Auch dieses Jahr habe ich mich wieder vier Tage an der Gen Con in Indianapolis herumgetrieben, dem grössten Event für Brett- und Rollenspiele in Nordamerika, der jeweils im August stattfindet. Spiele, die dort vorgestellt werden, setzen oft neue Trends. Ich habe mich durch einige heiss gehandelte Neuheiten gespielt, andere wurden mir von Kollegen empfohlen. Kooperative Spielsysteme sind nach wie vor voll im Trend. Nicht bei jedem Titel ist allerdings klar, ob und wann eine deutsche Version davon erscheint. Deshalb habe ich auch auf die Angabe von Preisen verzichtet.
«Letter Jam» ist der neueste Partyspiel-Wurf aus dem Verlag Czech Games Edition, aus dessen Küche ja schon «Codenames», das «Spiel des Jahres 2016», stammt. Es handelt sich um ein kooperatives Sprachspiel, bei dem Wörter erraten werden müssen. Kurz und ungenau erklärt: Jeder Spieler hat eine Buchstabenkarte vor sich, die er selber nicht sehen kann, alle Mitspieler aber schon. Die Spieler müssen Wörter finden, die mit den Buchstaben, die sie sehen, gebildet werden können. Die Positionen der Buchstaben im gesuchten Wort werden dabei mit Nummern markiert. So sollen die Mitspieler kombinieren, welchen Buchstaben sie selber vor sich stehen haben. Sprachliche Kreativität und Hinweise, die auf mehreren Ebenen funktionieren, sind gefragt.
«Letter Jam» ist ein sehr clever gemachtes Spiel für intelligente, sprachgewandte Leute, das herausfordernd ist, die Spannung über lange Zeit aufrecht hält und ziemlich Spass macht. Die deutsche Version wird im Oktober zur Spielmesse Essen publiziert.
Von Ondra Skoupý für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren, Czech Games Edition
Und nochmals kooperativ, aber diesmal unheimlich hektisch: Am Tisch herrscht vollste Konzentration. Aus einem (batteriebetriebenen) Plastikwürfel in 3D, der einen Safe darstellt, gibt eine Stimme den Spielern pausenlos Befehle. Kleine Gegenstände müssen weitergegeben werden, man muss sie tauschen und auf einen Knopf auf der eigenen Tresorseite drücken, wenn man den vom Safe verlangten Gegenstand vor sich liegen hat.
In der Hektik können die Anweisungen des Safes aber leicht untergehen oder falsche Reaktionen provozieren. Macht das Team alles richtig, wird es mit Geldscheinen und vielleicht sogar einer Überraschung belohnt. Meistens macht es aber alles falsch. Es gibt fünf Schwierigkeitsstufen. Das Spiel hat einen unheimlichen Unterhaltungs- und Suchtfaktor, weil man die gestellte Aufgabe doch irgendwann endlich schaffen möchte.
Von Rob Daviau, Bob Driscoll und Don Ullman für 2 bis 4 Spieler ab 7 Jahren, Megableu/University Games
Kooperativ zum Dritten: Das Spiel «Horrified» habe ich aus den USA mitgenommen und es wird seither in meinen Spielgruppen pausenlos gespielt. Es wurde von Ravensburger USA publiziert. Gemäss Auskunft der Ravensburger-Sprecherin Kathrin Hanger ist aber leider keine deutsche Ausgabe geplant. Charmante Monster aus bekannten Universal-Filmen der 1930er, 1940er und 1950er Jahre (zum Beispiel «The Mummy», «Frankenstein und seine Braut», «The Wolf-Man») terrorisieren als Plastikfigürli eine amerikanische Kleinstadt. Die Spieler müssen die Bösewichte vertreiben und zudem verhindern, dass dumm durch die Stadt schlendernde Bewohner ihnen in die Hände fallen. Je nachdem wie viele und welche Monster gewählt werden, variiert der Schwierigkeitsgrad. Durch die Varianz der Aktionskarten verläuft jede Partie anders. Das Spiel thrillt und emotionalisiert ungemein. Wer packende kooperative Herausforderungen mit überraschenden Wendungen mag, ist hier richtig.
