Es kommt nicht oft vor, dass die Sitzung eines Kantonsparlaments noch tagelang für Gesprächsstoff sorgt. Was sich am Montag in der Bullingerkirche zutrug, bewegt im Kanton Zürich die Gemüter.
Die Geschäftsprüfungskommission stellte ihren Bericht vor. Sie kritisierte ein Informatikprojekt der Justizdirektion: Nach Jahren hatte diese die Einführung einer neuen Software abgebrochen – und flugs ohne Ausschreibung einen neuen Auftrag vergeben. Die Kommission beschäftigte sich mit weiteren Angelegenheiten der Justizdirektion, die in fragwürdiger Weise abgewickelt worden waren.
Mitglieder der Kommission sprachen im Kantonsrat über diese Themen. Sie taten das nicht polemisch oder in einem anklagenden Ton. Dann verlangte SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr das Wort.
Sie sagte, dass in der Kommission der Wurm drin sei. Sie stellte die Integrität des Gremiums infrage – ohne die Vorhaltung zu begründen. Sie redete von einer «Gruppe von Besserwissern.» Es scheine, dass die Kommission verpolitisiert sei in ihrer Aufsichtstätigkeit und «zwei Stunden of fame» nutzen wolle, um eine Schlagzeile zu produzieren.
Die Kommission ist unter anderem dazu da, um die Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Regierungsrates wahrzunehmen. Dieser Gruppe unterstellte Regierungsrätin Fehr nun, dass sie nicht aus sachlichen, sondern aus politischen Gründen in ihrer Direktion herumwühle.
Die SVP forderte Jacqueline Fehr nach der Sitzung zum Rücktritt auf. Aufgrund des mangelnden Respekts gegenüber dem Parlament sei sie nicht länger tragbar.
FDP-Fraktionschef Claudio Zihlmann sagt auf Anfrage, dass ihn die Aussagen von Regierungsrätin Fehr erschüttert hätten. «Ihre Vorhaltungen an die Geschäftsprüfungskommission sind absurd. Es drängt sich die Frage auf, ob die Justizdirektorin die Gewaltentrennung akzeptiert oder nicht. Ich erwarte, dass sich Frau Fehr umgehend bei der Kommission und beim ganzen Kantonsrat entschuldigt für ihre haltlosen Unterstellungen.»
Die Co-Präsidentin der Kantonalzürcher SP, Michèle Dünki-Bättig, verteidigt Fehr: «Die Geschäftsprüfungskommission hat sich in ihrem Bericht viel stärker mit der Justizdirektion beschäftigt als mit anderen Direktionen. Es ist darum verständlich, wenn sich der Eindruck der Einseitigkeit einstellt.»
Jacqueline Fehr ist eine Politikerin, die im ganzen Land bekannt ist. Die Winterthurerin war lange im Nationalrat und setzte sich erfolgreich für die Einführung der Mutterschaftsversicherung und die Anschubfinanzierung der Kinderkrippen ein. Sie kandidierte 2010 für den Bundesrat. Und unterlag Simonetta Sommaruga klar.
Dann wollte sie Fraktionschefin der SP werden – und scheiterte erneut, gegen einen Aussenseiter. Fehr war nie verlegen, wenn es darum ging, jemandem die Schuld zuzuweisen. Das tat sie gerne innerhalb der eigenen Partei. Verlor die SP die nationalen Wahlen, erklärte Fehr, dass die grossen Städte daran schuld seien. Sie zeigte damit auf Sozialdemokraten, die dort in der Exekutive sassen.
In einem Interview mit der «Wochenzeitung» zählte Fehr vor zwei Jahren die wichtigsten Merkmale erfolgreicher Politikerinnen und Politiker auf: «relevant, einflussreich, vertrauenswürdig.» Es war offensichtlich, dass sie sich selber meinte. Exzessives Eigenlob ist den meisten Politikern peinlich. Donald Trump und Jacqueline Fehr fühlen sich wohl dabei.
Fehr gilt nicht als schlechte Justizdirektorin. Aber sie reagiert unsouverän, wenn sich Probleme ergeben. Die spektakuläre Entgleisung gegenüber dem Kantonsrat bringen einige Beobachter damit in Verbindung, dass die 61-jährige Fehr als Politikerin auf der Zielgeraden sei. 2027 werde sie nach zwölf Amtsjahren wahrscheinlich abtreten. Sie nehme darum weniger Rücksichten als früher – und zeige ihre schlechten Seiten umso klarer.
Die Aufregung im Kanton Zürich hängt auch damit zusammen, dass von den sieben Regierungsräten vier bis fünf am Ende ihrer politischen Laufbahn stehen. Kurz vor Schluss tut man sich gegenseitig nicht mehr weh. Die Exekutive gilt als schwach. Jacqueline Fehrs Fauxpas passt in dieses Bild: Die Regierung des einwohnerstärksten Kantons ist aus dem Tritt geraten. Sie bedarf der Erneuerung.
Auf die Frage, ob eine Entschuldigung bei der Parlamentskommission angezeigt sei, antwortet Hannes Nussbaumer von der Zürcher Justizdirektion: «Jacqueline Fehr nimmt die Befunde der Geschäftsprüfungskommission und ihrer Subkommission ernst. Geschäftsprüfungskommissionen haben in unserem Staat eine sehr wichtige Rolle. Darüber hinaus möchte sie sich nicht mehr äussern.»
nebenbei, eine GPK sollte nicht derart kritisiert werden von frau fehr. das sind unterstellungen. ich nehme ja an, dass in der GPK alle partien vertreten sind, da sollte es nicht um politisches geplänkel gehen, sondern um prüfung der geschäfte, aus sicht einer neutralen position.
Sie kann ihr Amt nicht mehr vom Parlament/Rat und dessen Kontrollmechanismen trennen.