Servette-Genf kann am Dienstagabend (19.30 Uhr auf SRF 2 und im watson-Liveticker) Geschichte schreiben. Der amtierende Schweizer Meister hat die Chance, als erstes Schweizer Team die aktuelle Ausgabe der Champions Hockey League zu gewinnen. 2009 beim Champions-League-Sieg der ZSC Lions waren Veranstalter und Format noch anders.
Im Final wartet allerdings ein echter Brocken: das schwedische Spitzenteam Skelleftea AIK. Zwar sind die Nordschweden nicht mehr ganz so dominant wie in den frühen Nullerjahren, als sie sechs Mal in Serie im heimischen Playoff-Final standen und zwei davon gewannen. Doch Skelleftea ist auch diese Saison in der Spitzengruppe der schwedischen Liga (SHL) vertreten und hat auf dem Weg in den Champions-League-Final nicht nur Titelverteidiger Tappara Tampere, sondern auch den tschechischen Meister Trinec sowie Ligakonkurrent Färjestad ausgeschaltet.
Doch auch der Schweizer Meister Servette hat – zumindest europäisch – schon seine Klasse bewiesen. Das sind die Schlüssel auf dem Weg zum Champions-League-Titel.
Der Final der Champions Hockey League findet in der Genfer Les-Vernets-Halle statt. Tickets für das Spiel waren innert sechs Minuten ausverkauft. Servette wird also auf lautstarke Unterstützung zählen können. «Das ist ein grossartiger Bonus für uns und wir müssen diese zusätzliche Energie ausnützen», sagte Goalie Jussi Olkinuora im Vorfeld des Spiels.
Dass Servette mit dem eigenen Publikum im Rücken kaum schlagbar ist, ist statistisch belegbar. Sechs Mal haben die Grenats in der Champions Hockey League zuhause gespielt und jede einzelne Partie gewonnen. Doch auch auf der anderen Seite steht ein Titan: Skelleftea hat von sechs europäischen Auswärtsspielen nur eines verloren.
Wie viele schwedische Teams agiert Skelleftea aus einer grundsoliden Verteidigung. Kein Team in der schwedischen Liga lässt weniger Schüsse und weniger gegnerische Chancen zu. So ist es wenig überraschend, dass die Mannschaft aus Nordschweden auch bei den Gegentoren (92 in 43 Spielen) auf Rang 2 zu finden ist.
Wer denkt, dass der dreifache schwedische Meister nur mauert, ist aber auf dem Holzweg. Auch beim Herausspielen eigener Chancen gehört Skelleftea zu den besten Mannschaften in der SHL. In der ersten Hälfte der Saison gingen die Tore noch nicht rein, doch nun haben die Spieler das Abschlussglück wiedergefunden, erklärt ein schwedischer Hockeyjournalist dem «Blick».
Auch im Angriff baut Skelleftea auf die Verteidigung. Genauer gesagt: spielstarke Verteidiger wie Jonathan Pudas, Oskar Nilsson oder Axel Sandin Pellikka, Erstrundendraft von vergangenem Sommer. Sie schalten sich mit ihren läuferischen Fähigkeiten gerne ins Offensivspiel ein, was den Gegnern wiederum schnelle Gegenstösse ermöglicht. Servette muss diese Kontersituationen im Final gnadenlos ausnützen.
Das Videostudium zeigt: Haben sich die Schweden in der eigenen Zone mal installiert, sind sie nur schwer zu knacken. Der Center lässt sich oft tief fallen, um die Verteidiger im eigenen Slot zu unterstützen, während die Flügelstürmer Druck auf die blaue Linie ausüben. Erfolgsversprechender sind wie gesagt sogenannte Rush-Angriffe und ein aggressives Forechecking. Auch dem Gegner unter die Haut zu fahren, scheint ein effektives Mittel zu sein: Keine Mannschaft in der SHL kassiert mehr Strafen als Skelleftea.
Servettes Lauf bis in den Final der Champions Hockey League ist umso überraschender, da die Westschweizer in der National League überhaupt nicht überzeugen. Der Meisterblues will bei Genf einfach nicht verschwinden, deshalb liegt der Titelverteidiger kurz vor dem Abschluss der Regular Season nur auf Platz 8 und muss voraussichtlich den Umweg über die Play-In-Runde gehen.
Doch irgendwie gelang es den «Grenats» bislang, bei den europäischen Auftritten die schwache Form aus der Meisterschaft hinter sich zu lassen. Das muss auch heute Abend wieder gelingen. Die Form aus der National League ist mit zwei Siegen aus den letzten fünf Spielen alles andere als überzeugend. Skelleftea dagegen kommt mit dem Selbstvertrauen von vier Siegen in fünf Partien nach Genf.
In Über- und Unterzahl die bessere Mannschaft zu sein, ist natürlich in jedem Spiel das Ziel. Doch gegen Skelleftea ist es noch einmal ein wenig wichtiger, gerade mit einem Mann weniger bestehen zu können. In der SHL nutzen die Schweden unfassbare 35,48 Prozent (!) ihrer Powerplay-Gelegenheiten aus. Immerhin: In der Champions League bringt Skelleftea nicht annähernd eine gleich hohe Effizienz (12,2 Prozent) hin und Servette ist in diesem Wettbewerb eines der besten Teams in Unterzahl.
Trotzdem dürfte es ratsam sein, wenn die Genfer zwar aggressiv spielen, aber kaum Strafen nehmen. Seinerseits sollte sich Servette die Unterzahl-Schwäche, die Skelleftea in der CHL bislang an den Tag gelegt hat, ausnützen.