Schweiz
Zürich

Zürcher Kantonsrat erteilt «teuerstem Wanderweg der Schweiz» eine Abfuhr

10.06.2019, Bayern, Schwangau: Ausfl
Nein, dieser Uferweg ist nicht am Zürichsee (Archivbild vom Forggensee in Bayern).Bild: DPA

Zürcher Kantonsrat erteilt dem «teuersten Wanderweg der Schweiz» eine Abfuhr

Der Kantonsrat hat am Montag entschieden, die «Uferinitiative» zur Ablehnung zu empfehlen. Die Debatte war auch von Neid(-vorwürfen) geprägt. Die Initiantin warf aber ein: «Es geht nicht um Klassenkampf.»
02.10.2023, 13:3502.10.2023, 18:41
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Der Kantonsrat hat am Montag entschieden, die «Uferinitiative» des Vereins «Ja zum Seeuferweg» zur Ablehnung zu empfehlen. Diese Initiative, die von links-grüner Seite unterstützt wird, fordert bis 2050 einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee, wenn nötig mithilfe von Enteignungen. Abgestimmt wird am 3. März 2024.

Das Parlament beschloss mit 97 zu 74 Stimmen, die «Uferinitiative» abzulehnen. Für die Initiative stimmten SP, Grüne und AL.

Sie kritisieren, dass noch mindestens ein Drittel der Strecke rund um den Zürichsee fehlt – und dies, obwohl ein Uferweg seit Jahrzehnten im Richtplan verankert sei und der Kanton dafür jedes Jahr vier Millionen Franken ins Budget aufnehme.

Das Ufer gehört der Bevölkerung

«Es geht überhaupt nicht vorwärts», kritisierte Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach). Für ihn ist das «regierungsrätlicher Schlendrian». SP, Grüne und AL betonten zudem, dass Seeufer gemäss nationaler Gesetzgebung öffentlich seien. Die Ufer des Zürichsees gehörten also eigentlich der Bevölkerung, nicht den Villenbesitzern.

SP-Kantonsrat Jonas Erni hält fest: «Die andauernde Verhinderungs- und Verweigerungspolitik, was die Planung und Umsetzung der Uferwege um den Zürichsee anbelangt, muss endlich ein Ende haben.»

Die «Uferinitiative» würde den Bau eines Uferwegs mit Fertigstellungsdatum 2050 in der Verfassung verankern. Wie viel der Spazierweg kostet würde, ist jedoch schwierig abzuschätzen. Der Regierungsrat nannte Beträge zwischen 370 Millionen Franken bis weit über eine halbe Milliarde Franken, in erster Linie, weil dafür in langen Rechtsstreitigkeiten teures Land enteignet werden müsste.

«Es geht nicht um Klassenkampf»

Die Initianten stellen sich aber auf den Standpunkt, dass die Hausbesitzer am See nur beschränkte Rechte besässen und nicht teuer enteignet werden müssten. Dies, weil es sich beim Ufer des Zürichsees fast komplett um «künstliches» Land handelt, das im 19. und 20. Jahrhundert aufgeschüttet worden war.

Der Kanton hatte sich bei der Abgabe des – damals noch wenig begehrten – Landes gewisse Rechte gesichert, allerdings ist strittig, welche das sind.

Julia Gerber Rüegg, Präsidentin des Vereins «Ja zum Seeuferweg», betonte, dass es bei dieser Initiative nicht um Klassenkampf gehe. Es gehe auch nicht um einen Angriff auf das Privateigentum. Sie sagte:

«Unsere Ziele sind die Stärkung des Naturschutzes in den Gewässerräumen und die Vollendung des Seeuferwegs.»

SVP: «Der teuerste Wanderweg der Schweiz»

Mögliche Enteignungen sind einer der Hauptgründe, weshalb die Bürgerlichen gegen die «Uferinitiative» sind. Das sei klassenkämpferische Zwängerei, sagte SVP-Kantonsrat Domenik Ledergerber (Herrliberg). Auch die SVP sei dafür, den Zugang zum See zu verbessern. «Aber punktuell, nicht mit der Brechstange.»

«Das ist ein Luxusprojekt für Seegemeinden, der teuerste Wanderweg der Schweiz.»

Man dürfe auch nicht vergessen, dass nicht alle am Zürichsee leben würden. «Das ist ein Luxusprojekt für Seegemeinden, der teuerste Wanderweg der Schweiz.»

FDP und Mitte: «Es geht um Neid»

Für Sonja Rueff-Frenkel (FDP, Zürich) geht es bei der «Uferinitiative» eindeutig nicht um die schöne Aussicht, sondern um Neid. Und weiter:

«Die Initianten gönnen es niemandem, am See zu wohnen.»

Gleicher Ansicht war die Mitte. «Es geht primär um Neid gegenüber jenen, die an privilegierter Lage wohnen», sagte Marzena Kopp (Meilen). Würde es den Initianten um die Natur gehen, würden sich diese sicher nicht dafür einsetzen, dass sich Menschenmassen am Ufer ausbreiten würden, sagte sie weiter.

Die Regierung lehnt die Initiative ebenfalls ab. Sie warnt nicht nur vor den Kosten, sondern bezweifelt ebenfalls, dass ein Uferweg dem Naturschutz diene, wie es die Initianten betonen. «In der Regel sind Menschenmassen nicht dazu geeignet, der Natur zu helfen», sagte Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP).

GLP beschliesst Stimmfreigabe

Die GLP beschloss Stimmfreigabe. Sie brachte selber einen Gegenvorschlag ein, der auf die Landbesitzer Rücksicht nehmen wollte und keinen Zeitpunkt der Fertigstellung enthielt. Dieser Vorschlag hatte jedoch mit 147 Nein zu 22 Ja keine Chance. (sda/jaw)

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147 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ELMatador
02.10.2023 13:41registriert Februar 2020
Klar haben wir Neid, Neid gegenüber denen die sich vor 200 Jahren einen Seezugang kaufen konnten. Die Zuganäge zu See- und Flussufern sollte für alle ungehindert möglich sein.
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H.P. Liebling
02.10.2023 13:50registriert September 2018
Ein bisschen Neid auf diejenigen, welche vor 200 Jahren diese Grundstücke erwerben konnten und jetzt darauf hocken wie "Gluggere" und jedem anderen den Zugang zu seinem See verwehren, ja, den kann ich schon ein bisschen nachvollziehen. Abgesehen von Erben und Vererben haben diese Grundeigentümer nicht viel geleistet, für die Allgemeinheit schon gar nicht. Und trotzdem hat sich - ohne auch nur einen Finger krumm zu machen - über die Jahre ein entsprechendes Multimillionenvermögen angehäuft welches notabene nicht einmal vernünftig besteuert wird.
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B-Arche
02.10.2023 13:43registriert Februar 2016
In NYC gehören die Strände zu NYC Parks. Damit sind die Boardwalks durchgängig. Auch am Hudsonufer gibt es einen durchgängigen Weg und der neue Park musste auch kostenlos sein...
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