Anders als am Schweizer Viertlinien-Center Gaëtan Haas führt an ihnen in dieser Analyse kein Weg vorbei: Leon Draisaitl (16 Tore, 32 Assists) und Connor McDavid (18 Tore, 29 Assists) führen nach einem Viertel der Saison die Skorerliste in der NHL gemeinsam an. Sollten sie die Spitzenpositionen bis zum Saisonende halten können, wäre es das erste Mal seit 32 Jahren, dass zwei Oilers-Stürmer die Rangliste zum Saisonabschluss anführen. Damals schafften dies Wayne Gretzky und Jari Kurri.
Obwohl die gegnerischen Abwehrreihen und Coaches wissen, was auf sie zu kommt, scheint es derzeit kein Mittel gegen «McJesus» und den «German Gretzky» zu geben. Der 22-jährige Kanadier überzeugt vor allem mit seinem unglaublichen Speed, der feinen Technik und der aussergewöhnlichen Hand-Augen-Koordination. Es gibt eigentlich nichts im Eishockey, das McDavid nicht kann. Kein Wunder wurde er auch schon als «Human Cheat Code» bezeichnet.
⭐ ⭐ @cmcdavid97 compiled 4-3—7 in 4 GP last week while extending his point streak to 11 games to help the @EdmontonOilers move into first place in the Western Conference standings. #NHLStats pic.twitter.com/kb4TOgrMcW
— NHL Public Relations (@PR_NHL) November 25, 2019
An McDavids Seite ist Draisaitl in den letzten zwei Jahren vom Riesentalent ebenfalls zur Scoring-Maschine gereift. In der letzten Saison knackte er erstmals die magische 100-Punkte-Marke. Der 24-jährige Deutsche ist zwar nicht ganz so spektakulär wie sein Linienpartner, dafür ist er variabler einsetzbar. Der wohl beste Zwei-Weg-Stürmer der Liga verfügt über einen äusserst präzisen Pass und trotzdem die nötige Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, vernachlässigt aber auch nie seine defensiven Aufgaben.
Since the start of the 2018-19 season:
— Bob Stauffer (@Bob_Stauffer) November 25, 2019
Points:
McDavid-163
Draisaitl-153
Kucherov-148
Kane-140
Marchand-139
Goals:
Draisatil-66
Ovechkin-66
McDavid-59
Pastrnak-58
MacKinnon-55
Kane-55
Halten Draisaitl und McDavid ihre Scoring-Werte, würden sie am Ende der Regular Season auf 151 bzw. 148 Punkte kommen und wohl auch dafür sorgen, dass die Oilers-Fans erstmals seit 2006, als man im Stanley-Cup-Final gegen die Carolina Hurricanes verlor, wieder vom ganz grossen Coup träumen dürften.
Nach dem Verpassen der Playoffs in der letzten Saison wagten die Oilers einen kompletten Neubeginn. Als neuen General Manager verpflichtete man Detroit-Meistermacher Ken Holland, der mit den Red Wings 1998, 2002 und 2008 den Stanley Cup holte.
Als erste Amtshandlung erklärte der 63-Jährige, den ohnehin auslaufenden Vertrag mit Interimscoach Ken Hitchcock nicht zu verlängern, sondern sich einen neuen Cheftrainer suchen zu wollen. Mit Dave Tippett landete Holland einen Glücksgriff.
Anders als seine Vorgänger gilt der NHL-Trainer des Jahres 2010 (Arizona Coyotes) als «Player's Coach». Der Wechsel vom autoritären Boss zum nahbaren Teambuilder hat den jungen Oilers sofort frischen Wind eingehaucht und das Team näher zusammenrücken lassen.
Vor allem beim Spielaufbau hat Tippett seinen Fokus angesetzt. Mehr kürzere Pässe und ein geschlossenes Transitionspiel führten zu weniger Puckverlusten in gefährlichen Zonen und verringerten die defensive Anfälligkeit drastisch.
Auch im Unterzahl-Spiel haben sich Tippetts Anpassungen bezahlt gemacht. Hier legte der Coach vor allem Wert darauf, dass Querpass-Linien konsequent zugestellt werden. Flinke Defensiv-Stürmer wie Josh Archibald oder Riley Sheahan machen zudem viel Druck auf den Puck. Dafür kommen starke Skorer wie McDavid oder Zack Kassian in Unterzahl weniger zum Einsatz, damit sie ihre Kräfte auf die Einsätze bei 5-gegen-5 konzentrieren können.
