Der Fussball schreibt immer wieder Geschichten, die glaubt man kaum. So stieg am Sonntag mit Paderborn ein Klub erstmals in die Bundesliga auf, den man vor der Saison eher als Abstiegskandidaten gehandelt hätte. Ein Fan hatte anfangs Saison mittels Plakat gebeten: «Bitte keine Relegation.» Jetzt ist er Anhänger des 53. Bundesliga-Klubs der Geschichte. Und dies mit einem Budget von rund 6 Millionen Euro. Freiburg, der Bundesligist mit dem bisher kleinsten Etat hat zehn Millionen Euro mehr zur Verfügung. Selbst Super-League-Vereine haben mehr Geld zur Verfügung.
Dies alleine macht deutlich, wie unerwartet die Promotion des Provinzklubs – teilweise wird von der grössten Sensation der Bundesliga-Geschichte gesprochen – ist. Die Benteler-Arena wird mit 15‘000 Zuschauern logischerweise das kleinste Stadion der Bundesliga sein. Zudem sind Freitagabendspiele in Paderborn aktuell nicht möglich. Die Anwohner ums Stadion haben Fussballspiele, die länger als bis 22 Uhr dauern gerichtlich verbieten lassen. Paderborn müsste in dem Fall ins ungeliebte Bielefeld ausweichen.
Trotzdem wird die Freude in Paderborn überwiegen. So auch bei diesem Fan, der sich vor einigen Wochen zur Witzfigur vieler machte. Er faselte was von Treue zu seinem Verein und dass er sogar seine Playstation verkaufe, damit er ein Spiel seines SCP sehe könne. Und Sitzplätze, das gehe gar nicht.
Im konservativen Paderborn meldet sich in der Zeit auch Erzbischof Hans-Josef Becker zu Wort: «Als Theologe bin ich mit der Verwendung des Begriffs ‹Wunder› etwas vorsichtig, aber der Aufstieg des SC Paderborn in die Bundesliga ist schon etwas, das man zumindest als ‹Fussballwunder› bezeichnen kann.»
Das Ziel ist klar: Es kann nur Ligaerhalt heissen. Das weiss auch Captain Markus Krösche, der seine Karriere nach 13 Jahren beim Verein mit dem Aufstieg im besten Moment beendet, wie er selbst sagt. Hat er denn keine Lust einmal mit Paderborn gegen die Bayern, Schalke, Dortmund und Leverkusen mit Ribéry, Boateng, Reus oder Kiessling zu spielen, wird er von der «Zeit» gefragt: «Lieber nicht.»
Während Paderborn bis zum Saisonende warten musste, feierten sie in England ihre Sensation schon kurz nach Ostern. Mit Burnley stieg dort ebenfalls ein Klub auf, den eigentlich alle eher im Tabellenkeller sahen. Das Städtchen mit 90‘000 Einwohner ist dann ab August wieder der kleinste Ort, der je in der Premier League gespielt hat. Die Vergangenheit ist zwar ruhmreich, so gewann der Verein vor genau 100 Jahren den FA-Cup und verbrachte bis zu den 70er-Jahren viele Saisons in der höchsten Spielklasse. Zuletzt gelang der Aufstieg 2009, das Abenteuer endete jedoch nur eine Spielzeit später wieder.
Auch dieses Mal erhält der Aufsteiger mit einem Stadion von 21‘000 Zuschauern keinen Kredit. Spieler Michael Duff nimmt’s gelassen: «Wir wären nicht das erste Team, das gleich wieder absteigt. Uns haben sie jetzt schon alle abgeschrieben. Genauso wie vor dieser Saison. Wir können nur gewinnen.» Und sein Trainer Sean Dyche mag sich auch nicht viel aus den bösen Prophezeiungen machen: «Ich kann nur eines versprechen: Wir werden kompetitiv sein. Wozu das reicht, werden wir sehen.»
Vor dem Aufstieg soll im Verein jeder Spieler eine Busse von 500 Pfund aufgebrummt bekommen haben, der das Wort Aufstieg verwendete. Nicht viel könnte man meinen. Doch bei Burnley verdienen die meisten Kicker 8000 bis 10‘000 Pfund im Monat. Wayne Rooney kassiert das dreifache dieser Summe in einem Tag.
Die Aufstiege der beiden kleinen Vereine sind tatsächlich Meisterleistungen und können nicht gebührend genug gefeiert werden. Der Kolumnist Stephen Cummings schrieb für Burnley, was auch für Paderborn gilt: «Herausragend, unglaublich, überraschend, brillant: Zu versuchen, diese Leistung der letzten Saison zu beschreiben, führt nur zu einer Überbeanspruchung von aussergewöhnlichen Adjektiven.»
@BurnleyOfficial Up on my notice board inspiring the team. #twitterclarets pic.twitter.com/GTB7KGZ5KW
— Peter Lambert (@clitheroeclaret) 23. April 2014
Burnleys Trainer Sean Dyche erklärt die Promotion – was wieder auch für Paderborn gelten kann – gegenüber der Daily Mail so: «Es ist sehr schwierig ohne Grundwerte Erfolg zu haben. Sie hören sich vielleicht altmodisch an, aber sie sind moderner denn je: Respekt, gute Manieren, Stolz, Leidenschaft, harte Arbeit, Glaube und Anstand. Diese sind der Leim, der alles zusammenhält.»
«Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein», sangen die Sportfreunde Stiller einst. Für Paderborn und Burnley gilt dies, wie sonst nur für wenige Klubs. Sie sind der Gegenentwurf zu den superreichen Klubs wie Manchester City, Chelsea oder dem PSG, die sich dank dem Vermögen ihrer steinreichen Besitzern alles und jeden leisten können.