Es ist das traurigste Ereignis dieser Olympischen Spiele in Tokio, der Tod des Wallachs Jet Set des Schweizer Reiters Robin Godel. Das Pferd musste am Dienstag eingeschläfert werden, nachdem es in einem Wettbewerb der Vielseitigkeitsreiter gestürzt und sich dabei einen Bänderriss zugezogen hatte. Die Veranstalter zogen schwarze Planen hoch, um Jet Set vor den neugierigen Blicken abzuschirmen, danach wurde das Pferd in eine Klinik überführt, wo eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt wurde.
Die niederschmetternde Diagnose: irreparabler Bänder-Schaden direkt über dem Huf. Theoretisch hätte eine Prothese angebracht werden können, erklärte der Schweizer Teamarzt Dominik Burger. Doch Jet Set hätte nie wieder richtig laufen können. «Es war sehr schnell klar, dass Jet Set ein hoffnungsloser Fall ist. Ihn am Leben zu lassen, wäre nicht zu seinem Wohl gewesen.» Pferde seien Fluchttiere, dass Jet Set nicht weiterlaufen konnte, sei für ihn auch psychisch eine Belastung gewesen.
Seit Januar 2020 bildeten Robin Godel und Jet Set ein Duo, erst kurz vor den Olympischen Spielen entschied der Fribourger, der noch drei weitere Pferde besitzt, mit dem Wallach nach Tokio zu reisen. «Er ist sehr heissblütig und hat sehr viel Energie. Das war ausschlaggebend für meine Entscheidung», sagte er zur den «Freiburger Nachrichten». Nun kehrt Godel Mitte dieser Woche alleine in die Schweiz zurück. Jet Set wurde erst narkotisiert, erst dann wurde ihm die Spritze gegeben, die den Herzschlag aussetzt. Godel weilte bis zum letzten Atemzug an der Seite des Wallachs.
Danach wurde der Kadaver einer Obduktion unterzogen, auf Doping überprüft und danach eingeäschert. Seine letzte Ruhe findet Jet Set wohl in Tokio. Robin Godel verabschiedete sich mit einer bewegenden Nachricht von seinem Partner. «Jet war ein aussergewöhnliches Pferd und war einmal mehr dabei, einen grossartigen Geländeritt zu absolvieren. Er ist gegangen, als er das tat, was er m meisten liebte – galoppieren und über Hindernisse springen», schrieb Godel und bedankte sich für die Worte des Trostes und der Unterstützung, die ihn «tief berührt» hätten.
Danach begann für Robin Godel die Trauerarbeit, bei der auch der Sportpsychologe Jörg Wetzel als Anlaufstelle fungierte. Aus Schutz der Privatsphäre Godels gibt er nur allgemeine Auskünfte zum Fall. Er sagt am Telefon: «Todesfälle sind immer eine existenzielle Angelegenheit, bei der es nicht nur einen Betroffenen gibt.» Also nicht nur den Reiter, sondern auch Teamkollegen, Trainer oder sogar andere Athleten der Delegation, bei denen das Ereignis Betroffenheit auslösen könne.
Bei einem ersten Kontakt gehe es für ihn darum, zu eruieren, in welcher Verfassung der Betroffene sei. Wer am Anfang nicht trauere, sondern das Ereignis verdränge, sei anfälliger dafür, einige Monate nach dem Vorfall eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Erschwerend kommt hinzu, dass Umarmungen oder Gesten des Trosts derzeit eigentlich nicht erlaubt sind. Doch Jörg Wetzel sagt: «Entscheidender ist, dass der Betroffene merkt, dass er Kontrolle über sein Leben hat, dass er sich nicht zu sehr isoliert, nicht grübelt und eingebettet ist in Alltag und Routinen.»
Dem erst 23-jährigen Godel spielt in die Karten, dass Mutter Nadia als Groom ebenfalls nach Tokio gereist ist und ihrem Sohn in diesen schweren Stunden beistehen kann. Wetzel sagt, er empfehle Betroffenen in solchen Situationen, mit einem Ritual Abschied zu nehmen, um den Verlust besser verarbeiten zu können. Er sagt: «Das hilft extrem, auch wenn es in diesem Moment extrem schmerzt, weil der Reiter eine sehr starke Beziehung zu seinem Pferd hat.» Aber mittel- bis langfristig sei das wichtig.