Eins und eins gibt zwei. Aus der Not machten Lukas (24) und Simon Werro (27) eine Tugend und bündelten ihre Kräfte. Statt im Einer nahmen die Brüder im Zweier-Kanadier einen Anlauf in Richtung Olympia-Qualifikation und sicherten sich nach einer langen, von viel Ungewissheit geprägten Qualifikationsphase im Mai 2016 den so sehr erhofften Quotenplatz für die Schweiz in Rio. Am Ende ging es um (Straf-)Sekunden.
Das italienische Duo, das die Werros um 67 Hundertstel geschlagen hatte, erhielt nach dem Rennen zwei Strafsekunden aufgebrummt, was die beiden Magglinger auf die Reise in Richtung Brasilien schickte. So nah liegen Sein oder Nichtsein im Sport oft beieinander. Und so werden Lukas und Simon Werro am 8. August im Wildwasserpark von Deodoro für die Schweiz am Start stehen. Damit geht ein Traum in Erfüllung, wie er für klassische Randsportler typischer nicht sein könnte.
Die Kanuten stehen, wie viele weitere Athleten aus anderen Disziplinen, stets ausserhalb der Scheinwerferlichter des Sportuniversums. Der Aufwand, um nur schon in die Nähe der Weltspitze zu kommen, ist riesig, teilweise grösser als bei anderen Sportarten, die im Alltag viel mehr Beachtung erhalten. Der Lohn dafür? Nicht viel mehr als Ruhm und Ehre. «Bei uns gewinnt der Gesamtweltcup-Sieger 4000 Euro. Unseren Sport darf man definitiv nicht des Geldes wegen machen», erzählt Lukas Werro lachend.
Ja, das liebe Geld. Wer sich in einer Randsportart das Ziel gesetzt hat, an Olympischen Spielen teilzunehmen, der muss finanziell einen langen Atem mitbringen. Unterstützt werden Lukas und Simon Werro diesbezüglich von verschiedenen Seiten. Die Schweizer Sporthilfe, das Sportamt der Stadt Basel, die Spitzensportförderung der Armee (Spitzensport-RS), private Gönner und Sponsoren sorgten in den vergangenen gut zwei Jahren dafür, dass die Ausgaben (rund 80'000 Franken) gedeckt wurden.
Der Stützpunkt «Slalom Region Basel» und der Kanuverband waren bei der Finanzierung der Trainer hauptverantwortlich. Ihre Lebensunterhaltkosten finanzierten die Brüder unter anderem durch gelegentliche Jobs als Kanuguides. «Ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung durch unsere Eltern würde die Rechnung aber trotzdem nicht ganz aufgehen», unterstreicht Lukas Werro.
Dass man bei der Generierung von Geldmitteln auch kreativ sein muss, bewiesen die Brüder mit ihrer Crowdfunding-Kampagne «I believe in you – Road to Rio», mit welcher sie innert weniger Tage die erhofften 5000 Franken für ein zweiwöchiges Trainingslager auf der Olympiaanlage in Rio beisammen hatten. Es werden die letzten (Flug-)Kilometer auf der langen Olympia-Reise sein, bevor es im August wirklich zur Sache geht.
Seit die Brüder ihr Olympia-Projekt Ende 2014 lanciert haben, leben sie quasi als Profis. Lukas und Simon Werro sind Sportstudenten und haben ihr Studium unterbrochen. «Der Trainingsaufwand ist ähnlich hoch wie vorher», sagt Lukas. «Was sich geändert hat, ist der Fokus. Das Training ist im Mittelpunkt. Der Erholung wird mehr Gewicht gegeben», erklärt er und fügt an: «Für uns ist es wie ein Traum, dass wir unser Hobby zum Beruf machen konnten.» Lukas Werro merkt aber auch an, dass die Situation schwieriger geworden ist, wenn es mal nicht wie gewünscht läuft. «Vorher haben wir uns mit dem Sporttreiben ablenken können. Jetzt ist es quasi unser Beruf geworden.»
Womit auch gesagt ist, dass Lukas und Simon Werro nicht nur nach Brasilien reisen nach dem Motto «Dabeisein ist alles». Weit gefehlt. Auch wenn der Weg an die Spitze weit ist und eine Medaille schwierig zu erreichen sein wird, so setzen sich die beiden ein ambitiöses Ziel: «Wir wollen unter die Top 8 und damit in die Diplomränge fahren.» Dies im Bewusstsein, dass so viele Augen wie noch nie zuvor auf sie gerichtet sein werden. «Der Druck ist sicher spürbar. Aber letztlich es auch nur ein Wettkampf wie jeder andere. Wir wollen uns von unserer besten Seite zeigen. Mit dieser Einstellung müssen wir ins Rennen gehen.»
Erfüllung werden die beiden Exil-Magglinger aus Basel so oder so finden. In Rio de Janeiro wird ihr Traum Realität werden.