Das funktioniert bislang ausgezeichnet. In 83 Boxplays hat man nur 11 Gegentore kassiert. Mit einer Penalty-Killing-Quote von 86,75 Prozent liegen die Oilers hinter den San Jose Sharks (91,4 Prozent) auf Rang 2 der Liga. Der Vergleich zum letzten Jahr zeigt die Steigerung: Da lag man mit einer Penalty-Killing-Rate von 74,8 Prozent auf dem zweitletzten Rang.
Was Roman Josi für die Nashville Predators ist, ist Oscar Klefbom für die Oilers. 2011 in der ersten Runde gedraftet, flog der mittlerweile 26-jährige Schwede wie der Berner lange unter dem Radar. Doch dank viel Talent und harter Arbeit hat er sich kontinuierlich weiterentwickelt und ist zum unangefochtenen Nummer-1-Verteidiger in Edmonton aufgestiegen.
Klefboms grösste Stärke ist wie bei Josi, den Puck auch unter Druck sicher aus der eigenen Zone zu bringen. Mit 25:50 Minuten kriegt er am meisten Eiszeit in der ganzen Liga, mit 18 Punkten (1 Tor, 17 Assists) gehört der Schwede ausserdem zu den 15 besten Verteidigern in der Skorerliste. Und er ist Fixstarter in Box- und Powerplay.
An Klefbom können sich auch die jüngeren Verteidiger-Kollegen orientieren. In seinem Schatten haben sich Spieler wie Ethan Bear, Joel Perrson oder Caleb Jones ständig gesteigert und alle gemeinsam haben dafür gesorgt, dass die Oilers-Defensive weniger anfällig ist als noch in der Vorsaison.
Eine klare Nummer 1 im Tor der Edmonton Oilers gibt es nicht. Sowohl Mikko Koskinen als auch Neuzugang Mike Smith kamen in dieser Saison bislang in 14 Partien zum Einsatz. Entgegen den Prognosen kommen beide auf starke Fangquoten: Koskinen steht bei 92,0 Prozent abgewehrter Schüsse, Smith kommt auf 91,1 Prozent. Beide haben sich im Vergleich zur Vorsaison klar gesteigert.
Bei «Goals Saved Above Average» (Vergleich mit dem statistischen Durchschnittstorhüter der Liga) landen die beiden mit positiven Werten auf den Rängen 13 (Koskinen) und 25 (Smith). Im Vergleich zur Vorsaison ist das eine klare Steigerung: Damals belegten sie mit Minuspunkten die Positionen 53 und 59. Es ist also auch Koskinen und Smith zu verdanken, dass die Oilers ihren Gegentorschnitt von 3,13 auf 2,80 senken konnten.
Smith: 25 saves, 1 win
— Edmonton Oilers (@EdmontonOilers) November 25, 2019
Koskinen: 26 saves, 1 win
Divide & conquer for the #Oilers netminders this weekend vs. Vegas & Arizona.#LetsGoOilers pic.twitter.com/XpJCeBIJsS
Bei all den Statistiken und Werten geht immer wieder vergessen, dass Sportler keine Maschinen, sondern Menschen sind. Wenn die Stimmung im Team stimmt und sich der Erfolg einstellt, werden alle Spieler ein paar Zentimeter grösser, ein paar km/h schneller und ein paar Zacken torgefährlicher.
«Im Flow sein» nennen Sportler diesen Zustand – und das sind die Oilers derzeit. Zu was ein vermeintlicher Underdog fähig ist, wenn die Stimmung im Team stimmt und der Glaube in die eigenen Fähigkeiten da ist, haben 2016 die Fussballer von Leicester City, aber auch die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft 2018 eindrücklich bewiesen.
Eine alte NHL-Weisheit besagt, dass Top-Teams nie zweimal hintereinander verlieren. Die Oilers kämpfen zwar nach wie vor mit der Konstanz, haben in dieser Saison aber erst einmal «back-to-back» verloren. Noch ist die NHL-Saison erst 26 Spiele alt. Deshalb ist es noch zu früh, zu sagen, ob die Oilers tatsächlich ein Anwärter auf den Stanley Cup sind.
Seit Tagen wartet alles auf den grossen Einbruch, doch der ist auch beim grossen Roadtrip noch nicht gekommen. In den ersten vier von fünf Auswärtsspielen in Folge haben die Oilers dreimal gewonnen und dabei in meist engen Spielen bewiesen, dass mit ihnen auch weiterhin zu rechnen ist. Die Playoffs zu erreichen, wäre ein erster Zwischenschritt. Aber natürlich träumen sie in Edmonton längst vom ersten Cup seit 1990 und der goldenen Gretzky-Ära.