Guimarães im Juni 2019: Am Tag vor dem Spiel in der Nations League gegen England stellt Nationalcoach Vladimir Petkovic dem Team den neuen Präsidenten Dominique Blanc vor. Dieser war drei Wochen zuvor zum Nachfolger von Peter Gilliéron, dem erfolgreichsten Präsidenten in der Geschichte des SFV, gewählt worden. Kurz darauf sitzt Blanc bei der Pressekonferenz vorne neben Petkovic auf dem Podium. Zu Wort kommt er nicht. Es spricht nur der Nationaltrainer.
Zürich im August 2019: Die Schweizer Nationalmannschaft hat sich in Zürich besammelt. In drei Tagen steht das wegweisende Spiel in der EM-Qualifikation in Irland auf dem Programm. Im Gespräch mit den Medien stellt sich der neue Direktor des Nationalteams, Pierluigi Tami, nochmals vor. Er spricht weder lange noch sagt er wichtige Dinge. Dann übergibt er das Wort an Petkovic. Dieser spricht fast eine Stunde lang zu den Medien.
Guimarães und Zürich. Sie liefern Bilder vom SFV, die Symbolkraft ausstrahlen und einen bestimmten Eindruck hinterlassen. Ob dieser Eindruck womöglich auch täuscht, wissen nur die Leute im innersten Zirkel der SFV-Führung. Nach aussen aber suggeriert er: Vladimir Petkovic ist im SFV mehr als bloss der Trainer der A-Nationalmannschaft. Der Eindruck lässt vermuten, dass Petkovic im Zentrum der SFV-Macht sitzt, weil sich die Führung des Verbandes in dem Jahr seit dem WM-Sommer in Russland runderneuert hat. Präsident: weg. Generalsekretär: weg. Delegierter der Nationalmannschaft: weg. Leiter der Kommunikation: weg. Nur der Nationaltrainer: nicht weg.
Petkovic geht auf solche Beobachtungen nicht ein. Er kommentiert seine wohl gestärkte Position im Verband nicht. Vielmehr spricht er auffallend oft von einem «Wir-Gefühl», redet von neuen Ideen, von der gemeinsamen Arbeit und dem Willen, zum Wohl und für die Zukunft des Schweizer Fussballs zu wirken. Er nennt es «neue Strömungen».
Dabei ist so vieles gar nicht neu. Der neue Präsident Dominique Blanc war als Chef der Amateur-Liga zuvor schon Mitglied des Zentralvorstandes und SFV-Vizepräsident. Der Generalsekretär Robert Breiter war Chef-Jurist im Verband und Stellvertreter seines Vorgängers Alex Miescher. Der neue Kommunikationsleiter Stefan Baumgartner war beim SFV Leiter des Internet Commercial and Editorial Teams und Stellvertreter des vor einem Monat abgesetzten Marco von Ah.
Von aussen kam einzig Pierluigi Tami, wobei auch dieser ein SFV-Insider ist, nachdem er über zehn Jahre lang Nachwuchsauswahlen trainiert und vor sechs Jahren zum Kandidatenkreis für das Amt des Nationaltrainers gezählt hatte – das er dann nicht bekam, weil sich der SFV für Petkovic entschied.
Auf einen Nenner gebracht bedeutet dies, dass Stellvertreter und Assistenten in leitende Funktionen befördert wurden. Man kann sich deshalb nur schwer vorstellen, dass sich Petkovic innerhalb dieses Gremiums mehr Vorschriften machen lässt als früher.
Eine Aussage des Nationaltrainers aus dem letzten Winter hallt auch deshalb nach. Angesprochen auf den Posten des neuen Direktors des Nationalteams, dem sogenannten Team-Manager, der im Organigramm sein direkter Vorgesetzter werden würde, sagte Petkovic: «Was macht dieser genau? Ist er für die Aufstellung verantwortlich?»
Montpellier im Juni 2016: Die Schweiz ist an der EM ausgeschieden. Nachdem der Mannschafts-Charter auf dem Rückflug in die Schweiz die Reiseflughöhe erreicht hatte, erhob sich Petkovic aus seinem Sitz in der ersten Reihe der Businessclass und schritt durch den Gang. Er gab jedem Spieler, jedem Funktionär und jedem Staff-Mitglied die Hand und bedankte sich für den Einsatz während der EM.
Es war eine Geste des Anstands und des Respekts, die aber auch offenbarte, wer die starke Persönlichkeit und der Leiter der Delegation war. Drei Jahre und eine Runderneuerung der Führungspersönlichkeiten später, von der nur er ausgenommen wurde, ist Petkovics Position im Verband gewiss nicht schwächer geworden. (pre/sda)