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Studie: Wer Abnehmspritze Wegovy absetzt, nimmt innert Kürze wieder zu

Studie enthüllt: Wer Abnehmspritze Wegovy absetzt, nimmt innert Kürze wieder zu

Die Abnehmspritzen wirken zuverlässig. Solange man sie nimmt. Studien zeigen, wie hart der Jo-Jo-Effekt danach zurückschlägt. Pharmafirmen wollen derweil mit neuen Wirkstoffen gegensteuern.
18.08.2025, 03:5418.08.2025, 10:37
Stephanie Schnydrig / ch media
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Vermutet wird es seit langem, gern mit Häme kommentiert: «Wenn die erst mal aufhören zu spritzen, kommt eh wieder alles zurück.» Gemeint sind die Abnehmspritzen Wegovy, Mounjaro und andere. Der Effekt der GLP-1-Wirkstoffe ist eindrücklich, dennoch zahlen Krankenkassen Wegovy nur für drei Jahre. Die Kosten für Mounjaro werden gar nicht übernommen.

FILE - Donna Cooper holds up a dosage of Wegovy, a drug used for weight loss, at her home in Front Royal, Va., on Friday, March 1, 2024. (AP Photo/Amanda Andrade-Rhoades, File)
Donna Cooper
In der Schweiz wird die Fettwegspritze so oft eingesetzt wie sonst kaum in einem anderen Land.Bild: keystone

Hinzu kommt: Viele setzen die Medikamente aus freien Stücken früh wieder ab, wie eine im Fachblatt «Obesity» veröffentlichte Studie zeigt: Nach drei Monaten verabreichten sich nur noch 44 Prozent der Patientinnen und Patienten die Spritze, nach einem Jahr noch 19 Prozent. Gründe gibt es viele: teils heftige Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall, Verstopfung, Müdigkeit. Manche steigen aber auch aus Enttäuschung aus, wenn der Gewichtsverlust langsamer verläuft als erhofft.

Ist die Spritze abgesetzt, beginnt  der eigentliche Kraftakt: das Gewicht ohne medikamentöse Unterstützung zu halten. Dass das kaum jemand schafft, bestätigt nun eine neue Metaanalyse im Fachjournal «BMC Medicine» mit insgesamt rund 2400 Teilnehmenden. Diese verloren demnach kurz nach dem Absetzen der Spritze zwar noch ein wenig weiter an Gewicht. Doch bereits zwei Monate später ging es wieder deutlich hoch. Dabei spielte es keine Rolle, wie alt die Betroffenen waren, ob Mann oder Frau und ob Begleiterkrankungen vorlagen oder nicht. Und selbst jene, die sich weiter gesund ernährten und Sport machten, nahmen genauso zu wie die anderen.

Begrenzung der Therapiedauer sinnlos

Marco Bueter, Chefarzt Viszeralchirurgie im Spital Männedorf und Präsident der Schweizer Adipositasgesellschaft, überrascht das nicht:

«Adipositas ist eine chronische Krankheit. Man kann sie nicht heilen, bestenfalls kontrollieren.»

Bueter zieht einen Vergleich mit anderen chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Rheuma. «Es macht keinen Sinn, die Therapiedauer von solchen Erkrankungen zu begrenzen. Hören Bluthochdruckpatienten auf, Blutdrucksenker zu nehmen, geht der Blutdruck wieder hoch.» Genauso sei es auch bei Abnehmspritzen und Adipositas.

Marco Bueter, Chefarzt Viszeralchirurgie, Gründer der Praxis Viszeramed und Präsident der Schweizer Adipositasgesellschaft (Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders, kurz  ...
Marco Bueter ist Chefarzt Viszeralchirurgie, Gründer der Praxis Viszeramed und Präsident der Schweizer Adipositasgesellschaft (Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders, kurz SMOB).Bild: zvg/chmedia

Aus Sicht Bueters ist die Stigmatisierung bei Adipositas nach wie vor das zentrale Problem:

«Dicke gelten als faul und dumm. Dieses Stigma sitzt tief in der Bevölkerung, im Gesundheitssystem und in den Betroffenen selbst.»

Und führe zu völlig missverstandenen Strategien in der Behandlung der Erkrankung. «Jemandem mit BMI über 35 zu gesunder Ernährung und Sport zu raten, ist wie einem Lungenkrebspatienten zu sagen: Hör auf zu rauchen. Das ist gut gemeint, heilt den Krebs aber nicht.» Auch der Appell an Eigenverantwortung sei fehlgeleitet:

«Iss weniger – das ist wie einem Depressiven zu sagen: Sei mal fröhlicher.»

Jo-Jo-Effekt zerstört Stoffwechsel

Wer nach Therapieende wieder zunimmt, schadet auch seinem Stoffwechsel. Das Tückische ist nämlich, dass bei Gewichtsverlust nicht nur Fett-, sondern auch Muskelmasse verloren geht. Kommt das Gewicht zurück, kommt es vor allem in Form von Fett und nicht Muskeln zurück. Damit sinkt der Muskelanteil im Körper nach jeder Abspeckkur, der Fettanteil steigt, wodurch der Grundumsatz sinkt. Denn Muskeln verbrennen mehr Kalorien als Fett.

