Vielleicht erinnert ihr euch: Im Herbst 2018 sorgte ein Neuzugang vom FC Barcelona bei Borussia Dortmund für Begeisterungsstürme. Der Spanier Paco Alcácer kam, sah und traf. Und traf und traf – und brach direkt einen Rekord: Der Stürmer erzielte in seinen ersten drei Bundesliga-Einsätzen sechs Tore in lediglich 81 Minuten. Alcácer brauchte kaum Anlaufzeit, knipste sich von jetzt auf gleich in die schwarz-gelben Fanherzen.
Der 26-Jährige war damals der gefeierte Mann, löste einen Medienhype aus: Wer ist er, auf welcher Silbe betont man seinen Nachnamen? Alcácer wurde nach seinem Superstart auch wieder in die spanische Nationalmannschaft eingeladen, für die er über zwei Jahre nicht gespielt hatte. In Spanien rieben sich die Fans, vor allem die von Barca, verwundert die Augen: Wie konnte man so doof sein, diesen Superstürmer mit Kaufoption nach Dortmund auszuleihen?
Im Sommer 2019 aktivierte die Borussia diese Kaufoption. Alcácer, Vertrag bis 2023, wiederum wirkt seit einigen Wochen deaktiviert. In den ersten vier Bundesligaspielen der laufenden Saison Alcácer erzielte er zwar noch fünf Tore in vier Spielen, ein knappes halbes Jahr später ist von dem Superstürmer nicht mehr viel zu sehen. Aufgrund von Verletzungen reichte es unter Trainer Lucien Favre nur noch für Kurzeinsätze. Beim Hinrundenauftakt beim FC Augsburg stand er nicht einmal im Kader, Favre sagte: «Ich hatte nicht das Gefühl, dass er bereit ist, uns heute zu helfen.»
Ohnehin haben sie einen neuen Superstürmer beim BVB. Auch der kam, sah und traf: Erling Braut Haaland, zuvor bei RB Salzburg unter Vertrag; jünger, grösser, schneller als Alcácer. Gegen den FC Augsburg in der 56. Minute eingewechselt, traf Haaland in der 59., 70. und 79. Minute, drehte höchstpersönlich den 1:3-Rückstand – und brach direkt einen Rekord: Einen Dreierpack als Debütant, der von der Ersatzbank kommt, zu erzielen, das gelang vor ihm noch keinem anderen Spieler in der Bundesliga.
Der 19-jährige Norweger ist aktuell der gefeierte Mann, löste einen Medienhype aus: Wer ist er, wie spricht man seinen Nachnamen aus? Wie konnte die gesamte europäische Konkurrenz sich diesen Goldjungen nur entgehen lassen?
Moment, stand das nicht so ähnlich schon im zweiten Absatz dieses Textes, nur dass es um Alcácer ging? Richtig! Und genau das sollte Erling Haaland eine Warnung sein, denn das Beispiel des Spaniers zeigt, dass ein Hype manchmal schneller vorbei ist, als man denkt.
Hinzu kommt: Haaland hat gerade mal 16 Spiele in der österreichischen Liga auf der Vita. Auch wenn er dabei unfassbare 17-mal traf, die Beletage im deutschen Nachbarland ist – mit Verlaub – alles andere als eine europäische Topliga. Alcácer hingegen spielte zuvor in der spanischen Liga, die als eine der besten der Welt gilt, war dort in 150 Spielen an 65 Toren direkt beteiligt (43 Treffer, 22 Vorlagen).
In diese Kerbe schlägt auch Markus Gisdol, Trainer des kommenden BVB-Gegners 1. FC Köln. Er sei kein Freund von Hypes: «Das ist toll, wenn du in Salzburg fünf Tore pro Spiel schiessen kannst, weil deine Mannschaft so überlegen ist. Das ist eine tolle Entwicklungsmöglichkeit», sagte er am Mittwoch vor dem Duell in Dortmund und verwies dabei auf die Stärke der deutschen im Vergleich zur österreichischen Bundesliga.
Am Freitag gegen Köln – und spätestens in grossen Spielen gegen die Meisterschaftskonkurrenz, im Derby gegen Schalke und im Achtelfinale der Champions League gegen Spitzenklub Paris St.-Germain – wird sich zeigen, wie berechtigt der Hype um Haaland wirklich ist.
Nicht, dass es irgendwann heisst: Vielleicht erinnert ihr euch, im Januar 2020 sorgte ein Neuzugang von RB Salzburg bei Borussia Dortmund für Begeisterungsstürme...
(as)