Bislang sind die ZSC Lions gegen die überzeugend auftretenden Bieler chancenlos. Nach drei Spielen steht es im Playoff-Halbfinal 3:0 für die Seeländer, zwei Mal blieben die Zürcher dabei ohne Torerfolg. In Spiel 3 hat Biel in einem Drittel mehr Tore erzielt als der ZSC in der ganzen bisherigen Serie. So droht den Löwen heute bereits der blamable Sweep und das Saisonende.
Doch warum haben die ZSC Lions derart grosse Mühe gegen Biel? Und was wären allfällige Lösungsansätze, um die Wende im Halbfinal doch noch herbeizuführen?
Mit nur drei Toren aus drei Spielen (alle in Spiel 3 vom Montag) ist das grösste Problem der Zürcher offensichtlich. Sie kommen zu selten zu gefährlichen Situationen vor dem Bieler Tor. Die Schussquantität ist kein Problem. In allen Halbfinalspielen hatten die Löwen die Mehrheit der Abschlussversuche auf ihrer Seite.
Das Problem ist die Qualität – die Zürcher Schüsse werden entweder geblockt oder gehen neben das Tor. Oder die Schüsse, die aufs Tor von Harri Säteri oder Joren van Pottelberghe fliegen, kommen aus ungünstigen Positionen. Der Blick auf den Shot-Tracker zeigt: Die Zürcher schiessen tendenziell von weiter hinten und mehr von der Seite – was natürlich auch mit der guten Bieler Verteidigung zu tun hat.
Das Extrembeispiel in dieser Hinsicht war das zweite Halbfinalspiel von vergangenem Samstag. 62 Mal suchten die Zürcher gemäss dem Tracking von nlicedata.com den Abschluss. Nur 24 dieser Versuche fanden tatsächlich den Weg aufs Tor. Trotz dieser 62 Schussversuche kam der ZSC nur auf 2,08 Expected Goals gegenüber 2,63 Expected Goals mit 27 Schussversuchen auf Bieler Seite.
Das Video-Studium bestätigt diese Eindrücke. Zudem wird ersichtlich, dass bei den besten Zürcher Möglichkeiten oft niemand vor dem Tor steht, um dem Bieler Goalie die Sicht auf das Spielgeschehen zu erschweren. Ausserdem kommt manchmal auch noch etwas Pech dazu, dass der Puck im dümmsten Moment noch über die Stockschaufel springt.
Die Mehrheit seiner Chancen in der Halbfinal-Serie hat der ZSC nach sogenannten Rush-Angriffen (Abschluss spätestens 5 Sekunden nach Zoneneintritt) herausgespielt. Das kann gegen Biel ein gutes Mittel sein, aber oft nur nach Scheibenverlusten der Seeländer. Ansonsten sind Mannschaften von Antti Törmänen in der neutralen und eigenen Zone oft zu gut strukturiert, als dass dies wirklich gefährlich wird.
ZSC-Trainer Marc Crawford könnte sich auch den SC Bern als Vorbild nehmen. Die Stadtberner haben im Viertelfinal immerhin zwei Spiele gegen Biel gewonnen. Einer der Schlüssel zum Erfolg war damals das Forechecking. Mit diesem hat die Bieler Hintermannschaft am ehesten Probleme. Nun ist das zwar ein Mittel, auf das die Lions kaum zurückgreifen. Mit Sven Andrighetto, Chris Baltisberger oder Willy Riedi wäre das Spielermaterial dafür aber eigentlich gegeben. Und etwas zu verlieren haben die Zürcher mittlerweile ja auch nicht mehr.
Falls Crawford weiterhin an seinem Spielplan festhält, sind die Voraussetzungen klar: Es muss mehr Zug aufs Tor hin, und einer der Stürmer sollte versuchen, sich stets direkt vor dem Bieler Tor zu installieren. Ansonsten haben Säteri und van Pottelberghe weiterhin leichtes Spiel.
Die ZSC Lions sind ein Team, das sich gerne in der Zone des Gegners installiert oder direkt nach dem Betreten der offensiven Zone schnell zum Abschluss kommt. Beide Angriffsvarianten bedingen aber ein kontrolliertes Übertreten der offensiven blauen Linie – und genau damit tun sich die Zürcher gegen Biel schwer.
Es ist das Spiel der Seeländer, den Gegner im Spielaufbau auf die Aussenbahnen zu drängen und die Mitte zuzustellen. Das funktioniert bislang auch gegen die Lions hervorragend. War in der Regular Season rund die Hälfte aller Zoneneintritte der Zürcher mit Scheibenkontrolle, sind es in den Playoffs gegen Biel nur noch knapp über 40 Prozent. Die Zürcher sind noch etwas häufiger zu Dump-Ins (Scheibe reinspielen und Nachrennen) gezwungen, das führt aber deutlich seltener zu Abschlüssen.
Der ZSC kommt nur nach Fehlern der Bieler mühelos in die gegnerische Zone. Ansonsten fehlt entweder das Tempo: Die Zürcher Stürmer kleben aussen an der Bande. Oder noch schlimmer: Sie verlieren die Scheibe sofort wieder.
