Beim Prozess um einen tödlichen Streit in Zürich-Affoltern haben sich zwei der drei Beschuldigten am Mittwoch geläutert gegeben. Der Hauptbeschuldigte, dem Mord vorgeworfen wird, verweigerte hingegen jegliche Aussage zur Tat. Ihm wird vorgeworfen, im März 2015 einen langjährige Kontrahenten erschossen zu haben.
Zu Beginn der Verhandlung kam es zu einem Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Gericht. Nachdem der Gerichtspräsident erklärt hatte, das Gericht weise sämtliche Beweisanträge ab, welche die Verteidigung vor einer Woche gestellt hatte, stellten die beiden Verteidiger umgehend Befangenheitsanträge.
Damit habe das Gericht gerechnet, sagte der Richter. Er untersagte den Antragsstellern jedoch, ihre Anträge zu begründen. Darauf schimpfte der eine Verteidiger, dies sei «eine prozessuale Sauerei», wogegen sich der Gerichtspräsident verwahrte. Unbeeindruckt von den Verteidiger-Tiraden fuhr er mit der Verhandlung fort.
Der Hauptbeschuldigte beantwortete nur Fragen zu seiner Person. Auf Geheiss der Verteidiger mache er bei den Fragen zur Sache von seinem Aussage-Verweigerungsrecht Gebrauch, sagte der 36-Jährige Schweizer, der sich im vorzeitigen Strafvollzug befindet.
Ihm werden Mord und Mordversuch sowie eine Reihe weiterer Delikte vorgeworfen. Er gibt zu, geschossen zuhaben, verneint aber jegliche Tötungsabsicht und macht Notwehr geltend.
Das Gericht machte den Beschuldigten auf Ungereimtheiten in seinen Angaben während der Untersuchung aufmerksam, etwa bezüglich des Einreisejahrs aus dem Kosovo - er war noch ein kleines Kind -, die Anzahl seiner Geschwister und seine Arbeitsstellen. Ausser die Zahl der Geschwister konnte er die Angaben aber nicht präzisieren.
Der mehrfach vorbestrafte Mann hat laut dem psychiatrischen Gutachter eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Die Störung sei allerdings nicht schwer, und die Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit gegeben. Um seine Rückfallgefahr zu senken, müsse er vor allem die «subkulturellen Einflüsse» seines Freundeskreises senken.
Die beiden Mitbeschuldigten, die beide auf freiem Fuss sind, gaben bereitwillig Auskunft. Ihnen werden Körperverletzung, Angriff, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und weitere Delikte vorgeworfen, dem jüngeren zudem Gehilfenschaft zu vorsätzlicher Tötung. Er soll den Revolver mitgebracht haben.
Beide gaben sich geläutert. Der eine, ein 25-jähriger Türke, der in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist, entschuldigte sich ausdrücklich bei der Opferfamilie. Er schäme sich. Es sei ihm bewusst, dass er «hier stehe, weil ich Mist gebaut habe».
Er erzählte von seinen Aus- und Weiterbildungen, seinen Plänen für die Zukunft, die er sich solide und rechtschaffen vorstellt. Er wolle durchaus eine Therapie machen, versicherte er, aber erst wolle er seine Strafe absitzen und alles abschliessen.
Der andere Mitbeschuldigte, ein 35-jähriger Tschetschene, der als vorläufig Aufgenommener in der Schweiz lebt, gab zwar zu, am Tag vor dem tödlichen Vorfall einen Kontrahenten geschlagen zu haben. Dass er aber an jenem frühen Morgen des 1. März 2015 dem späteren Opfer einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht versetzt habe, verneinte er.
Auch er schilderte sein jetziges Leben positiv. Er habe sich einen kleinen Handwerksbetrieb aufgebaut. Sozialhilfe beziehe er längst nicht mehr. Und er werde demnächst heiraten.
Am Nachmittag kommt der Staatsanwalt mit seinem Plädoyer zu Wort. Dann werden auch seine Strafanträge bekannt. Nach ihm sind die Vertreter der Privatkläger an der Reihe, danach die Verteidiger. Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt. Wann die Urteilseröffnung ist, steht noch nicht fest. (sda)