Der Dienstagabend wird so oder so historisch. Entweder feiert Servette Genf den ersten Schweizer Meistertitel seiner Klubgeschichte. Oder Biel erzwingt erstmals in der eigenen Historie ein Spiel 7 in einem Playoff-Final.
Die besseren Karten haben natürlich die Genfer. Sie führen in der Finalserie mit 3:2 und dürften mit dem dominanten 7:1-Sieg am Samstag auch für einen Knacks in der Moral der Seeländer gesorgt haben. Servette stellt Biel in diesem Playoff-Final vor grosse Probleme. Wollen die Seeländer Meister werden, müssen sie dafür dringend Lösungen finden.
Schon seit Beginn der Playoffs hält sich das Narrativ: Genf forciert seine besten Spieler extrem stark und je länger eine Serie dauert, desto mehr wird das zum Vorteil für die Gegner. Doch mindestens im Final trifft das nicht mehr zu. Einzig Verteidiger Henrik Tömmernes spielt mit über 26 Minuten Eiszeit pro Partie überdurchschnittlich viel. Ansonsten verteilen die Genfer die Eiszeit etwa gleich gut wie Biel.
Der Blick auf die bisherigen fünf Finalspiele zeigt, dass Biel oft wie die Feuerwehr loslegte, dann aber, je länger das Spiel dauerte, immer seltener zu gefährlichen Chancen kam. Abgesehen von Spiel 2 gelang es den Seeländern praktisch nie, aus den guten Starts auch Kapital zu schlagen.
Der EHC Biel ist eigentlich eines der gefährlichsten Teams der Liga nach Rush-Angriffen. Als solche gelten Abschlüsse spätestens fünf Sekunden nach Betreten der offensiven Zone. Im Playoff-Final konnte die Mannschaft von Antti Törmänen die Rush-Situationen zu selten dominieren. Meist kam Genf auf ähnlich viele oder sogar klar mehr Rush-Chancen.
Woran liegt das? Genf ist in der neutralen Zone ein unangenehmer Gegner. Servette wendet gegen Biel gerne zwei unterschiedliche Taktiken an. Wenn die Seeländer das Spiel langsam aufbauen, steht Servette gerne mit drei Mann an der offensiven blauen Linie und macht so die Bieler Passlinien zu.
Schaltet Biel schnell in die Offensive um, setzt Genf auf das bewährte Mittel, mit drei Mann die eigene blaue Linie zuzustellen. So zwingen die Genfer den EHCB dazu, auf die Aussenbahnen auszuweichen, oder riskante Seitenwechsel zu spielen. Da die wichtigsten Servette-Verteidiger – Henrik Tömmernes, Sami Vatanen, Roger Karrer und Simon Le Coultre – alles starke Skater sind, werden sie selten überlaufen.
So zwingt Servette seinen Gegner zu Fehlern im Spielaufbau und kann Pucks zurückerobern. Wie das Tracking von 49ing zeigt, hat Genf, mit der Ausnahme des ersten Finalspiels, stets die Mehrheit der Puckeroberungen in der neutralen Zone auf seiner Seite gehabt.
Biel war schon in der Qualifikation eines der anfälligsten Teams auf konsequentes Forechecken. Diese Schwäche nutzt Servette nun auch im Playoff-Final aus. Die «Grenats» kommen regelmässig nach Forecheck-Situationen zum Abschluss. Nur in Spiel 4 war Biel im Forecheck gefährlicher als die Genfer.
Über die gesamte Serie gesehen kreiert Servette über 20 Prozent mehr Torchancen (Expected Goals) und kommt zu exakt doppelt so vielen Schüssen nach Forecheck. Wenn die Genfer die Bieler Schwächen weiterhin so gnadenlos ausspielen, wird es für die Seeländer schwierig mit dem Meistertitel.
Die Special Teams spielten in den ersten fünf Finalspielen noch nicht eine riesige Rolle. Genf traf zwei Mal in Überzahl und ein Mal in Unterzahl. Biel war ein Mal im Powerplay erfolgreich. Wenn die Seeländer die Wende in der Serie erzwingen wollen, dann müssen sie sich aber auch in dieser Sparte steigern.
Biel konnte in fünf Spielen rund 28 Minuten in Überzahl agieren, bei Genf waren es etwa 24,5 Minuten. Doch Servette war bislang deutlich gefährlicher. Die Mannschaft von Jan Cadieux sucht mit einem Mann mehr deutlich häufiger den Abschluss und spielte sich auch mehr Expected Goals heraus.
So viel vorweg: Bis im fünften Spiel gab es an den Bielern Torhütern nichts auszusetzen. Egal ob Antti Törmänen auf Stammkeeper Harri Säteri setzte, oder ob er pokerte und Joren van Pottelberghe spielen liess, die Seeländer konnten sich immer auf ihre Schlussmänner verlassen.
Doch dann kam dieses fünfte Spiel am vergangenen Samstag. Säteri wurde nach vier Gegentreffern im Mittelabschnitt ausgewechselt. Und auch van Pottelberghe musste sich im Schlussdrittel noch dreifach bezwingen lassen. Die schreckliche Bilanz: 80,95 Prozent Fangquote beim Finnen Säteri, gar nur 62,5 Prozent Fangquote bei van Pottelberghe.
Nun stellt sich vor dem möglicherweise entscheidenden sechsten Spiel am Dienstagabend die Frage: Wie haben die beiden Goalies diese Klatsche verdaut? Und auf wen setzt Trainer Törmänen dieses Mal? Denn noch einen Goalietaucher kann Biel sich nicht erlauben.
Das deckt sich ziemlich mit dem, was ich gesehen habe.
Interessant wären noch die Zweikämpfe gewesen. Nach meiner Wahrnehmung liegen da die Genfer auch vorne, in der eigenen, wie in der Angriffszone.
Für Biel wird es ganz schwer, weil Genf immer eine Antwort bereit hatte, ausser in zwei Spielen, wo sie nicht mehr Antworten konnten. Bei Brunners Lucky Punch Sekunden vor Schluss und nach dem Fehler Vatanens in der OT.
Bin gespannt, wer wie auftreten wird. Biel hat nur eine Chance, wenn Genf seinen Weg verlässt, oder ihnen die Hockeygötter helfen.
Sie spielen zuhause. Es ist EIN Spiel. Sie sollen wieder Spass haben und ein mörderisches Tempo anschlagen.
Falls sie gewinnen, schön, dann gehts noch nach Genf zu einem Plauschmätschli. Falls sie dort auch gewinnen, sind sie aus Versehen Meister.
Ist doch gar nicht so schwer.
🍔