Die Fussball-EM ist derzeit DAS grosse Thema bei vielen. Damit einher geht das Abspielen und Singen von Nationalhymnen. Womit Millionen Menschen vor dem Bildschirm sitzen und sich urplötzlich Fragen stellen wie «Wirklich? So tönt die Nationalhymne von Belgien/Österreich/Polen?».
Hand aufs Herz: Wie viele Nationalhymnen würdet ihr an der Melodie erkennen? Ausser dem Schweizerpsalm natürlich? Und ausser der US-Hymne, denn hier geht's um die Europameisterschaft.
Vier vielleicht? Bestenfalls fünf?
Und sind auch knackige Melodien darunter? So richtige Kracher?
Na ja, höchstens einer oder zwei. Eventuell.
Fangen wir doch mit dem «Schweizerpsalm» an, «Cantique suisse», «Salmo svizzero», «Psalm svizzer»:
WAS für eine Schlaftablette! Kein Wunder kennt niemand im Land den Liedtext – ausser gerade die erste Zeile. Selbst unter den Fans im Stadion kommt beim Vorsingen der Hymne kaum Stimmung auf.
Ähnlich einschläfernd ist auch die britische Nationalhymne, die bei England-Spielen gesungen wird (ja, die Schotten und Waliser haben ihre eigenen Lieder – dazu unten mehr). Bedächtiges Tempo, simple Melodie ... und damit hat man die halbe Welt kolonisiert? Aber ... ABER: Singen können sie, die englischen Fans im Stadion!
England mag vielleicht (wie es die Tradition verlangt) im Penaltyschiessen verlieren, doch das Vorsingen gewinnen sie haushoch. Fragt sich nur: Wie lange noch? 2024 wird zum ersten Mal «God Save the King» an einer EM gesungen und nicht «God Save the Queen». Die Queen mochte man. Charles? Hmm. Es könnte durchaus sein, dass die englischen Fans heuer mit etwas weniger Inbrunst singen.
Dafür taugt «God Save the King» bestens als Anekdote für alle Daniel Hubers dieser Welt. Hand aufs Herz, wer wusste, dass die liechtensteinische Nationalhymne «Oben am jungen Rhein» die haargenau gleiche Melodie verwendet wie die britische Königshymne? Genauso wie auch die alte Schweizer Nationalhymne «Rufst du, mein Vaterland», die vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts gesungen wurde. 1961 beschloss der Bundesrat, den «Schweizerpsalm» als Nationalhymne zunächst versuchsweise einzuführen. Erst 1981 wurde «Rufst du, mein Vaterland» offiziell abgelöst.
Das «Deutschlandlied» kennt man tendenziell auch. Was man auch kennt: Die Sache mit der ersten Strophe, die nicht gesungen werden darf (because Nazis), aber ausserhalb Deutschlands viel bekannter ist als die dritte Strophe, welche die eigentliche offizielle Nationalhymne darstellt.
Aber auch das «Deutschlandlied» ist wiederum eine weitere dieser gemächlichen, bedächtigen Melodien, die kaum Lust auf Mitsingen macht. Und ähnlich verhält es sich mit fast allen Nationalhymnen Europas. Existieren überhaupt richtige Banger unter den Nationalhymnen?
Klar doch! Die «Hymne der Russischen Föderation» etwa – die ist ein richtig grossartiger Kracher. Bloss ... sind die Russen dieses Jahr an der EM nicht dabei. Aus Gründen.
Okay, wie wäre es mit der italienischen Nationalhymne, «Fratelli d’Italia»? Die fetzt wenigstens ein bisschen. Bloss ist da etwas gar viel Firlefanz, ohne dass man zum Punkt kommt. Viel Gehabe, wenig Substanz. (Und nein, das ist keine Anspielung auf die italienische Mannschaft oder so. Dazu bin ich viel zu sehr ein Fussball-Banause und kenn mich nicht aus.)
Ach, übrigens: die Schweiz spielt ja als Nächstes gegen Schottland. Wetten, dass uns die Schotten mit ihrer «Flower of Scotland» an die Wand singen?
Bleibt nur ein Lied, das unangefochten der beste Kracher der EM 2024 ist: «All You Need Is Love» von The Beatles. Also, nur der Anfang davon. Ja, wir meinen «La Marseillaise», die Nationalhymne Frankreichs.
Bereits seit 1795 in Verwendung ist sie eine der ältesten Nationalhymnen Europas; und vom Text her auch einer der martialischsten und gewaltverherrlichendsten (da werden Kehlen durchgeschnitten und dergleichen). Vor allem hat «La Marseillaise» gehörig Temperament und Drive und sie macht Lust, um aus voller Kehle mitzusingen (und dabei die Bastille zu stürmen).
Somit wäre das geklärt: Frankreich hat die Nationalhymnen-Europameisterschaft gewonnen.