Von Prospero Hall für 1 bis 5 Spieler ab 10 Jahren, Ravensburger
«Jaws» besteht im Grunde genommen aus zwei verschiedenen Spielen, die auch unabhängig voneinander gespielt werden können. Das Narrativ folgt dem Film «Der weisse Hai». Wie beim Ravensburger-Klassiker «Scotland Yard» spielt ein einzelner Spieler gegen den Rest der Runde. Er übernimmt die Rolle des Hais. Im ersten Kapitel kreist er um eine Insel und frisst möglichst viele Schwimmer. Brody, Cooper und Quint spekulieren derweil ständig darauf, wo sich das Vieh befindet und als Nächstes auftaucht. Sie versuchen, es mit zwei Fässern zu markieren. Das zweite Kapitel spielt auf dem Boot «The Orca»: Der Hai will den Kahn mit gezielten Angriffen versenken und die drei Kontrahenten verschlucken. Diese müssen den Hai eliminieren. Auch hier geht es darum, vorauszusagen, wo der Hai auftauchen und angreifen wird. «Jaws» ist allerdings nicht so elegant konstruiert wie «Scotland Yard» und dauert auch etwas zu lange. Laut Ravensburger ist eine deutsche Veröffentlichung im nächsten Jahr geplant.
Von Prospero Hall für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren, Ravensburger
Ja, und wir haben auch etwas für Katzenliebhaber (und einen kleinen Geheimtipp für alle Fans von Roll-and-Write-Spielen): «Cat Café» ist ein niedliches Würfelspiel, bei dem man Kratzbäume mit Katzenspielsachen bestücken muss. Allerdings verfügt das Spiel über eine nicht zu unterschätzende Spieltiefe, da es ziemlich viele unterschiedliche Gewinnstrategien gibt. Zunächst draftet man Würfel, deren Augen-Kombinationen dazu verwendet werden, um bestimmte Spielzeuge auf bestimmten Leveln von bestimmten Katzenbäumen zu platzieren. Dann versucht man Mehrheiten zu sammeln und entscheidet sich immer wieder, wann man Bonuspunkte absahnen will. «Cat Café» ist klein und fein, kann aber vom Spielerlebnis her problemlos mit anderen Spielen dieses Genres mithalten.
Von Lee Ju-Hwa für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren, Alley Cat Games
Der französische Verlag Libellud treibt sein erfolgreiches Bilder-Assoziations-Konzept aus Spielen wie «Dixit» oder «Mysterium» im Spiel «Obscurio» noch eine Stufe weiter: Ein Spieler versucht als Tippgeber seine Mitspieler zum Ausgang einer verwunschenen Bibliothek zu lotsen, indem er sie dazu bringt, auf das richtige Bild zu tippen. Dabei darf er zwei Pfeile benutzen, um auf anderen Bildern Assoziations-Hinweise anzuzeigen: Farben, Formen, Personen, Kreaturen, was er denkt, dass den anderen hilft. Ein Verräter mischt allerdings auch mit und versucht, die Gruppe zu verwirren und auf die falsche Fährte zu locken. Er muss enttarnt werden. Eine Palette von verschiedensten Fallen hindert die Spieler zusätzlich an der Kommunikation und ihrer Aufgabe. Optisch ist das Spiel hervorragend. Unser Ersteindruck ist aber, dass irgendwie ein bisschen viel in diesem Spielkonzept drinsteckt. Weniger wäre vielleicht eher mehr gewesen.
Von L'Atelier für 2 bis 8 Spieler ab 10 Jahren, Libellud
Im «Hot Games Room» der GenCon, der während der Convention jeweils vom Internetportal Boardgamegeek (BGG) betrieben wird, können alle wesentlichen Neuheiten rund um die Uhr ausprobiert werden. Eines der meistgefragten Spiele war laut BGG-Mitarbeiterin Doris Roberts dieses Jahr «Parks». Es hat auf der BGG-Internetseite auch sehr hohe Ratings erzielt. Selber konnte ich es leider noch nicht ausprobieren. Das Spiel verfügt über eine sehr ikonische Grafik mit Illustrationen aus 59 Nationalparks der USA. Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Wanderern, die auf sich verändernden Pfaden, die durch zufällige Karten gebildet werden, durch die vier Jahreszeiten wandern. Auf den Feldern der Pfade können sie Aktionen ausführen und Ressourcen sammeln, um lukrative Nationalparks zu besuchen, hilfreiche Ausrüstung zu kaufen und natürlich Siegpunkte zu generieren.