Eine Möglichkeit, das Defensivspiel der Bieler zu umgehen, sind lange Pässe oder stete Seitenwechsel. Aber das ist natürlich mit einem grossen Risiko verbunden, da Fehlpässe sofort in möglichen Kontern resultieren. Grundsätzlich wären mit Dean Kukan, Mikko Lehtonen oder Patrick Geering Verteidiger vorhanden, die diese Taktik umsetzen könnten.
Eine andere Variante wäre – wie schon bei den Torchancen – das Forcieren eines Forechecking-Spielstils. Bislang waren die Dump-Ins des ZSC kaum erfolgreich, weil die Stürmer kaum konsequent nachsetzten. Meist ging nur ein Zürcher ins Forechecking und war so gegen eine Überzahl von Bielern chancenlos.
Ein weiterer Faktor bei der grossen Zürcher Torflaute ist das harmlose Powerplay in dieser Halbfinalserie. Am ausgeprägtesten war dies im ersten Spiel, als die Lions auch bei einer fünfminütigen Überzahl kaum Gefahr zustande brachten. Besonders problematisch war aus Zürcher Sicht natürlich auch Spiel 3 vom Montag, als der EHC Biel so diszipliniert auftrat, dass er seinen Gegnern kein einziges Powerplay zugestand.
Aber eben, auch wenn der «Zett» mal in Überzahl agieren kann, wird es kaum gefährlich. Der Grund ist eine Kombination aus den bisherigen zwei Punkten. Auch mit einem Mann mehr tun sich die Zürcher teilweise schwer, sich in der Zone der Seeländer zu installieren. Und auch die schlechteren Schusspositionen sind hier zu beobachten. Biel kommt öfter näher und auch mittig vor dem Tor zum Abschluss.
Ein Grund dafür: Die Lions neigen in Überzahl auch immer wieder zu Flüchtigkeitsfehlern. Zudem wirkt das Powerplay oft sehr statisch. Pässe werden vor allem von der blauen Linie runter an die Grundlinie und umgekehrt gespielt.
Es muss den Zürchern gelingen, die kompakte Bieler Box mehr aus der Reserve zu locken. Dafür muss das Spiel in Überzahl schneller und direkter werden. Und statt stets nur Nord-Süd-Pässe sollten vermehrt auch Pässe durch die Bieler Box gespielt werden. Auch das ist natürlich mit Risiko verbunden, aber nur so ist es möglich, Torhüter und Feldspieler der Seeländer aus der richtigen Position zu bringen.
Es scheint, als hätte die bittere und knappe 0:1-Niederlage im ersten Halbfinalspiel einen mentalen Knacks in den Köpfen der Zürcher hinterlassen. In Spiel 2 wirkten sie komplett von der Rolle und auch am Montag in der dritten Partie zeigten sie besorgniserregende Tendenzen.
Die Lions waren nämlich kaum in der Lage, das Momentum mal auf ihre Seite zu ziehen. Nach Spielmitte konnte Chris Baltisberger endlich den Bann brechen, das erste ZSC-Tor der Halbfinals erzielen und auf 1:2 verkürzen. Doch der Spielfluss ging sogleich wieder verloren und rund sechs Minuten später hatte Biel mit einem Doppelschlag auf 4:1 gestellt.
Noch einmal war der «Zett» in der Lage, zu reagieren. Keine Minute später verkürzte Mikko Lehtonen auf 4:2. Aber wieder konnten die Löwen den Schwung nicht mitnehmen und kassierten ihrerseits keine zwei Minuten später das 5:2. So etwas ist fast nur mit Konzentrations- und anderen mentalen Schwächen zu erklären.
Von Sportpsychologie verstehe ich deutlich zu wenig, um hier brauchbare Ratschläge zu geben. Wunder werden so oder so kaum möglich sein, da die Zeit zwischen Montag und dem nächsten Spiel heute knapp ist. Aber wenn ein alter Trainer-Hase wie Marc Crawford keine Lösung dafür findet, wer dann?
Natürlich kämpfen die ZSC Lions auch noch mit anderen Problemen. Simon Hrubec kann nicht an die Leistungen aus den Viertelfinals gegen Davos anknüpfen. Und natürlich kann man nur so gut spielen, wie es der Gegner zulässt, und dort ist Biel momentan gnadenlos. Trotzdem ist es in den Playoffs unmöglich, ein Spiel zu gewinnen, wenn man keine Tore schiesst.
Es ist kein Zufall, dass alle drei Zürcher Tore am Montag fielen, indem sie einen Spieler direkt vor Harri Säteris Tor parkiert hatten. Dies muss auch heute Abend wieder das Ziel der Lions sein, genauso wie mehr Bewegung im Powerplay. Zudem hat die Verteidigung der Seeländer am ehesten Mühe, wenn die Gegner konsequent forechecken. Bislang haben die Zürcher nicht darauf gesetzt. Eine solche Systemumstellung kann riskant sein, andererseits hat der ZSC nun auch nichts mehr zu verlieren.
Ich habe gezweifelt, dachte die Bieler verlieren die Nerven , mittlerweile wagt mein Bieler-Herz sogar auf einen Finaleinzug, ja vielleicht sogar auf den ersten Meistertitel seit 1983 zu hoffen.