Mit den Spritzen geht tendenziell sogar noch mehr Muskelmasse verloren als bei Diäten ohne Medikamente, wie Studien zeigen: 25 bis 40 Prozent des verlorenen Gewichts sind Muskeln bei den Abnehmspritzen, bei konventionellen Diäten sind es 10 bis 30 Prozent.

Krafttraining und eine ausreichende Proteinzufuhr können dem Muskelabbau entgegenwirken. Etwa ein Dutzend Pharmafirmen forschen derweil an Spritzen, die gleichzeitig Fett abbauen und Muskeln erhalten. Im Fokus stehen dabei Moleküle, die den sogenannten Activin-II-Rezeptor auf den Muskelzellen blockieren. Dadurch wird das Muskelwachstum stimuliert. Zum Beispiel kombiniert das Unternehmen Eli Lilly einen solchen Wirkstoff, den monoklonalen Antikörper namens Bimagrumab, mit Wegovy. Mit dieser Kombitherapie verloren Probanden in einer Studie deutlich mehr Fettmasse als mit Wegovy allein: 93 Prozent versus 72 Prozent.

Pille untergräbt Lebensstiländerung

Diese Kombinationstherapie ist noch nicht zugelassen. Und selbst wenn die Zulassung kommt, werden viele wohl auch diese Therapie ein Leben lang spritzen müssen.

Auch hier suchen Pharmafirmen nach Auswegen und arbeiten an neuen Darreichungsformen: an Medikamenten, die geschluckt werden. Erst letzte Woche hat Eli Lilly die Ergebnisse einer Phase-3-Studie zum oralen Wirkstoff Orforglipron präsentiert. Über 3100 Erwachsene nahmen teil, die Behandlungsgruppe verlor im Schnitt 12 Prozent ihres Gewichts, die Placebogruppe 0,9 Prozent. Die Zulassung soll noch dieses Jahr beantragt werden.

Manche Fachleute sehen die Pille kritisch. «Ernährungstherapien könnten weiter an Bedeutung verlieren», sagt etwa der Stoffwechselmediziner Stefan Kabisch von der Berliner Charité. Die Hürde, statt einer Lebensstiländerung eine Pille zu nehmen, sinke weiter, weil die psychologische Hürde der Spritze entfalle.

Adipositasexperte Marco Bueter sieht es differenzierter: «Nicht alle Betroffenen sprechen auf dieselbe Therapie an.» So vertragen manche die Spritze nicht, andere wollen nicht täglich eine Pille schlucken, für wieder andere kommt eine Operation nicht infrage. Ganz wenigen gelingt dauerhaftes Abnehmen vielleicht sogar allein mit Ernährung und Sport. Umso wichtiger sei es, sagt Bueter, verschiedene Optionen zu haben. Denn so besteht vielleicht die Chance, der Volkskrankheit Nummer eins entgegenzuwirken. (aargauerzeitung.ch)

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Die beliebtesten Kommentare
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Metro Man
18.08.2025 06:15registriert Februar 2022
Oder einfacher: Wer mehr Energie durch Nahrung aufnimmt als er verbraucht nimmt zu. Wer dabei ein Medikament einsetzt, um die Aufnahme zu reduzieren oder den Verbrauch zu erhöhen, wird nach dem Absetzen einfach wieder mehr aufnehmen/weniger verbrauchen und damit zunehmen. Der Kampf für Ausgewogenheit von Aufnahme und Verbrauch ist nicht "danach", er ist immer. Das Medikament kann nur den fehlenden Willen zur weniger Aufnahme/mehr Verbrauch ersetzen. Leute mit krankhafter Fettsucht heben in diesem Spiel einfach leider die viel schlechteren Karten als andere.
Liebe Blitzer: Mein BMI ist 36.
11840
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Berner in Zürich
18.08.2025 06:01registriert August 2016
Diese Erkenntnis ist nicht so neu.
Eine Diät (aus medizinischen Gründen) um möglichst schnell Gewicht zu verlieren hat immer Nebeneffekte. Darum sind wirkliche Diäten nur unter ärztlicher Aufsicht und unter strenger Beobachtung durchzuführen. z.B kann dem Muskelschwund gezielt entgegen gewirkt werden, mit gezielter und hoher Disziplin, was Bewegung und Sport bedeutet. Alles hat seinen Preis.
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YvesM
18.08.2025 06:43registriert Januar 2016
Und die Abnehmspritze ist im Moment ein Kostentreiber in der Grundversicherung. Sinn macht das nur, wenn die Patienten ihre Ernährung anpassen und langfristig vom Abnehmen profitieren. Ansonsten ist das ganze nur ein teuerer Spass.
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