Das USZ lässt die Affäre Maisano untersuchen. Am Donnerstag setzte das Spital eine Untersuchungskommission unter Leitung von alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer ein. Diese soll die Ereignisse rund um 350 Todesfälle an der Klinik für Herzchirurgie beleuchten. Der Vorgang ist die neueste Wendung in dem fürs Unispital Zürich desaströsen Fall, der Politik und Justiz seit Jahren beschäftigt, ohne dass ein eindeutiges Fazit zu den Vorwürfen gegen den ehemaligen Professor für Herzchirurgie, Francesco Maisano, getroffen werden konnte.
Doch während die Affäre in der Schweiz weite Kreise zieht, ist der Protagonist davon nur wenig betroffen. Mediziner Maisano, der in der internationalen Fachwelt trotz der ungeklärten Zürcher Ereignisse höchstes Ansehen geniesst, wechselte nach seinem Rauswurf 2021 an seine alte Wirkungsstätte nach Mailand, wo er vor seiner Zeit in Zürich bereits zwölf Jahre als Arzt gearbeitet hatte. In Mailand amtet Maisano als Direktor des Herzklappenzentrums des Spitals San Raffaele sowie als ordentlicher Professor für Herzchirurgie.
Wie Recherchen dieser Zeitung zeigen, konzentriert Klinikchef Maisano sich dort nicht nur auf die üblichen Operationen, die in der herzchirurgischen Praxis bereits etabliert sind. In diesem Jahr hat er bereits mehrere Studien zu Herzoperationen publiziert, die experimenteller Natur sind. Mindestens eine der Operationen wird bereits im Titel als «Erste Implantation bei einem Menschen» angepriesen. Maisano ist bei der Publikation als Letztautor genannt, was in der medizinischen Praxis bedeutet, dass er Ideengeber und Chef der Operation war.
Bei der obligatorischen Deklarierung von Interessenkonflikten zur Studie geben zwei Autoren an, von der Industrie Sponsoringgelder und andere finanzielle Abgeltungen erhalten zu haben. Einer davon ist Professor Francesco Maisano, der just wegen solcher Geldzuwendungen in Zürich bereits heftig kritisiert wurde. Dies mag einen merkwürdigen Beigeschmack haben. Doch solche Zuwendungen sind gerade in der Herzchirurgie im Rahmen von Studien zu neuen Herzklappenprodukten üblich - unabhängig davon, ob das ein sinnvolles System ist, um sichere Innovationen zu schaffen.
Auf Anfrage dieser Zeitung wollte sich die Klinik, in der Francesco Maisano seine Forschung betreibt, nicht äussern. Fragen dazu, ob es gerechtfertigt ist, dass der Professor noch vor der Klärung der Sachverhalte in Zürich weiter neuartige Medizinprodukte an Patienten testen kann, blieben unbeantwortet.
Maisanos Engagement bringt dem Mailänder Spital zumindest in der Fachwelt trotz allem ein gewisses Renommee. So war Maisano allein in diesem Jahr schon an vierzig Publikationen in medizinischen Fachzeitschriften beteiligt. Zudem ist der Mann bei Ärztinnen und Ärzten bestens bekannt, spätestens seit er 2019 den wichtigen Hauptvortrag an der Kardiologentagung in Paris gab. Dass diese Ehre einem Herzchirurgen bei einem Kardiologenkongress zuteilwurde, ist äusserst ungewöhnlich.
Ist Francesco Maisano nun einfach ein guter Wissenschafter, dem in Zürich einmal ein Fehler unterlief, und der nun zurecht wieder Forschung betreibt und seine einzigartige Expertise nutzt? Oder ist er doch eine zwielichtige Figur, die aufgrund von persönlichen Beziehungen einfach wieder in einem anderen Land weitermachen kann? Die Antwort auf diese Frage lässt sich angesichts der Komplexität des Falls zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten.
Sie wird auch unter Ärzten emotional diskutiert. Wenn man mit Zürcher Herzchirurgen spricht, erhält man zum Namen Maisano und zu dessen Jahren in Zürich komplett gegenteilige Auskünfte. Für die einen war Maisano ein Pionier, der den Stand von Zürich als Herzchirurgiezentrum Europas gestärkt hat und auch menschlich ohne Tadel war. Für andere ist Maisano ein despotischer Betrüger, der auch strafrechtlich belangt gehört. Grautöne zum Fall vernimmt man kaum.
Unabhängig von der Schuld oder Unschuld Maisanos haftet der Herzchirurgie des Unispitals Zürich damit auch weiterhin der Ruf einer vergifteten Atmosphäre an. Schon seit Jahrzehnten kommt es dort immer wieder zu Abgängen unter fragwürdigen Umständen. So floh schon in den 1970er-Jahren Andreas Grüntzig, Weltstar der Herzchirurgie, nach der Erfindung des Ballonkatheters in die USA, wo er letztlich die gebührende Anerkennung für jene Erfindung erhielt, die Millionen Menschen das Leben rettete. (aargauerzeitung.ch)
Das erachte ich als fragwürdig, ja sogar kriminell.