Von Henry Audubon für 1 bis 4 Spieler ab 9 (eher 12) Jahren, Keymaster Games
«Mystery House» ist eine ganz neue, spezielle Form eines Escape-Room-Spiels. Man muss in einem dreidimensionalen Haus Informationen und Objekte finden, um verschiedene Rätsel zu lösen. Die Grundbox enthält zunächst zwei Fälle. Spätere Erweiterungen mit neuen Fällen werden alle mit dem Basisspiel gespielt. Zur Vorbereitung werden Objekt- und Rätselkarten von oben in Schlitze in der Box gesteckt. Das Spiel wird durch eine App gesteuert. Alle Mitspieler gucken durch Fenster von der Seite in das Haus hinein und versuchen Dinge zu erkennen und miteinander zu kombinieren. Sie erkunden es also effektiv. Durch das Lösen von Rätseln, Entdecken von Geheimnissen und Entfernen von Karten dringt man von aussen immer weiter in das Haus vor. Jeder Fall entfaltet dabei seine eigene individuelle Atmosphäre. Die Karten jedes Abenteuers sind von einem anderen Grafiker gestaltet. Das Spiel ist sehr originell. Allerdings ist es ein bisschen schwierig bei normalem Licht, die Dinge im Haus, die zum Teil sehr ähnlich aussehen, auch wirklich alle zu erkennen.
Von Antonio Tinto für 1 bis 5 Spieler ab 14 Jahren, Cranio Creations.
Auch «Black Angel» war im Hot Games Room äusserst gefragt. Der Spieltitel ist der Name eines Raumschiffs, des grössten aller Zeiten, in dem die Spieler den Weltraum erkunden. Die verantwortungslose Menschheit hat die natürlichen Ressourcen der Erde restlos erschöpft und den blauen Planeten nahezu unbewohnbar gemacht. Die Black Angel soll in einer mehrtausendjährigen Reise menschliches Erbgut jenseits aller bekannten Welten transportieren. Die Crew besteht ausschliesslich aus Robotern.
Jeder Spieler übernimmt in diesem sehr komplexen, langen Spiel mit vielen Variablen und unzähligen strategischen Möglichkeiten die Rolle einer künstlichen Intelligenz, die bestimmte Aufgaben auf dem Schiff steuert. Die Spieler spielen gegeneinander, platzieren Würfel auf Feldern, um Aktionen auszuführen. Man kann Aktionskarten spielen, neue Technologien erforschen und muss manchmal auch das Schiff verteidigen. Am Ende erhält der Spieler mit den meisten Siegpunkten die vollständige Kontrolle über das Schiff. Die deutsche Ausgabe ist bereits Anfang September erhältlich.
Von Sébastien Dujardin, Xavier Georges und Alain Orban für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren, Asmodee
Die Funko-Pop-Vynilfiguren mit ihren übergrossen Wasserköpfen und Charakteren aus den unterschiedlichsten Universen der Popkultur erfreuen seit Jahren die Herzen und Regale von Comic-Fans und Sammlern. Nun hat tatsächlich jemand herausgefunden, dass man sowas auch noch als Brettspiele vermarkten kann. Und natürlich gibt es nicht einfach nur ein Brettspiel, sondern ganz viele Brettspiele mit verschiedensten Szenarien und Figuren, die alle miteinander kombiniert werden können.
Jeder Charakter hat seine speziellen Gegenstände und Fähigkeiten. Zum Marktstart gibt es sechs Sets mit 16 verschiedenen Figuren aus «Rick and Morty», «Harry Potter», den «Golden Girls» und dem DC-Universum. Sie sind allerdings kleiner als die richtigen Funko-Pop-Sammelfiguren. Man kann sie setübergreifend zu unterschiedlichen Teams zusammenstellen. Im Spiel treten Dreier-Teams gegeneinander an, die sich in verschiedenen Szenarien gegenseitig verkloppen, um Kristalle zu gewinnen. (Ja, richtig: Golden Girl verkloppt Batman!) Es ist ein schnelles, leichtes taktisches Fun-Spiel mit schier unvorstellbaren Erweiterungs- und Kombinationsmöglichkeiten.
Von Prospero Hall für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren, Funko Games.