollen die Hauptarbeitsträger des Modelabels gewesen sein, angeblich mit einem Lohn von 1000 Franken pro Monat.
Die Wahrheit sei jedoch auch, dass Vetements für viele der ehemaligen Praktikanten ein Sprungbrett in die Luxusmodewelt gewesen sei. Ohne Vetements im Lebenslauf wären sie heute nicht dort, wo sie sind. (nib)